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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 153
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0618

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610

beleidigende Erwähnung dessen, was dazu nothw mi,; ist. Die Ankündigung meiner
Molion schon in der ersten Sitzung unseres Lamings miv eie VerbuwuNg mehrerer
Anträge in derselben wurden, wenigstens thulwcise, vcivorgcrufcu durch den schmerz-
lichen Eindruck, welchen die Eröffnungsrede machte. In decstloen wurde uns angc-
kunbigk, daß die hoi-c Regierung uns für die gegenwärtige zweijährige Landtagspc-
ridde gar keine Gesetz,seniwurfe vorlegcn werde, also selbst „ich! einmal das früher
schon dcrathcnc Straf- und Straßciigcsctz, sondern lediglich nur das Budget über die
von uns zu bewilligenden Abgaben des Volks, und die Vorlagen über die Ausfüh-
rung dlos eines Thcils des schon vor bald fünf Jahre» zum Gesetz erhobenen Eiscn-
dahnbaucS.
Ich kann nicht glauben, daß es den billigen Erwartungen unseres Volks ent-
sprach, nachdem eS zum großen Thcil «o ruhmwurdige Anstrengungen in einer all-
gemeine» Wahl seiner Vertreter machte, sich zu einem zweijährigen Stillstand in
wohlthätigen Fortschritten und Erleichterungen verurtbcilt zu sehen. Sind ja doch,
so mußte sich jeder sagen, fast alle Theile der civilisirten Welt in einem solchen
Fortschreiren begriffen, daß schon darum ein zweijähriger Stillstand für uns Bav-
ner doppelt einem Rückschritte gleicht. Und fordert uns nicht vollends ein Blick auf
den geschichtlichen Gang und Standpunkt unserer verfassungsmäßigen Entwicklung
eben so wie die Vergleichung mit andern Ländern für mehrfache Fortschritte so drin-
gcnv auf, daß ein solcher Zustand als doppelt unzulässig erscheint. Seit länger alS
einem halben Jahrhundert, seit Karl Friedrichs ruhmvoller Regierung, war inan
gewohnt, unser schönes Baden stets in bürgerlichen Entwicklungen voranschreiten
und den allermeisten übrigen Ländern voranstehcn zu sehen. Und wie würdig dieses
Standpunktes erschien Gaden im Jahr 1831. Ist dieses auch jetzt noch der Fall?
Ich zweifle sehr! Der Alp eines reaktionären Spstems, welcher seit längerer Zeit
auf Deutschland lastete, ist jetzt doppelt hemmend bei uns geworden. Bereits eine
Reibe von Jahren sehen wir uus in Beziehung auf Fortschritte und Entwickelungen
unseres verfaffuugsmäßigcu Nechtszustanoes, welche nicht blos die Volksvertretung
bebarrlich forderte, sondern auch die Regierung als nothwendig erkannte, die uns
für die allernächste Zukunft zugesagt wurden, immer noch unbeftiedigt. Ja wir se-
ben uns »achgesetzt nicht blos den allermeisten civilisirten Völkern, sondern theil-
weise selbst unfern Nachbarländern, Hessen, Würtemberg, Nheindapern. Ich will
nicht einmal erinnern an die dort zu Stande gekommene neue Strafgesetzgebung,
während ein reaktionäres System bei uns dieses Zustandekommen trotz aller theuern
Vorarbeiten bisher eben so hinderte, wie die Vorlage des in Gemäßheit feierlicher
Regierungszusage seit beinahe zehn Jahren ausgcarbciteten Regicrungseniwurfs ei-
ner auf Oeffentlichkeit und Mündlichkeit gegründeten Strafprozeßordnung oder wie
zum unendlichen materiellen Schaden des Landes die rcchtzetigc Vollendung unserer
Eisenbahn. Ich erinnere nur beispielsweise an die auch in jenen Nachbarländern
längst verwirklichte unentbehrliche Trennung der Administration von der Justiz, an
die durch einen gesetzlichen Normaletat wie durch bessere StaatSriencrgcsetze gege-
bene Sicherung gegen willkühriiche, das Land überlastende und die Selbstständigkeit
der Gerichte verletzende Besoldungen und Pensionirungcn der estaatsoiencr, ferner
an dj- durch die wurtembergischen Oberamtsversammlungen wie durch die bayeri-
sche» Landräthe gegebene Mitwirkung des Volks an der Controle und Verwaltung
seiner provinziellen Angelegenheiten. Daß aber vollends unsere Justizeinrichtung in
der untersten Instanz, und vor allem unsere Criminaijustiz, fehlerhafter ist als bei
irgend einem civilisirten Volke der Erde, dieses wurde mit allen Einzelnheiten schon
zu oft in viesem Saale auseinandergesetzt. Und dennoch haben die Herren Minister
uns nichts vorzulcgen? Es scheint aber an der Jeit zu sein, diesen reaktionären
Stillstand endlich einmal wieder durch einen kräftigen Fortschritt zu überwinden;
dieses hofft das Volk nach seinen tugendhaften Anstrengungen von seinen Vertretern.
Insbesondere auch eine neue Erleichterung jener Lasten und Ausgaben, welche die
Zeit langjähriger Kriege und lange Mißeerwaitung erzeugten, darf eS jetzt wün-
schen, da weder der Wohlstand der Bürger noch der dcr Staatskasse im Steigen
begriffen, sondern eher von einem Wendepunkt bedroht scheinen.
Die Anträge, welche ich Jhnrn, meine Heeren, in diesem Sinne für mehrere
wesentliche Fortschritte zu machen habe, sind sämmtlich seit mehreren Jahren verhan-
delt und vorbereitet. Ich darf sie daher in einer einzigen Motion schon deßbalb
vereinigen, um nicht für neue ausführliche und abgesonderte Motionsbegründungen
unnötbige Zeit zu verwenden. Sie und Ihre Abtheilunge» und die zu wählende
Commission werden übrigens entscheiden, ob und welche mcincr Anträge vereint
oder in besonderen Adressen auszusprcchen sein möchten. Meine Anträge sind näm-
lich auch durch ein inneres Band vereinigt. Sie könnten durch den Eine» gemein-
schaftlichen Grundbegriff einer volksmäßigern und wohlfeileren Gestal-
tung unserer Militär- und Civilverwaltung bezeichnet werden. Auch
in Beziehung auf ihre Verwirklichung sind die von mir vorzuschlagcnden Verbesse-
rungen eng mit einander verbunden. Dauerte jenes traurige, möglichst untcrdrük-
kende und rückwärts führende reaktionäre System, das uns bisher beherrschte, fort
— nun so von allen wohlthätigen Verbesserungen auch nicht eine verwirklicht.
Alle Anstrengungen gelten dann dem traurigen Rückwärts, das Gegentheil dcr Ver-
besserungen wird immer mehr Raum gewinnen. Es wird dann täglich schlechter
bei uicS gehen, ly lange - so lange bis der unaufhaltsam fortschreitende Genius
der Regeneration von Deutschland und Europa den, unglücklichen Widerstand gegen
seine Gebote auch bei uns ein Ende, vielleicht ein Ende mit Schrecken bereitet.
Gabe uns dagegen der Himmel, daß die Rathgeber der Krone, ähnlich, wie
die des Jahres 1830 und igzz, j» einer gesetzlich ruhigen Entwicklung unserer
Verfassung zur aLahrpeit, zur wahren Wohlthat für Fürst und Volk zu machen,
verstünden, — daß auch sie in der vereinten Anstrengung und Arbeit für reelle
Verbesserung, das einzige ck"ttel friedlicher Vereinigung und der Beseitigung wi-
derstreitender Meinungen, Ansprüche und Systeme suchten, nun dann könnten alle
meine sämmtlich vorbereiteten und sich wechselseitig unterstützenden Anträge auf ei«
nem oder doch mindestens zwei Landtagen eben w sicher ins Leben gerufen werden,
als jene noch zahlreicheren lM Iah» 1831. Diese Kammer wird dazu freudig und
angestrengt Mitwirken. Früher freilich, nachdem die Sorglosigkeit mehrerer Wahl-
bezirke die Liberalen in die Minderheit versetzt hatte, konnten die Herren Minister,
sicher ibrcr Mehrheit in dieser Kammer und ihrer eigenen Auswahl von 8 Mitglie-
dern der andern alle unsere Bitten um Erleichterung und Fortschritte jahrelang un-
beachtet zur Seite lassen, uns durch unnöthlge Angriffe zum Kampfe für die be-
drängte Verfassung zwingen und dann noch fast höhnisch uns beschuldigen, wir

macht»» nui Worte, und keine reellen Verbesserungen. DaS Volk mußte natürlich
die Nachtheile tragen.. Hätten sie nur veryicntcrmaßee allein die da schleckt wäb-
lenden Distrikte getroffen. Jetzt aber, nachdem ras Volk uns zur Mehrheit mackre
ist es an uns, so lange das Volk kräftig bleibt und seinen Vortheil versteht, dack
Aeußcrste zu wirken, thaisächtiche Verbesserungen zu thun.
l. Mein erster Hauptantrag geht auf eine konstitutionellere mehr sich^ uni»
wohlfeilere Wehrverfaffung, zunächst aber ans eine Landwehrcinrichtung z„r
Nischen Verbindung mit dem bestehenden Heere und zur Minderung und Ergänz,
desselben. Es ist im Wesentliche derselbe den ich ini Jahre 1831 begründete.
Jahre später, 1811, erneuerte ihn der Abg, Christ, beide Male fand er große Zu-
stimmung in diesem Hause, wie im Lande, uno 1811 sicherten auch bereits die
Hrn. Regierungskommiffäre Namens der Regierung die Vorlage eines Gesetzes zur
Einführung einer Landwehr zu. Die zehn Jahre, die seit meinem ersten Anträge
verflossen, haben also sogar ohne daß abermals der Ausbruch eines Krieges die
Schwäche einer unvoiksmäßigen Heereseinrichtung so wie früher in das Licht stegte,
die Noth.wendlgkett der volksmäßigeren vielen einsichtsvollen Bürgern und Staats-
männern nur klarer gemacht.
Die großen und wichtigen Gründen dieser Verbesserung, ihre Bortheile für
Wehrhaftigkeit, Bildung, Freiheit, Sicherheit des Volks, sowie Andeutungen über
ihre Einrichtung, sind in jenen Motionen, in den Koinmissionsoerichten und Diskus-
sionen über sie, besonders auch in den trefflichen Hoffmannschcn Berichten über un-
ser Kriegsbudget und in den Verhandlungen über dieselben genügend angedcutet.
Im StaatSlerikon führt sie der Artikel Heerwesen, znni Theil aus der Feder deS
Generals von Theobald, weiter aus, »nd eine so eben erschienene Schrift eines an-
dern Sachkundigen: Preußen als Militärstaat von Hellrung, Leipz. 1812, stellt die
Grundsätze meiner Motion, jenen Theobaldschen Grundsätzen gegenüber.
Ich führe die Grundsätze auch deßhalb hier nicht weiter aus, weil ich glaube, daA
für diese zugleich staatsrechtliche, politische, nationalükonomische und militärische Ein-
richtung vorzüglich auch militärische Techniker initwirken müssen; deßhalb glaube ich
auch, daß nur ein allgemeiner Antrag aus eine angemessene Minderung und Ergän-
zung unseres stehenden Heeres durch eine zweckmäßige Landwehreinrichiung an die
hohe Regieiung zu stellen ist. Nur über die besondere gegenwärtige Dringlichkeit
dieser Verbesserung, über ihre Vcrcinbariichkcit mit den BundeSgesetzen und die mög-
liche bedeutende Erleichterung der Lasten des Volks durch dieselben noch einige Be-
merkungen. Unsere Militarlast ist weitaus die größte aller unserer Lasten. Sie be-
trägt nach unscrm neuesten Budget nahe an 2 Millionen verzehrt also beinahe ein
Viertheil unserer Einnahme. In dcr Rheinbundszeit und ihren ewigen A"egcn
glaubt man in Baden mit 8000 Mann und 800,000 fl. für sie auf den Gipfel-
punkt der Größe des stehenden Heeres und der Kosten für Dasselbe angelangt zu
sein. Ader die Größe wie die Last sind in fortdauerndem «teigen begriffen. In,
Jahre 1831 freilich bewilligten wir für 10,000 Mann einstimmig nur 1,300,000 st-
und die Negicriingskommission ertheilt uns sogar durch den Mund des Hrn. Finanz.
Ministers die Zusicherung, daß binnen Kurzem aller Bundcspsticht mit 1,000,000 ff.
genügt werden könne. Seitdem immer im Frieden stieg diese Militäriast,
dis man jetzt dem Lande r Millionen, eine Vermehrung von 6000 Mann, im
Ganzen ein stehendes Heer von 16,494 Mann ansinnt.
(Fortsetzung folgt.)

Tagsbericht.
Baben, 28. Juni. Die Lebhaftigkeit der Saison steigert sich in
angemessener Weise, und man ist in Hinsicht auf den Verkehr diesmal
dem gewohnten Verlauf um einige Wochen voraus, welcher Vorthei»
großemheils dcr neuen Trinkballe zu danken seyn dürfte, bei der ein»
bieder im geselligen Treiben bemerkte Lücke sich ausfüllt.
Bom Untermain, 27. Juni. Die so sehnlichst erwartete Main-
Dampfschifffahrt ist nun seit 10 Tagen inö Leben getreten. Daß
der gegenwärtige geringe Wasserstand auf die Personen-Frequenz seh»
Nachtheilig einwirkt, ist nur zu gewiß, denn gegenwärtig brauchen bei-
de Schiffe schon auf der Strecke von Frankfurt nach Uschaffenburg 6V,
bis 7 Stunden, und stromabwärts über 4 Stunden. Der „Verein"
kam gestern erst gegen 11 Uhr Nachts von Frankfurt in A'chaffenburg
an , indem dieses Boot wegen Ueberfüllung mehr als eine Stunde ober-
balb Frankfurt auf dem Sand gelegen und viele Passagiere in Of-
senbach und Hanau nach Aschofse"t>nrg aufzurebmen hatte. Daß die
Dienstfahrten, wie anfangs bestimmt war, nicht nach Mainz sondern
nur nach Frankfurt geben, ist kur bas Publikum sehr unangenehm und
der Gesellschaft schwerlich nutzbringend; nur eine Probefahrt wurde
dahin gemacht, woraus st^h der Beweis ergeben haben soll, daß die
Strecke zu weit sei, um solche ,n einem Tage zurücklegen zu können.
Nun soll dem Vernehmen nach, g^ch das seither auf rem "ntermaia
gehende Boot, der „Verein", vom ersten Juli an ebenfalls die Fahrt
von Würzburg aus nach Frankfurt antreten; ob dieses bet gegenwärtig
kleinem Wasse^ande thunlich ist, wollen wir abwarten, da der „Lud-
wig", welch" 2 Zoll weniger Tiefgang, als der „Verein" hat, we-
gen der Ber andungen gestern Abends erst 7'/. Uhr, statt Uhr,
Ai'chaffenbnt'g ankain, und dann in der Nähe von Krotzenburg Milten
auf vem Maine übernachten mußte.
Paris, 27. Juni. Die Milgiirdcr des deutschen Theaters wur-
den vorgcttern nach Neuilly beschieden, wo sie unter der Leitung deS
Hrn. Aubcr vor der lönigUchcn Familie sangen.
 
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