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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 153
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0617

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Xo. z.zz.

Freitag den 1. Juli.

1842.

LanVtagsverhandlungen.
Carksruhe, 28, Juni. Ni te öffentliche Sitzung der 2. Kammer. Präsident
Hekk. — Ncgicrungskoinmisston: Geh. Referendar Eichrodt, Ministerialrat!»
Ziegler.
Der Abg. Sander zeigt eine Motion an, des Inhalts: Die Großh. Regie-
rung zu ersuchen: 1) die Wiederherstellung eines gesetzlichen Zustandes der Presse
im Großhcrzogthmn in thnnlichster Bälde zu bewirken; 2) von ihrer Seite dazu
brizntragcn, daß in Befolgung des Artikel 1811 der deutschen Bundeöakte der Presse
in den deutschen Bundesstaaten ein fester und freier Nechtszustand gegeben werde.
Das Sekretariat gibt Kcnntniß von Petitionen: 1) des Hauptlehress Jincr zu
Darlandcn, dessen Zwangsversetzung auf den Schullehrcrdienst in Hohenwarts», Amts
Pforzheim, betreffend; 2) eine Vorstellung der Johann Klingel'schen Eheleute, be-.
züglich auf ihre frühere Eingabe wegen Kränkung vcrfassungsmäßigcr Rechte durch
die Großh. Verwaltungsstellen.
Meyer übergibt eine Petition UIN Wiederherstellung des Landrechtssatzcs 2154
und Interpretation der Landrechtssätze 2137 und 2l58, unterschrieben von 12 Bür-
gcrmeistcrn des Landamts Freiburg. Sodann eine Eingabe der Bürgermeister von
Mengen, Scherzingen, Norsingen und Offnadingcn, die Erneuerung des Unter-
pfandswescns betreffend. Diese Eingaben gehen an die Petitionskommission.
Sander übergibt eine Petition der badischen Riibcnzuckerfabrikanten, die
Steucrauflagc auf ihren Betriebszweig, neben der ordentlichen Gcwerbsteuer betref-
fend.
v. Jtz stein übergibt eine Vorstellung von 14 Gemeinden des Amtes Lörrach,
um theilweise Abänderung der bereits ausgcmeffencn Eisenbahnlinie vom Jsteiner
Awtz bis an die Schweizcrgränze. Die Bitte der 656 Petenten geht dahin, daß die
Eisenbahn, etwa von Schlierigen aus, mehr dein Rheine genähert und vom Jsteiner
Äotz entweder über die Insel Mühlengrund, oder theilweise durch den Ort Jstein
in gerader Richtung bis an die Schweizcrgränze geführt werde. Oie beiden letzten
Petitionen gehen rn die Zoll- »nd an die Eisenbahttkommisfion.
Grether überreicht eine Eingabe der Gemeinde Efringen, womit sie ihre-
frühere Bitte wegen Ersatzschuldigkctt aufgedrungener Rheiniiiseln in Erinnerung
^"^Köhme nimmt das Wort und äußert: Der Abg. Welcher habe in seiner Rede
i„ der letzten Sitzung, so wie sie in der Landtagszeitung steht (fl No. 15V, S. 601
d. Bl.), die beiden Parteien geschildert, und zwar die der seinigen entgegenge-
setzte in einer Weise, welche eine Beleidigung enthalte, indem er den einen der
beiden Zustande, wo keine Opposition stattfinde, mit jenem verglich, wo Schlözer
die Landstände privilegirte LandcSvcrräther nannte. Der Redner findet es nicht in
der Ordnung, ehrcnwcrthe Bürger, die ihr Vaterland nicht minder als der Abg.
Welckcr lieben, zum Theil noch in öffentlicher Wirksamkeit stehen, in dieser Weise
z>« bezeichnen. Das Jahr 18)1 nenne der Abg. Welcher als den zweiten Zustand
wo keine Opposition stattfinde; füge aber bei, daß schon in der zweiten Hälfte des-
selben die Natur ihr Recht geübt und ein Gegensatz zwiswen abhängigen und selbst-
ständigen Mitgliedern sich gebildet habe. Im Verfolge seiner Rede deduzire der
Abg. Welcher die Nothwendigkeit einer systematischen Opposition drraus, weil das
Ministerinm mit seiner ganzen Gewalt die Ministeriellen bestimme, in allen ihm
wichtigen Fragen einen: Kommandowort zu folgen. Die Schlußfolgerung liege nahe,
daß der Redner die konservativen Mitglieder des Hauses als abhängige Männer,
die nach Kommando stimmen, habe bezeichnen wollen. In sofern der Abg. Welcher
seine Meinung objektiv ausgesprochen habe, werde die öffentliche Meinung darin
die Befangenheit des Redners erkennen, daß nur seine politischne Grundsätze die
rechten seien, weshalb er keinen Anstand nehme, die Gegner als abhängig zu be-
zeichne». Wenn er aber mit subjektiver Beziehung auf die Kammer gesprochen habe,
so könne er (Böhme) nicht umhin, diese Aeußerung für eine eben so grundlose als
unwürdige Verdächtigung erklären. Ihm sei keine Zumnthung hinsichtlich seiner
Abstimmung zugekommen. Cr würde sie zurückgewieken haben, von welcher Seite
sie auch gekommen wäre. Er folge seiner freien Uebcrzeugung, die ihn dahin leite,
der Regierung nicht mit Mißtrauen entgegen zu treten, sondern sic in ihrem auf
deS Landes Wohl abzweckenden Streben zu unterstützen. So glaube er seinen, Eid
zu genügen und das Volk werde in: Laufe der Zeit nnschwer ermessen können, ob
die Opposition oder die andere Partei das Ziel besser erreiche, welches Alle haben,
das Wohl deS Landes. Solche Verdächtigungen der Parteien, wie sie schon vorgc-
komir.cn, sollten unterbleiben, da sie zu nichts Gutem führen. Da übrigens der
Abg. Welcher von Kommandowort gesprochen, so möge er ihn den Wunsch erlau-
ben, daß jedem Mitglied überlassen werde, nach seiner eigenen Uebcrzeugung zu
stimmen, und daß nicht etwa der Einfluß eines Collegen als Kommandowort be-
nützt werde. Dies glaubt er auf die Rede, die er damals nicht so verstanden habe,
wie sie in der Landtags-Zeitung steht, bemerken zu müssen.
Wo liker. „Die Rede im Landtagsblatt hat der Herr Redakteur nachgeschrie-
be»; jch bekenne mich aber zu jedem Buchstaben.» In den Aenßerungen des Abg.
Böhme findet der Redner einen Widerspruch, indem derselbe im Eingang anerkenne.
Er habe objektiv gespr»chcn, dann aber ihn beschuldig:, er habe Mitgliedern der
Kammer unlautere Motive für ihre Abstimmungen untergeschoben. Er könnte fra-
gen, was den Abg. Böhme berechtige, in solcher Weise aufzutrcten, und die Schil-
derung einer Partei auf sich zu beziehen. Bekenne er sich zu der Schilderung, dann
paffe freilich alles aus ihn, allein Er habe keine Personen im Auge gehabt. Die

alten Kammern will er nicht wieder erwecken. Er habe sich als unbedingt abhän-
gig vom Ministerium bezeichnet, aber nicht von den einzelnen Mitgliedern, sondern
von den Kammern gesprochen. Abhängig waren sie, da sic sich den ministeriellen
Planen unbedingt unterordncten. Ob aus guten oder schlechten Motiven, darüber
habe er nicht geurtheilt, wie es überhaupt seine Art nicht sei, über die Absichten,
die nur Gott richte, zu urtheilen. Daß sie Zusammenhalten, was er durch das
Kommandowort ausdruckte, habe er auch von der Oppositionspartei verlangt, eS
wäre eine kopflose Partei, die sich zersplittern wollte, wo Einigkeit noth thut. So
unverständig sei Niemand, dag er nicht wisse, man müsse zusammenhaltcn, wo eS
Kampf gibt. Schließlich wiederholt der Redner, er habe nur obsectiv gesprochen
und Niemanden schlechte Motive untergeschoben; wenn also der Abg. Böhme darin
eine unwürdige Verdächtigung finde, so müsse er, in so fern diese Aeußerung nicht
auf einem Mißverständnisse beruhe, sondern seine öffentliche Wirksamkeit in ein fal-
sches Licht stellen solle, dieselbe als nichtswürdig zurückwcisen.
Böhme beruhigt sich bei dieser Erklärung, indem danach der Abg. Welckcr
nicht persönliche Beziehungen im Auge gehabt, und die freie Ueberzeugung der kon-
scrvativen Mitglieder als das Kommandowort anerkannt habe, dem sie folgen. So
habe er die Rede, nach der Darstellung des Landtagsblattcs nicht verstehen können.
Welcker entgegnet, daß der Redner, der ihm früher zu unangenehtnr Aeuße-
rungcn gegen die Ministeriellen zugeschrieben, ihm jetzt zu angeuehme beilege, und
wiederholt seine frühere Erklärung.
M Ithy. Jch habe die Darstellung der Rede in der Landtagszeitung nicht zu
rechtfertigen, da der Abg. Welckcr sic anerkannt hat.
Böhme. Revocirt bat.
Welcher. Ich habe kein Wort zurückgenommen.
Mathy. Anerkannt hat. Ich werde überhaupt aus keine Anfrage in Be-
treff der Landtagszeitung in diesem Saale antworten, — so gern ich dafür an je-
dem andern Orte Rede stehe — da ich nicht dazu beitrage» will, die kostbare Zeit
der Kammer mit Dingen zu verderben, die gar nicht hierher gehören. Bedauern
muß ich jedoch, daß abermals eme Empfindlichkeit laut geworden ist, die man wobl
hätte unterdrücken können. Das Land hat übrigens heute wieder Gelegenheit, zu
beurthcilen, von welcher Seite immer und immer die politischen Leidenschaften als
Zankapfel in diesen Saal geworfen werden.
: Regen au er. Das ist eine merkwürdige Erklärung.
Mathy. Der Vorfall ist das Merkwürdige. —
Hiermit endet dieser Zwischenfall.
Martin berichtet über das Budget für das Großherzogliche Staarsminifferium
für die Jahre 1842 und 1843.
Der Abg. Gastroph wird beeidigt und erklärt hierauf, daß er bedauere, daß
seine Wahl zu Verhandlungen, wie sie verkamen, geführt habe. Hätte er dies vor-
aüsgeschcn, so würde er abgelchnt haben. Er habe nach der Deputirtensteüe nicht
gegeizt, aber die Wahlmänner hätten darauf bestanden, ihn zu wählen, und ihr
Benehmen sei ehrcnwerth. Die Petitionen des Wahlmanns Fuchs wolle er nicht
näher bezeichnen; sie seien jedenfalls übertrieben. Daß einige Wähler nicht einge-
laden worden, sei ein Umstand, der überall vorkomme. Die Wähler kannten ihn
und seine Gesinnungen, und darum hätten sie ihn gewählt.
Die Tagesordnung führt auf die Begründung nachstehender Motion des Ada.
Welckcr.
Meine Herren! Für meinen gegenwärtigen Vortraa bitte ich um Ihre gütige
Nachsicht, wenn ich denselben zum Theil an einen schriftlichen Entwurf anschlicße.
Fiir's erste ist unsere sonst große deutsche Geduld doch nicht in allen Dingen groß.
Sie ist nicht so groß, daß eine deutsche Kammer so, wie das britische Parlament, ei-
nem MotionSstcller oder Redner einen vier- oder fünfstündigen Vortrag gestattete.
Run ist aber der Stoff meiner Motion so reich, daß die freie, mündliche Entwicke-
lung mich leicht zu größerer Ausdehnung verführen könnte, als Ihnen angenehm wä-
re. Sodann haben unsere Herren Minister dafür gesorgt, daß die Rosen, die wir
auf diesem Landtage mit einander pflücken »vollen, mit Dornen gar überreichlich ver-
sehen sind. Nun bin ich zwar an fich mehr ein Freund altdeutscher und brittischer
Derbheit, als ein Freund von doppelte» Handschuhen. Allein unsere neudeutsch«
Schwächlichkeit hält meist schon natürliche, männliche Geradheit für allzu verletzend.
Bei der Größe und Schwierigkeit der Verhältnisse und Gegenstände aber, die ich heute
zu berühren habe, und bei dem innigsten Wunsche einer Vereinbarung in den größ-
ten praktischen Interessen und Aufgaben unseres Vaterlandes, möchte ich wenigstens,
so wett möglich, jede Störung, auch nur unabsichtlich und mißverständlich verletzender
Worte vermeiden. Dazu eignet sich wiederum weniger die ganz freie, als die gebun-
dcne Darstellung.
Die Anträge, welche ich zu begründen die Ehre haben werde, bezwecken mehrere
solche materielle Erleichterungen unseres Volkes, durch deren Verwirklichung zugleich
die höheren Interessen wesentlich gefördert, und unser verfassungsmäßiger Rechtszu-
stand entwickelt und befestigt werden würden. Zur besseren Begründung meiner An-
träge und ihrer ctgcnthümlichen Form muß ich um die Erlaubniß bitten, denselben
einige allgemeine Bemerkungen über unsere gesellschaftlichen Verhältnisse, deren Ver-
besserung ste bezwecken, vorauszusenden. Sollte ich dabei einiges Unangenehme be-
rühren müssen, so bitte ich meiner aufrichtigen Versicherung zu glauben. Laß es mir
durchaus nicht um Tadel gilt, sondern nur um das Beffermachen, und um ein? un«
 
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