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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 173
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No. 173.

Sonntag den 24-. Juli.

1842.

LanStaqsverhanSlungcn.
Carlsruhe, 19. Juli. 23. öffentl. Sitzung der 2. Kammer. (Fortsetzung )
Welcker fährt fort: Ich habe gesagt, daß Verdeutsche Bund auf seine wahren
der DundeSakte entsprechenden Bruttosätze zurückgeführt und als deutscher National-
vcreiu zur Wahrheit gebracht werden möchte. Ich werde nicht tief in diese Mate-
rie eingehen, auch mit der Achtung sprechen, die ich dein großen Gegenstand schul-
dig bin. Nur in drei einfachen Gegensätzen will ich hcraushcben, wie dte>e Grund-
lagen der Bundcsakte zu vcm Gegenthcil von demjenigen gemacht worden sind,
was sic sein sollen, oder mit anocrn Worten, wie der gegenwärtige Zustand nicht
demjenigen entspricht, was der Bundesgrundvcrtrag besagt. Der erste Punkt ist
der, daß der deutsche Bund ein freier, ein öffentlicher deutscher Nbtionalverein sein
solle. Was ist er aber geworden, oder was scheint er geworden zu sein? Ein ge-
heimer deutscher Flirstenverein. Bon jenen großen Grundlagen, wonach der Bund
ein allgemeiner, öffentlicher, deutscher Nationalvcrcin sein solle, enthält die Bun-
dcsakte in ihrem ganzen Umfang zwar nur wenige, aber sehr bedeutsame Rechte,
ssch erinnere daran, daß während der Bund als völkerrechtlicher Verein es nicht
für nothwcndig fand, über staatsrechtliche Verhältnisse etwas zu bestimmen, er doch
der ganzen deutschen Nation als allgemein deutsches Staatsvurgcrrccht die Prcß-
sreioeit zusschcrte. Ich erinnere ferner daran, daß in diesem Geiste die deutsche
Bundesversammlung 3 Jahre lang, von 1816 bis 1819, zur öffentlichen Mitthci-
tung durch die Presse und Petitionen, Schriftsteller und Andere aufforderte, damit
freie, öffentliche deutsche Nationalmeinung sich bilde; daß ferner in Ucbereinstim-
mung aller Gesandten in der Eröffnungsrede des präsidirenden Bundesgesanvten
feierlich aMgesprochen wurde, es werbe die Ausgabe des Bundes sein, nach der öf-
sentlicb»Dv>einung der deutschen Nation seine Maßregeln zu treffen. Was ist aber
scitvZAAcschehcnd Dir allgemeine freie Sprache der Nation ist unterdrückt und die
vernichtct worW, am meisten und vollständigsten aber die politische
PWMMu.»Me politjAhcn Petitionen wurden verboten und der Bund
bad^M in ein gehet,unißvolleS Dunkel zurückgezogen. Seine Protokolle werden
nicht mehr der Oeffcntlichkeit übergeben, ja er hat in einem besonder» Beschluß er-
klärt, es solle nicht einmal die Ansicht deutscher Schriftsteller in den Lundesverhanr-
lnngcn genannt werden, also die schriftstellerische Wirksamkeit hier durchaus keine
Einwirkung haben.
ES soll aber zweitens der Bund, wie schon der Eingang der Bundesakle und
die erste Grundbestimnng über seinen Zweck und seine Natur lautet ein die Sou-
veränität und Selbstständigkeit aller einzelnen deutschen Staaten achtender völker-
rechtlicher Verein sein, der i» die innnercn Berhaltniffcn der deutschen Staaten nicht
cingreifpn wolle, und nur, damit die deutsche Nation ein Ganzes vleibe, wenige all-
gemeine deutsche Nationalrcchte, wie z. B. die Preßfreiheit und das ständische Recht
sur alle deutschen Bürger unter seine Garantie und seinen Schutz stelle. Wie hat
sich aber seitdem umgekehrt die Sache gestaltet? Diese wenigen von dem Bund ver-
bürgten Natwiialrechte sind unterdrückt, die politische Preßfreiheit ist aufgehoben
und das ständische Recht in seinen wesentlichen Bcstandthcilen, wie z. B. das Stcu-
erverwctgermigs- und damit auch das StcuerbewilligungSrecht, angegriffen. Dage-
gen hat stch ein ganzes System von polizeilichen Normen gebildet, wodurch sich
der Bund auf eine für kein juristisches Auge sichtbare Weise in die inneren staats-
rechtlichen Verhältnisse und das Unterrichtswesen, in die ständischen Angelegenheiten
uud die Landespolizci mischt.
Auch wurde das Recht der Volksversammlungen durch ein Bundcsgcsetz vernich-
tet. Oftmals hat stch schon für das hannoversche Recht in diesem Saale die Stim-
me erhoben, der Rcchtszustand von Hannover ist deshalb nicht geheilt. Die Grunde
sind vielleicht mehr als einer Art und ich will sie nicht zum Gegenstand der Dis-
kussion machen. Genehmigen Sie meinen Antrag, dann haben Sie - so fern er
von Erfolg sein sollte — wirksamer für das hannoversche Recht gesprochen, als
durch eine unmittelbare Bitte um seine Wiederherstellung. Denn das werden Sie
^f^lugebcn: wären die Rationalrcchte, wäre allgemeine deutsche Preßfreiheit be-
willigt worden, dann wären auch die Ausnahmsgesetze des Bundes in so großem
Rape nicht vorhanden, dann wäre auch keine haniiöverschc Rechtsverletzung entstan-
den, dlc hannoversche Bitte a:» Bundestag und unsere Bitte längst erfüllt. Wcnu
Sie UM .ffuruckführmiig des Bundes auf seine wahren bundcsaktcnmäßigen Grund-
lagen, um die Aufhebung aller Ausnahmsbeschlüffe, und darum bitten, daß unser
deutscher Natlonalvcrein endlich eine Wahrheit werde, so sorgen Sic auch für die
Wahrheit unserer ständischen Verfassung. Ich aber will mich in meiner Ausführung
schonend der Verhältnisse zu erwähnen, und auch hier nur drei
Gegensätze heraushehen, wo mir die Wahrheit der ständischen Verfassung zur Un-
wahrheit geworden scheint. Die Seele einer Repräsentativ-Verfaffung, das erste
und wichtigste Hauptrecht auch unserer Verfassung in Beziehung auf VolkSrcprasen-
^atlon,lst Preßfreiheit. Diese ist uns entzogen und init ihr die Freiheit der öffent-
lichen Meinung, öje Lebenskraft unserer Verfassung. Ei» zweites wesentliches
^erfaffungsrccht ist die selbstständige, friedliche Vereinbarung der LandcSvertrerer
v der Regierung über die Verfassung und die Gesetzgebung und volle freie Theil-
r'ein ^ ber Stande an derselben. Aber der deutsche Bund beschließt insgeheim und
lnn-.n ».^Okner Machtvollkommenheit über die allcrwichtigsten Berfa,ffungs- und
"cseßgebungs-Verhältiiiffe unseres badischen Landes, ohne daß die Volksver-
treter nur gehört werden.

Ein drittes wesentliches Recht unserer ständischen Verfassung ist das Steuer
bewillignng-, damit aber auch das Steuerverweigerungsrecht. Denn die Steuer
bewillignng ohne die Stcuerverweigeriing ist nimmermehr eine Wahrheit. Aner-
kannt ist es, daß, so wie in allen freien euroväischen Staaten auch in allen frühe-
ren deutschen Staaten mit ständischen Verfassungen, die doch durch den neuen
Nechtszustand wieder hcrgeffellt werden sollten, das StcuerverweigerungSrecht das
allcrwesentlichste, nothwendigste und wirksamste Schutzmittel des Stände gegen Miß-
regicrung, und gegen Maßregeln, die den Bolksintcressen feindlich und beharrlich
entgegen traten, vaß es das kräftigste Mittel war, auch die materiellen Interessen
des Landes zu verthcidigen und zu schützen.
Wenn in dem Kampf der Stände mit den Ministern die materiellen Interessen
nicht gefördert werden konnten, wenn, ungeachtet aller Bitten der Sände, die Mi-
nister nur eine starre Verneinung entgegen zu setzen beliebten, dann fügte es sich
nicht selten, daß man dem unter der Censur zuni Theil in Unmündigkeit erhalte-
nen Volke, welches Ansprüche an die Stände machte, die in dieser traurigen Lage
ihnen nicht verwirklicht werden konnten, zuricf: „sehet, Eure Stände machen keine
zum Landeswohl nützliche Verbesserungen, sondern ihr ganges Wirken beschrankt sich
auf Streitigkeiten und Worte!« Ich frage Sie bei dem gerechten Gotte, der Kraft
und Dauer nur demjenigen gihl, was gerecht ist und seiner Natur treu bleibt; ich
frage Sie, Angesichts des erwachten großen Geistes unserer Nation, der endlich die
Wiederherstellung der Würde und des Rechtes des deutschen Volkes fordert; ich frage
Sie, Angesichts der Gefahren, die wir rechts und links zur Sette sehen, ob dieses
ein g»t-r und heilbringender Zustand ist? Ich frage Sie, ob allein von allen ge-
bildeten Nationen Europa's, mit zwei Ausnahmen, die ich nicht bezeichnen will,
ob allein von allen gebildeten Völkern der Erde die große gcutsche Nation sich
ausschlicßen lassen will von der Ehre, der Würde und den Gütern der Freiheit?
Friedlich und gesichert freilich scheint für den Augenblick unser Zustand zu sein;
aber das ferne Wölkchen, das jetzt am Horizont hcranzieht, kann in kurzer Zeit
das ganze Meer bis auf seinen tiefsten Grund bewegen. Ich sage, die deutsche
Nation muß und wird einen wahren Nechtszustand wieder erringend Daß sie'Aber
dieses thue auf dem friedlichen Wege der Vereinbarung der Fürsten und der Völker,
auf dem friedlichen Wege der Reform, und es nicht thue durch eine Erneuerung
alter Unglücksfällc, nicht durch fremde Einmischungen und blutige Gewaltsamkeiten
der Revolution: dieses muß der Wunsch jedes deutschen ehrlichen Mannes sein, und
dahin zu wirken sind alle deutschen Ehrenmänner und alle deutschen Ständemitglie-
der verpflichtet. Und steht ihnen auch, um dahin zu wirken, nichts weiteres zu Ge-
bot, so müssen sie es wenigstens durch Worte, Mahnungen und Warnungen thun.
Dies ist der Sinn meines Antrages, den ich Ihnen zur Unterstützung hieniit
empfehle.
Lcgationsrath v. Marschall. Der Abg. Welcker hat Klage erhoben, über
den Zustand Deutschlands, über das Wirken der Bundesversammlung und über die
sogenannten Ausnahmsgesetze, die auf dem Volke lasten. Solche Reklamationen
wurden von dem Hrn. Abg. Welcker in ziemlich gleicher Form jeweils bei der Be-
rathung des Budgets des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten vorge-
bracht. Man hat aber von Seiten der Regierung in letzter Zeit unterlassen, aus-
führlich darauf zu antworten einmal weil die Ausführung des Hrn. Abg. großen-
theils Gegenstände betreffen, die sich als allgenieine Bundcsangelcgenheiten nicht
zur Diskussion in diesem Saale eignen, und dann, weil seine düsteren Schilderun-
gen sich von selbst widerlegen. Die Thatsachen sprechen hier lauter, als Worte.
Der Zustand Deutschlands ist nicht so, wie ihn der Hr. Abg. bezeichnet hat; er
kann gewiß ein vollkommen befriedigender genannt werden. Demschlanv genießt
der wahren gesetzmäßigen Freiheit und die Bundesgrundgesetzc sind erfüllt, in dem
Ginne, in weiche», sie ursprünglich gegeben waren, in dem Sinne, den die Bun-
desversammlung, welche zu deren Auslegung allein berechtigt ist, damit verbindet.
Mit Bedauern habe ich deshalb gehört, in welcher Weise sich der Hr. Abg. über
das verfassungsmäßige Organ des deutschen Bundes, über die Bundesversammlung
ausgesprochen hat. Der deutsche Bund ist das Band, wodurch die einzelnen deut-
schen Staaten zu einem Ganzen vereinigt werken, wodurch die politische Einheit
Deutschlands verbürgt ist. Wer sich über den deutschen Bund und sein Wirken in
einer Weise äußert, wie der Herr Abg., der befördert nach meiner Ansicht nicht die
wahre Wohlfahrt, nicht die Eintracht Deutschlands.
Welcker. Der Herr Regierungskommiffär hat mir Wiederholungen vorge-
worfcn. Dies ist eine sehr bequeme Widerlegung, und ich hätte von jener Seite
nicht den Vorwurf erwartet, daß man alte Klagen erneuere. Wenn altes Unrecht
fortdauert, so sind auch wiederholte Forderungen zu dessen Beseitigung gegründet.
Der Herr Regierungskommiffär hat ferner bemerkt, der Gegenstand gehöre nicht
hiehcr. Ich achte aber Ihren Verstand und Ihre Kenntmß von Ihrer Wirksamkeit
als daß ich darüber ein Wort verlieren werde. Ich hätte, sagte dcr Herr Regic-
rungskommiffär, düstere Schilderungen von Deutschland gemacht. Ich verkenne nicht
den auf der Oberfläche sich zum Theil entwickelnden behaglichen Zustand. Dies
würde ab« keinen verständigen Staatsmann, der vor Allem auf die Grundlagen
des Gebäudes steht, befriedigen. Wenn er diese Grundlagen und die Balken morsch
findet, so wird ihn die schönste Tapctenverzierunz nicht trösten über die verderbli-
chen Mängel, an denen das Haus leidet. Der Hr. Negicrimgskommiffär hat ge-
sagt, Deutschland genieße einer vollkommen gesetzlichen Freiheit. und die Bundes-
grundgesctze seien erfüllt. Wagt man wirklich dieses in einer Kammer, und im
 
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