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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 172
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0697

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1842.



>o. 172.

Samstag den 23. Juli.

Lnndtaqsvcehandlungcn. ,
Carlsruhe, >9. Juli. 23. öffentl. Sitzung der 2. Kammer. (Fortsetzung )
Wclckcr. Ich gebe natürlich davon aus, daß cs sich nicht um eine allgemeine
von dem Bund zu beschließende Maßregel, wohl aber um eine von dem Bund und
durch Besprechung der deutschen Regierungen untereinander zu verabredende Maß-
regel handelt. Ich habe hierzu noch den besonder» Grund, daß ja bekanntlich die
ersten politischen Untersuchungen von dem Bunde ausgingcn und fortwährend durch
die Bundes-Ccntralkommifsion geleitet worden sind, so daß die kleinen Negierungen
sich hl- und da beengt glauben konnten, eine Maßregel, die sie als eine heilsame
erkennen, in Vollzug zu setzen.
Züllig. Ich unterstütze ebenfalls den Wunsch des Abg. Bassermann. Zwar
glaube ich allerdings, daß die Amnestie zunächst von den betreffenden Regierungen
auszugehen hal, bin aber auch der Meinung, daß es im Interesse des deutschen
Bundes selbst, wie im Interesse der gcsanuuten deutschen Nation liege, daß solche
Wünsche bei der Bundesversammlung zur Sprache gebracht und berathen werden.
Der Abg Baffermann hat darauf aufmerksam gemacht, wie seit den zwei letzten
Zähren stch in Deutschland ein neuer kräftiger Nationalgcist zu regen begonnen,
er hat dafür den Aufschwung angeführt, den wir wahrgenommcn haben, als wir
von auswärtigcn Gefahren bedroht wurden. Man konnte noch mehr und nament-
lich auch die allgemeine Theilnahme dafür anführen, die stch in Beziehung auf die
hannoverschen Zustände gezeigt hat und die noch nicht erloschen ist; eben so die all-
gemeine, durchaus nationale Theilnahme, an dem großen Unglück, welches die Stadt
Hamburg getroffen hat. Es ist dies zu bedauern, daß bei der Humanität, die auch
die deutschen Negierungen in dieser Hinstcht bewiesen haben, der Gedanke, daß die
Theilnahme, welche man dieser Stadt beweise, eine nationale sei, nicht so allge-
mein geworden ist, wie ihn einige deutsche Regenten, besonders der König von Bai-
ern aufgefaßt haben. Der Aufschwung deutscher Nationalgesinnung der nicht zu
verkennen ist, der allgemeine Wunsch, der immer klarer hervortritt, daß die deut-
sche Nationalität mehr und mehr zur Wahrheit werde, muß sowohl den Regierun-
gen als den Regierten, so wie allen Mitgliedern des Bundes von so großer Be-
deutung sein, daß es meines Erachtens in ihren, eigenen Interesse liegt, keine
Gelegenheit zu versäume», um auch von ihrer Veite diese Gesinnung anzuer^ennc»,
zu schnpe» und zu ehren. Es hat mir darum auch schon dasjenige eingelenchtet,
was gestern der Abg. Sander in Beziehung auf die Consulate gesagt hat, indem
er wünschte, daß die auswärtigen Consulate deutsche sein möchten. Da ich nun
in dem von dem Abg. Baffcrmanil ausgesprochenen Wunsche eine Gelegenheit für
unsere Regierung finde, eie deutschnationale Gesinnung zu fördern, und zu unter-
stützen, und va die Förderung dieser deutsch-nationalen Gesinnung nicht blos Ga-
rantien für die Zukunft leistet, sondern schon als ein Glück der Gegenwart betrach-
tet werde» kann, so schmeichle ich mir mit der Hoffnung, daß sowohl von unterer
Regierung als von dem ganzen deutschen Bunde ein solcher Wunsch recht willig
werde aufgenom neu werden. Der Abg. Junghanns hat zwar den Einwnrf ge-
macht, daß von Baden aus keine oder nur sehr wenige Flüchtlinge im Ausland sich
befinden. Dies bestärkt mich aber gerade in meinem Wunsche, daß von Baden aus
die Sache in Anregung gebracht werden möchte. Gerade dadurch, daß Baden viel-
leicht am wenigstes dabei betheiligt wäre, für seine eigenen Staatsangehörigen
eine solche Amnestie zu erlasse», wird es sich am klarsten Herausstellen, daß es ein
nationaler Wunsch Badens und nicht eine besondere Angelegenheit unseres Landes
ist. Ich kann daher nur mit aller Kraft den Wunsch des Abg. Baffermann unter-
stützen.
Nettig: Auch ich thcile lebhaft den Wunsch, es möge den wenigen Männern
welche politische Verhältnisse aus ihrem Vaterland getrievcn haben, nach so man-
chen harten Prüfungen das Glück zu Thetl werden, wieder in den schoss ihrer
Familien ziirückzekchrcn. Gerade aber weil ich diese» Wunsch so lebhaft hege, bi»
ich der Meinung des Abg. von Jtzstcin, daß wir uns lediglich ans unser Land bc-
„uv a„f unser» Fürsten verlassen sollte». Es ist bei einer Bcr.ithung über
po it.sihe Gegenstände immer am besten, wenn der Bcrathenden nicht zu viele sind,
„iw es ist .„ohl voraus zu sehen, daß eine Bcr.ithung bet dem deutschen Bunde
weit mehr Schwierigkeit darbietcu wird als in einem einzelnen Kibiuet. Ohnehin
^ann ich es nicht ganz mit meinen Begriffen von dein deutschen Staatsrecht verei-
nigen, wenn man einen Akt der Begnadigung, der doch wenigstens der Form nach
in die Rechtspflege cingrciit, an die Bundesversammlung bringen will. Eine sol-
che Appellation an die Buneesoersammiung tritt nur da ein, wo das gemeinsame
deutsche Vaterland in Gefahr kommt. Dies kann ich aber in Beziehung aus unsere
fetzige» politischen Flüchtlinge nicht glauben, sondern bi» der Meinung, daß nicht
die nunecstc Gefahr obwaltet, wenn diese wenigen Männer in ihr Vaterland zu-
ruckkebren und daß sie-weit davon entfernt sind, auch nur im nliudestcn die Ruhe
und de» Frieden zu stören. Darum glaube ich aber auch nicht, daß es eine Ange-
legenheit res deutschen Bundes sei, und erinnere hier mir an die Art, wie ccr deüt-
>che Zollverein, dessen man schon oft erwähnte, zu Stande kam. Er ist auch nicht
von einem Beschluß des Bundes auögegangen und ich werde nicht zu viel sagen
wen» gg behaupte, daß er bis setzt noch nicht zu Stande gekommen wäre, wenn
auf diesem Wege gesucht hätte. Er ist zu Stande gekommen durch den
E'lutrttt einzelner Staaten, die auch in Beziehung auf eine Amnestie bereits Schritte
getban haben, und wenn Baden einen weitern Schritt ans dieser Bahn thut, so
wird sich das Uebrige von selbst geben.

Knapp. Ich unterstütze den Antrag ebenfalls, und will nur noch hinzusiigen,
daß dieser Wunsch schon vor einigen Jahren hier ausgesprochen wurde. Es war
jedoch hiebei l ie Bedingung gestellt worden, daß diese Männer sich selbst stellen sol-
len, in welchem Falle sie dann begnadigt würden. Diejenigen die diesem Wunsche
nicht entsprochen haben, werden vielleicht jetzt auf andere Ansichten gekommen sein,
und ich habe die Hoffnung, daß der wiederholte Wunsch von gutem Erfolg sein werde.
Gerbet. Ich muß dem Abg. Rettig diesmal zustimmcn. Wenn alle Negie-
rungen von Deutschland das thun, was eben als Wunsch ausgesprochen wurde, so
bat cs so zu sagen der deutsche Bund selbst geihan; allein nicht alle Regierungen
thun gern etwas, was die Allgemeinheit des deutschen Bundes nicht wünscht. Würde
man überall selbständig handeln, wie die Souveränität des einzelnen Staates cs
zuiäßt, wie Württemberg es gethan, so bedürfte er dieses Wunsches nicht, dem üb-
rigens kaum Jemand seine Zustimmung versagen wird. Ucbrigens hätte ich auch
gewünscht, das alles, was hier gesprochen wirb, unmittelbar vor die Ohren desje-
nigen Ministers gekommen wäre, der die auswärtige» Angelegenheiten zu vertre-
ten hat.
Lcgat.-Nath v. Marsch all. Der Hr. Abg. Gerbet hat stch gegen die Ge-
schäftsordnung verfehlt, indem er Persönlichkeiten vorbrachte; sodann aber auch ge-
gen die Achtung, die er einem Minister des Großherzogs schuldig ist. Ich halte
es durchaus für überflüssig, den Hrn. Minister der auswärtigcn Angelegenheiten
hiergegen in Schutz zu nehmen. Er hat den wegen Gesundheitsrücksichten erbetenen
Urlaub von Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog erhalten, und dies, meine
Herren, muß Ihnen genügen.
Gerbet. Ich erwidere hierauf, daß sich der Herr Negierungskommissär durch
das Gesagte seiner Seits gegen die Oronung verfehlt hat, indem er sich das
Amt anmaßtc, das der Herr Präsident zu versehen hat, von welchem allein ich
dasjenige zu erwarten habe, was mir von dem Negicrungstisch aus gesagt wurde.
Legatiousrath v. Marschall. Ich habe gewiß das Recht, meine Mißbilli-
gung über solche Vorgänge auszuspreche».
Der Präsident bemerkt, daß der Herr RegterungSkoui-uifsär asscrdings das
Recht habe, seine Ansicht zu äußern.
Schaasf. Ich finde cs wirklich ungeeignet, auf solche Weise hier in Beziehung
auf abwesende Minister zu sprechen. Sie treiben es wahrlich zu weit, und wür-
digen sich selbst durch dieses Benehme» herab, denn die Kammer wird in der öffent-
lichen Achtung sinken, wenn in diesem Tone fortgefahrcn wird. Am Ende würden
die Hcrren verlangen, daß wenn ein Minister nicht in der Kammer erscheint, er
sich Mit einem legalijirtcn Zeugniß über die Gründe ausweise, oder daß er ein
Phpsikats-Zeugniß beibringe, wenn er eine Badereise unternimmt.
v. Jtzstcin. Der Abgeordnete Schaaff sollte solche Bemerkungen dem Präsi-
dium überlassen.
Präsident. Len Ausdruck des Abg. Schaaff, daß die Kammer sich selbst
hcrabwürdige, erkläre ich für ungeeignet.
Sander. Der Abg. Schaaff nimmt stch eines Abwesenden so warm und eif-
rig an, daß man damit gewiß zufrieden sein kann, so weit man glaubt, es sei
Jenem hier etwas Unangenehmes gesagt worden. Ich bi» indessen der Meinung,
daß der Liusdruck dcs Abg. Gerbet keineswegs diesen starken Angriff von Veiten
des Abg. Schaaff verdient hat; ain allerwenigsten aber war Gelegenheit vorhanden,
einen Ausfall auf die ganze Kammer zu machen, und zu sagen, man treibe eS
zu weit.
Schaaff. Allerdings treibt cs die Kammer zu weit, wenn sic ihre Mißbilli-
gung über wiche Äeußcrüngeu nicht ausspricht.
Sauber. Sie würdige sich hierdurch herunter, hat der Abg. Schaaff ferner
gesagt, und scheint damit die Erscheinung auf diesem Landtage zu verstehen, daß
inehr als auf früher» Landtagen Bcmerküugcn über die Minister und ihre Verwal-
tung fallen. Dies scheint der Abg. Schaaff übel zu nehmen, und zu finden, daß
man darin zu weit gehe. Diese Meinung wird jedoch nicht getheilt werden. Wir
sind allerdings leider in der Lage, mancherlei Bemerkungen mehr machen zu müs-
sen als früher. Das kommt aber nicht allein davon her, daß man in dieser Kam-
mer, gegenüber den Ministern, solche Anlässe sucht, sondern es kommt von Hand-
luiigen der Minister her. Ich glaube daher, daß der Abg. chaaff in keiner Weise
rin Recht hatte, aus der Bemerkung des Abg. Gerbcl, die nUr eine ganz indivi-
ducllc Beziehung batte, auf Weiteres zu schließen, ans Handlungen und Acußerun-
gen in dieser Kammer überzugehcn und stch zum Vertheidigcr dcs Ministers aufzuwcrfe«.
v. Jtzstcin. Ich habe mich nur erhoben, um einer irrigen Ansicht zu begeg-
nen, die hinsichtlich meiner Bemerkung in Beziehung auf den Wunsch des Abg.
Bafferman» entstehen könnte. Ich wollte diesem Wunsche als solchem durchaus nicht
entgcgcntreten, habe vielmehr das, was er wünscht, was auch ich und andere Mit-
glieder, mit Ausnahme dcs Abg. Junghanns, wünschen, zu beschleunigen geglaubr,
daß die Amnestie von Baden aus gewiß früher zu Stande komme» konnte, als
wenn die Sache den langen Weg durch die Bundesversammlung gehen müßte. Mö-
gen es mehrere oder nur einzelne Verbannte sein, so wird cs gut sein, wen» auf
diesem Wege Gnade geübt, oder vergesse» wird, was schon früher hätte vergessen
werden sollen. Ich wollte aber auch zugleich ein Recht der Regierung wahren, so
weit cs an mir liegt, indem ich glaube, daß keine Regierung von der Einwilli-
gung dcs Bundes abhängt, wenn sie eine Amnestie ertbeilen will. Uebrigens habe
ich mich durch die heutige Verhandlung belehren lassen, Und halte es für gut, wenn
 
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