No. 131.
Mittwoch, den 29. Juni.
1842.
LanStagsvcrhandlungen.
Carlsruhe, 24. Juni. 15. öffentliche Sitzung der 2. Kummer.
(Fortsetzung.)
Possclt tudelt entschieden die Rede des Wahlkommissärs Trefurt, die im ge-
raden Widerspruch mit den Bestimmungen der Wahlordnung stehe. Wenn er aber
bedeute, daß in diesem Fall die Rede ohne Wirkung blieb, daß eine so grelle He-
rausstellung eher den entgegengesetzten Eindruck machen mußte, eine nochmalige
Wahl ganz unnöthig wäre, daß es in dem Interesse der als regierungsfreundliche
Partei Bezeichnet«-«! liege, gerade durch eine Gutheißung der Wahl zu zeigen, dag
sie nicht getroffen lei, wenn er endlich den Frieden, den allgemeinen Wunsch, die
Wahlvcrhandlnngen zu beecuden, bedenke, so wie daß in künftigen Fällen eine solche
Wahl verworfen würde, so kömmt er zu dem Resultat, für die Gültigkeit der
Wahl zu stimmen.
Platz schließt sich diesem Anträge aus ähnlichen Gründen an, besonders da
die Stiuimcnzahl, wonach der Abg. Gastroph eine Stimme weniger als früher er-
hielt, beweise, daß die Rede des Kommissärs keinen Eindruck geinacht habe. Aus
diesem Grunde gelte auch die Bemerkung nicht, man müsse den Entschluß, zu han-
> ' baß man die Wahl verwerfe. Er könnte endlich ebenfalls
«an ^nld der Parteien verwerfen, von seinem Standpunkte aus. Man habe in Zei-
tungen die, welche »nt der megicrung stimme», der öffenlichen Meinung als unwür-
dig bezeichnet, als abhängige. Nicht selbstständige Männer; man habe csscichsam einen
moralischen Meuchelmord an ihnen begangen. Der Redner will jedoch nicht weiter
hierauf eingehcn und erklärt sich für den Antrag des Abg. Nettig.
Frhr. v. Rüdt. Der Abg. Welckcr habe bemerkt, daß er, im Falle die Ne-
gierung wieder Angriffe gegen die Rechte der Kammer unternehme, dahin wirken
werde, diese Rechte thatsächlich geschützt werden, und habe als einen solchen Angriff
die UrlaubSfragc bezeichnet. Diese sei in verfassungsmäßiger Weise behandelt wor-
den; unter de» thatsächlichcn Mitteln könnten doch wohl keine andern verstanden
werden, als solche, wozu der Kammer nach der Verfassung das Recht zustche. Er
will nicht auf eine Schilderung der Parteien eingchen, wünscht aber, dag die libe-
rale Partei stets nur das fcstbaltc, was das wahre Wohl des Landes erheische,
dann werde sie auch mit der Regierung zusammeiitreffen. Was die Einwirkung
der Negierung betrifft, spricht er die Ueberzeugung aus, daß die Beaufsichtigung
der Wahlen und eine nähere Theilnahme der Regierung an ihrer Leitung nothwen-
dig sei, so lange von anderer «eite ebenfalls eingewirkt wird. Sei man einmal
so weit gekommen, daß die Wahlwänncr alle unabhängig sind, dann werde es auch
nicht mehr nothwcndig sein, daß die Regierung einwirke. In dieser Beziehung sei
es gleichgültig, welche Personen an der Regierung sind. Auch ihre Nachfolger wür-
den sich bald von der Rothwendigkcit überzeugen, unter den gegenwärtigerffBrrhält-
nissen die Wahl zu überwachen. Der Redner geht auf die vorliegende Wahl üoer
und findet cs auffallend, daß sämmttichc Wahlmänncr von einem Einzigen in einem
Lichte hingcftcllt werden, das sie nicht verdienen. Dieser habe die Urwahlen in
Sinsheim angegriffen, wo er nicht einmal bingchörc. Von Seiten der dortigen
Ilrwähler seien keine Klagen cingelanfen. Der Beamte sei Wahlmann und habe
nur sei» Recht auSgcübt. Viele Wahlmänncr hätten sich ohnehin freiwillig ;ur>
Wahl des Abg. Gastroph verständigt und ihre Erklärung sei eine ehrenwcrthe Hand-
lung. Die Rede des Wahlkomniiffars betreffend, herrsche in Bezug auf eine Äcnßp-
rnng eine Differenz und cs bandle sich nur um die Frage, ob die im Protokoll
niedcrgslegte Rede euie Einwirkung auf die Wahl sei. Der Redner stellt dies in
Abrede. Daß zwei Parteien bestehen, wisse jeder Bürger. Der Kommissär habe
seine Ansicht über beide ausgesprochen, keinen Kandidaten genannt und cs dem Ur-
theil der Wähler überlassen, welchen sie nehmen wollen. In jetziger Zeit sei eine
solche Acußcrung nicht verwerflich. Die Wahlordnung sage auch nicht, daß die
Mäh, ungültig sei, wenn sich der Kommissär eine derartige Acußerung erlaube.
^ sei ihi„ untersagt, aber das Präjudiz der Ungültigkeit sei nicht darauf gesetzt,
«et den Gesinnungen der Wahlmänner für ihren Depntirten konnte die Rede ohne-
hin keinen Einfluß übe», und durch eine Verwerfung der Wahl würde den, Bezirk
ein wahres Unrecht gctha». Als Jury werde die Kammer die Wahl als gültig cr-
ktreunen müssen, weil sie das Ergebniß der freien Ueberzengung der Wahlmänner
und des ehrenhaften Benehmens des Gewählten sei. Die übrigen Punkte glaubt er
umgehen zu können. Was Verwandte und Freunde für einen Kandidaten thun,
kann ihnen nicht verwehrt werden.
Jung Hanns tadelt gleichfalls die Rede des Wahlkommissärs und schließt sich
dem Antrag des Abg. Bassermann auf Abstimmung an.
Der Präsident befragt die Kammer, welche sich für den Schlug der Diskus,
sion ausspricht, worauf nach der Geschäftsordnung nun noch der Berichterstatter das
Wort erhält.
Hclbing bemerkt, auf eine Aeußcrnng des Abg. Welckcr, daß er nicht gesagt
habe, man dürfe die Urwahlen nicht berühren, sondern nur, man habe es bisher
"scht gethan. Er habe ferner den Wahlkommiffär nicht deßhalb beschuldigt, weil er
Zwei Parteien gesprochen, sondern, weil er sie in einem falschen Lichte darge-
,'cki, auf die Wahl ZU wirken. Er habe von einem der Regierung feind-
m gesprochen, aber nicht von einem ankern Ertreme, welches willenlos
der Regierung znstimme. Alles gut heiße was sie verlangt, ja sogar ihr mehr ein-
händigen wolle, als sie begehrt.
Es wird über den Antrag des Abg. Rettig, die Wahl für gültig zu erklä-
ren, abgestimmt, und derselbe mit 30 Stimmen angenommen.
Welckcr nimmt den Petenten Fuchs gegen die Vorwürfe des Hrn. Präsidenten
des Ministeriums des Innern in Schutz. Es sei dankcnswcrth, wenn ein unab-
hängiger Mann den Muth habe, Gesetzwidrigkeiten, wie sie hier vortiegen, zur
Kenntniß der Kammer zu bringen.
Bader fügt bei, daß die Negierung durch ihre Maßnahmen die Opposition
hervorgerufc» habe; es wäre Vieles nicht geschehen, wenn es die Negierung nicht
durch ihre Schritte veranlaßt hatte.
Frhr. v. Rüdt. Die Opposition bestand, ehe die Maßnahme der Regierung
angeordnet wurden. (Stimmen: Nicht in dieser Ausdehnung.)
Sander stellt, gegenüber einer Aeußcrnng des Abg. Rettig, die Behauptung
auf, die Kammer habe allerdings das Recht, den Wahlkommiffär zur Rechenschaft
zu ziehen, da sie über d:c Wahlen entscheide. Eine Wahl sei kein Negicrungsakt,
sondern die Ausübung eines Rechts der Bürger, wobei die Regierung- den Kommis-
sär nicht als Beamten, sondern als einen Staatsbürger bcigebe, damit die Formell
beobachtet werden. Er unterliege daher auch den Beschlüssen der Kammer, welch?
das Recht habe, eine Nuge'auszusprechcn und in ihr Protokoll nicderzulegen.
Frhr. v. Rüdt. Es könne der Kammer nicht untersagt sein, bei Prüfung einev
Wahl ihr Ürtheil über'Mängel in dem Verfahren des Kommissärs auszusprechen z
allein sie habe nicht das Recht, ihn zur Reche,ischäft zu ziehen. Er werde von dem
Staatsoberhaupt ernannt und sei nur der Regierung verantwortlich.
Knapp. Jede Sache hat zwei Seiten; es fragt sich, ob wir der Regierung
für ihre Einwirkungen nicht zu Dank verbunden sind. Bei der vorliegenden Wahl
hat die Rede des Kommissärs die Zahl der Stimmen für den ministeriellen Kandi-
daten um eine vermindert. So haben auch die Manifeste, die Rescripte, die Uttge-
schickkbli Manöver der Beamten zu Gunsten der konstitutionellen Gesinnung gewirkt.
Die vielen Drohungen und Versprechungen, die Umtriebe aller Art von Seiten der,
Benin,en sind eS, denen wir die Fortschritte des Liberalismus zuschreibcn müssen
und in dieser Beziehung sind wir der Regierung für ihre Maßregeln Dank schuldigt
Go.tftschalk. Die Kammer habe Gewalt auSgeübt, indem sie den »och übri-
gen Rednern das Wort nahm. Er habe sich erhoben, um seine Abstimmung ziz
begründen';' da ihm aber das Wort nicht gestattet wurde, so habe er anders stim-
men müssen, als er sonst gethan haben würde. ' -
Tresu.rt. Wenn der Abg. Nettig sagte, daß die Kammer nicht das Recht
habe, ihn zur Nechciichaft zu ziehen, wegen seines Benehmens als Wahlkommissär,
so habe er recht. Hätte er aber andeuten wollen, daß sie weder Lob noch Tade)
anssprechen dürfe, so würde er -»recht gehabt haben. Diesem Urthcil« unterziehe
er sich gerne. Ehe er zu seiner Rechtfertigung schreite, könnte er den Präsidenten
bitten, den Ordnungsruf gegen den Redner ergeben zu lassen, der ihn der Leiden-
schaftlichkeit beschuldigt Habei Allein er unterlasse kies. WaS feine Rede bei des
Wahl betreffe, so habe er sich auch gesagt, es sei eigentlich unnütz, was der Wahl-
kommissär spreche; die Wahl sei vorder schon, fertig. Allein er konnte sich der in
der Wahlordnung vorgcschricbencn Pflicht nicht entziehen, wonach er den Wählern
die Eigenschaft eines würdigen Abg. auseinanderzusetzen hatte; eine Pflicht- müsse
man erfüllen, auch wenn es überflüssig sei. Sein Gedanke war: Jetzt, Nachdem
die Verfassung 20 Jabre dauert, die politische» Richtungen sich ausgehsldet haben,
sind nicht allein die allgemein menschlichen Eigenschaften der Abg. in .«rage, sonder.»
auch die politischen. Er habe nach seiner Ueberzeugung sie so geschildert, wie er cs
für wahr halte. Der Abg. Wclcker habe ihn deshalb getadelt,- aber doch in dersete
bcn Phrase die Anhänger der Negierung als unselbstständige, abhängige Msumer
geschilderr. Er habe jedoch n»r ooiektiv gesprochen und spreche es noch aus; nicht
daß die Gegner der Negierung schlimme Ansichten hätten, sondern daß sie glauben
im wahren Wohl des Landes zu handebn, indem sic die von ihm bezejchiirte Rich-
tung eilsschlage». Der Redner ist auch der Meinung, daß. Manches-, MrS geschoben
ist, von Seiten der Regierung nicht hätte geschehen sollen; allein er frage den Abg.
Bader, der wohl wisse, wie hoch er ihn achte, ob wir recht handeln, wenn wir
den Fehlern der Regierung in einer Weise entgegen treten, die nicht zum Gurcn
führen kann. Es ist kein gefährlicherer Feind des Rechts und der Macht, als wenn
inan bei dem Gebrauch derselben die Mäßigung verliert. Sr habe bei allen seinen
Handlungen nicht das vor Augen, was über sein Haupt kommen könne, sondern
allein das Beste des Vaterlandes.
v. Jtzstei». Der Abg. Trefurt hat wirklich Recht gehabt, als er sagte: man
kann zn weit-gehen. Ich bitte den Hrn. - Präsidenten nochmals, die Rede des Abg.
Trefurt aus dem Protokoll zu verlesen. Kann überlasse ich der Kammer und der
öffentlichen Meinung das Urtbeil darüber, ob dies, unbefangen, ob es nicht zu weit
gegangen, ob es klug war, solche aufreizende, die Wahrheit entstellende Reden bei
Anlaß' einer Wahl unter das Volk z» werfen, von einem Manne, der so oft Friede
gepredigt. Jetzt sehe man die wohlthätigen Folgen dieses Lshrers für die Kammer.
Der Präsident verliest die betreffende Stelle des Protokolls.
v. Jtz stein. So ist also die ganze Volkspartei als verbrecherisch hingestcllt.
(Fortsetzung folgt.)