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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 221
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0899

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8anVtaqsverhank>!ttngcn.
N a ch t r a g
zur »4. öffentlichen Sitzung der r. Kammer vom 2. September, die Motion wegen
Preßfreiheit betreffend.
(Fortsetzung und Schluß.)
Sander fährt fort: Damit will ich übrigens nicht gesagt haben, daß mir
dies genüge; den» ich, gehe davon aus, daß am Ende die Zensur ei» Unding ist.
Sie ist und bleibt Willkür, immer Willkür und nur Willkür. Die Bemerkungen
des Abg. Iunghanns über den Antrag der Kommission machten mich wirklich da-
rauf aufmerksam, daß man denselben so auslegen könnte, als wäre darin für die
inneren Angelegenheiten in gar keiner Weise Preßfreiheit verlangt, sondern der
Antrag nur darauf beschränkt, daß man eine leichtere Zensur für die inneren Ange-
legenheiten haben wolle. Ich glaube nicht, daß dies die Ansicht der Kommission
war. Meine Ansicht war cs wenigstens nicht, indem ich für innere Angelegenheiten
ausdrücklich um Befreiung der Presse von der Zensur bat. Ich wiinsche deshalb
auch den zweiten Antrag in dieser Weise deutlich gefaßt. Wir können sie auch we-
nigstens für Flugschriften — und man braucht vor diesem Namen nicht zu erschre-
cken - vollkommen verlangen, gestützt auf das Beispiel von Baieru, wo Flug-
schriften, besonders wenn sie innere Angelegenheiten betreffen, lediglich keiner Zen-
sur unterworfen sind. - Was in Baiern unter der deutschen Buneesgesetzgebung
Über die Presse Recht und Gesetz ist, sollte auch in Baden Recht und Gesetz lein
oder werden, und es könnte die Regierung gerade bei uns dies um so leichter thun,
weil wir ein wirkliches Preßgesetz haben, das noch hinreichenden Stoff und Raum
gewährt, irgend ein Vergehen, welches man durch die Presse begeht, gehörig zu
strafen, und dann bleibt ja die polizeiliche Beschlagnahme immer noch übrig. Ich
glaube zwar auch, daß selbst dieses Verlangen von Seiten der Regierung nicht ge-
währt werden wird, indem ich ebenfalls der Meinung bin, daß man in jetziger
Zeit keineswegs von Seiten der Regierung vor hat, eine freiere Besprechung unse-
rer inncrn Angelegenheiten zuzulaffen; sondern ich furchte mit dem Abg. Bassermann,
daß man unsere Zustände hinsichtlich der Zensur noch verschlimmern will, daß man,
nachdem schon jetzt in der CarlSruhcr Zeitung Artikel erscheinen, die gegen die 2.
Kammer gerichtet sind, sich noch vielmehr in Schmähartikclu über diese zweite 2.
badische Kammer auslassen wird, wenn sie nicht mehr da ist. Doch, wir werden
mit der Ruhe, die das Bewußtsein der Pflichterfüllung gewahrt, alle» solchen Ver-
dächtigungen entgegcusehc» könnncn. Das badische Volk, welches weiß, daß Ge-
genreden nicht gestattet sind, wird solchen Anklagen und Anschuldigungen nimmer-
mehr Glauben schenken.
Hecker: Das badische Volk weiß wohl, woher solche Artikel kommen.
Sander: Ich schließe mit einer allgemeinen Betrachtung über unsere deut-
schen Zustände, wie sie hinsichtlich der Presse nur zu nahe vorliegen, intt einer Be-
trachtung, die mir durch die Erinnerung an das Gedicht von Göthe „der Zauber-
tehrlig" an die Hand gegeben wird, welcher in Abwesenheit seines alten Meisters
die Geister ruft, aber nicht mehr banne» kann, und in der Verzweiflung darüber
mit dein Beil darein schlägt, die Geister aber hiedurch nur wilder macht und end-
lich auSruft:
„Hilf, o Herr lind Meister,
Sieh, die Noth ist groß;
Die ich rief, die Geister,
Werd' ich nun nicht los."
§S scheint mir dies ganz auf Deutschland zu passen. Man hat im Jahre 1813
wo die Schmach der Fremdherrschaft auf Deutschland ruhte; den Geist der deutschen
Kraft und des deutschen Wortes, in rer deutschen Presse herauf beschworen. Liese
Geister sind bereitwillig erschienen und sie brachen die Schmach von Deutschland.
Aber sie wurden bald zu kräftig und man ist gegen sie ausgczogen. Man hat den
Geist der Religion, das Gefühl, das in jeder Brust lebt, gegen jenen Geist auf-
gcrufcn. Dieser Geist der Religion ist auch erschienen, allein mall ist inii ihm in
neuester Zeit selbst wieder in Zwiespalt geratbcn und man sucht ihn zu bannen.
Als im Jahr 1830 die Iulirevolution in Deutschland Widerhall fand, da regte
und baumle sich der deutsche Geist, der gebannt, aber nicht ganz beschworen war,
und man rief gegen ihn den Geist der Industrie herauf. Man sagte de» Deutschen:
„laßt die politischen Streitigkeiten, werft Euch auf Handel und Gewerbe!" —
Die Deutschen thaten es, aber sie thaten es in einem zu hohen Grade und setzt
ist man wieder damit beschäftigt, den deutschen Geist der Industrie zu bannen, und
zu beschwören mit der Bevorzugung der auswärtigen Industrie. Alle diese deutschen
Geister find aber noch da; ste regen und bewegen sich, sie verfangen ihre Geltung
uud schon sind jene, die sie gerufen haben, in Verlegenheit gerathen und rufen:
Hilf, o Herr und Meister,
Sieh', die Noth ist groß;
Die ich rief, die Geister,
Werd' ich nun nicht los.
Aber sie lassen sich nicht mehr bannen und beschwören; sic verlangen eine freiere
Geltung und Entfaltung. In allen diesen Geistern liegt der Geist der Ruhe, der
den Deutschen eigene Geist, mit seinen: Rechtsstnn, seiner Ordnungsliebe und Treue
gegen die Fürsten. Man gebe aber diesem Geist seine gehörige Entwicklung. Man
gebe ldm Raum; denn wenn man ihm stets nur Schranken und Verbote von allen
«eiten entgegensetzt, so wird er gegen diese Verbote und Schranken stets unruhi-

ger werden. Der deutsche Geist weiß, daß sein Ziel in der freien Entwicklung
liegt. Er wird dieses Ziel erreichen, er muß es erreichen.
Rindcschwender. Wenn ich heute einige Worte spreche, so thue ich es in
meiner Eigenschaft als Berichterstatter und nicht als Deputirter, denn es ist bekannt,
daß ich andere Wünsche und andere Ausdrücke für den gegenwärtigen Zustand habe,
als ich sie in meiner Eigenschaft als Berichterstatter äußern darf. Auch mich hat
die Censur in meiner Berichterstattung getroffen und in den Nachwehcn dieser Cen-
surstnchc beschcide ich mich ganz kahl und kühl nur einige Erläuterungen zu geben.
v. Jtz stein. Zur Erläuterung bemerke ich vor allem, daß die Censurstriche
durch die Kommission gemacht worden sind.
Rindcschwender. Allerdings durch die Kommission. Zuvörderst muß ich ei-
nem Mißvcrständniß begegnen, als gehe der Kommiffionsantrag nur dahin, um mil-
dere Censur für die inneren Angelegenheiten zu bitten. Dies ist nicht die Ansicht
der Koimuission und ich verweise deshalb auf den Bericht, wonach sich die Kommis-
sion lediglich dlm Antrag oeS Abg. Sander anschlicßt, also Preßfreiheit für innere
Angelegenheiten verlangt. Der Antrag soll und darf nichts anderes sein und ich
din es daher zufrieden, wenn er deutlicher gefaßt wird. Im übrigen ist mein Ve-
richt nicht angegriffen worden und ich habe ihn deshalb auch nicht zu vertbeidigen.
Von Seiten des Hrn. Regierungskommiffärs macht inan mir zwar zum Vorwurf,
daß ich die Censur und ihre Folgen zu scharf und mitunter übertrieben dargestcllt
habe. Ich weiß aber in der That nicht, gegen welchen Vorwurf ich mich mehr vcr-
theidigen soll, denn von einer andern Seite sagt man mir, die Sache sei ziemlich
richtig dargestcllt, man könne daulit zufrieden sein, da man hier, wie bei manchen
andern Angelegenheiten die Auge» zuzudrücken habe. Noch Andere aber sagen mir,
cs sei Alles mit viel zu viel zu schwachen Farben geschildert, der Zustand sei viel
schlimmer, die Folgen seien viel nachtheiiiger und nachhaltiger als der Bericht an-
gebe. Ich gehöre selbst zu denen, welche mir diesen Vorwurf machen, bin aber zu-
frieden, wenn ich hiernach in der Mitte geblieben bin. Der Hr. Regicrungskom-
miffär glaubt uns mit der Censurordnung trösten zu können, welche bis jetzt für
die meisten Bürger ein Geheimniß blieb: ein Umstand, der allein schon großen Ver-
dacht erweckt, daß es damit nicht so ernstlich gemeint sei.
Ein Prof.ssor der Malerei hat einst gesagt, man male die Felsen wie die Wol-
ken, nur ganz anders. Die Negierung — so meint gewiß das Volk und meinen
die Mitglieder der Kammer alle mit mir — sagt ihrerseits: »das ist die Instruk-
tion dieser müßt ihr nachlebcn — thut es aber ja nicht!" Mit der Hinweisung
auf eine mildere Censur bin ich und ist gewiß auch die Kammer nicht zufrieden.
Gegen die Anstalt selbst kann man sich nicht stark genug aussprechen; ich mache
daher alle Aeußcrungen des Abg. Baffermann zu den mcintgen, ja es könnte noch
viel Aergeres gesagt werben. Zur Abwendung einer großen Gefahr kann man ein-
mal zu Zwangsmitteln greifen und Todtschlag verüben, und kein Mensch wird sa-
gen, daß man Unrecht thne. Wenn aber die Gefahren vorüber sind und man schlägt
immer noch tobt, so hat man etwas schändliches gcthan und macht sich zum Ver-
brecher. Ich glaube mich überzeugt zu haben, daß die Art und Ausübung der Cen-
snr selbst eine Mißbilligung von Seiten der Bank der Regierung gefunden und dass
den Hrn. Regieruiigskommiffär selbst hie und da eine Schamröthe überflogen hat,
als er hörte, wie die Censur in Lächerliche getrieben wird. Ich bitte die Kammer
nur noch in ihrem Beschluß einig zu sein. Der Gegenstand ist in deni Bericht ge-
wiß mit der Ruhe und Würde behandelt worden, daß den beiden Anträgen, wie ich
hoffe, die einhellige Zustimmung nicht versagt werden wird. Diese Einstimmigkeit
thut Noth und wenn auch meine Erwartungen nicht so groß sind, nun — so find
sie klein.
Geh. Rcf. Eichrodt. Gern hätte ich mich über die vielfachen Klagen, daß
die Instruction nicht vollzogen werde, näher ausgesprochen; allein ich halte es nicht
für nöthig. Die Regierung ist nicht im Stande, die Censur selbst auszuübcn, son-
dern sie muß ihre Organe dazu wählen. Nun ist cs bei den Censoren, wie bei
andern Beamten, ja selbst bei den Richtern wohl möglich, baß sie irren. Darum
hat die Regierung Rekurs-Instanzen dis zu dem Ministerium des Innern eingesührt,
unv der Hauptzweck dabei ist, daß die Censoren durch die fortwährenden RekurSbe«
scheide am Ende die Richtung kennen lernen, in welcher sie zenstren sollen und den
Geist der Behörden erkennen. In den Fällen, wo das Ministerium über Preßsachcn
u entscheiden hat, wird daS Urtheil in der Regel so ausfallen, daß man damit zu-
ricdkn sein kann. Dadurch aber schaden sich die Redakteure in der Regel selbst,
daß sie die Rekurse nicht aufeinander folgen, sondern 20 bis 30 Zeitungsartikel,
wie dies bei den «ceblättern der Fall ist Zusammenkommen taffen; damit verzögern
sie die Bescheide selbst. — Ich beklage, daß sich einige Mitglieder haben Hinreißen
lassen, der Preßfreiheit in einer Weise das Wort zu reden, die offenbar getadelt
werden muß. Ich wollte die einzelnen Redner nicht immer unterbrechen; aber in-
direkte Drohungen, so wie Beleidigungen gegen die Regierung und die Beamten
sind nicht der Weg auf dem man zum Ziele kömmt. Eine Sache muß gut sein
und sich selbst rechtfertigen, wenn sie sich geltend machen will, nicht aber solche Mit-
tel nothwcnbig haben, wie sic angedeutet worden sind.
v. Jtz stein. Ist cs denn eine Drohung, wenn mau der Regierung sagt, wel-
che Folgen schlimme Maßregeln haben mögen?
Geh. Res. Eichrodt. Ich habe die Redner wohl verstanden, aber den Abg.
v. Jtzstein nicht gemeint.
Rindeschwender. Der Weg, dem der Herr RegiernngSkonimWe den Re-
 
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