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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 184
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0749
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No. 184

1842.

Samstag den 6. August.


Landtagsverhandlungen.
Begründung der
Motion des Abg. Sander.
(Fortsetzung.)
Freilich nimmt man sich selbst dadurch das beste und einzig ausreichend Mittel,
die wahrhafte öffentliche Meinung kennen zu lernen. Freilich setzt man sich dadurch
in die Lage, die Meinungen, Wünsche und Verlangen des Volks nur nach den
durch die Censur vollständig entstellten Zeitungen und insbesondere nach den Ge-
heimberichten seiner Werkzeuge zu beurtheilen, welche solche nur nach den Wünschen
und Zwecken ihrer Obern einrichten. Freilich führt man damit das so häufige Er-
aebniß herbei, daß alsdann die Anordnungen der Staatsverwaltung, die auf solche
Berichte begründet sind, allen wahrhaften Zuständen deS Volks widerstreben, nir-
gends Paffen, und daß sie cs alsdann in diesem Widerstreit selbst sind, welche Un-
ruhe hinsichtlich der Berücksichtigung der wahren Bedürfnisse des Landes erzeugen
und Mißtrauen über die Befriedigung Hervorrufen. Freilich wird man bei unfern
Wahlen durch ihr nicht so erwartetes Ergebniß unangenehm genug enttäuscht und
aus der sichern Hoffnung des Siegs gerissen worden sein, die man, nachdem die
inncrn Blätter schwiegen, aus den nur Angenebinens und Siegreiches enthaltenden
Berichten seiner Untergebenen schöpfte. Freilich ist alles dieses die nothwenigc,
^ höchst verderbliche Folge der Cenfur, die in der Unterdrückung der Wahrheit überall
unabwendbaren Jrrthum und unabweisliche Unkenntniß der wahrhaften Zustände
des Volks gerade in denen erzeugt und aufrecht erhält, die da berufen sind, die
Verwaltung des Staats zu leiten und zu ordnen, und die endlich einsehcn sollten,
daß sie durch solche verderbliche Censur sich selbst das erste Mittel entziehen, ihre
Verwaltung den wahaften Zuständen des Volks anzupasscn, und ihren Grundsätzen
ein Vertrauen zu erwecken, welches allein darin liegt, daß sie untersucht, erörtert
ond selbst bekämpft werden dürfen. Dazu dient hauptsächlich die Preßfreiheit, denn
sie ist der Speer deS Achilles, der, wenn er auch verwundet, doch wieder heilt und
hilft, und hätten wir Preßfreiheit wenigstens für unsere inneren Zustände gehabt,
so wären alle die Zerwürfnisse, die da bestanden und die da leider noch bestehest,
entweder gar nicht zu Tage gegangen, oder sie wären schon längst durch die Macht
der freien öffentlichen Meinung in Ruhe und Frieden ausgeglichen worden.
Eben deßhalb dürfen wir auch in keiner Weise Nachlassen, zum wenigsten die
Preßfreiheit für unsere inneren Angelegenheiten zu verlangen. Es ist schon oft in
diesem Saale, und zwar insbesondere durch den Abg. Mittcrmaier tm Jahr 1833
erstatteten gründlichen Bericht »achgewicscn worden, daß sich eigentlich die Karls-
badcr Beschlüsse vom Jahr 1819 nicht auf die Einführung der Censur für die in-
ner» Angelegenheiten eines deutschen Staats beziehen, und wenn wir daher fort
und fort nicht nur über die Einführung dieser Censur für unsere inneren Angele-
genheiten, sondern auch über die strenge, kein frcünüthigcs Wort verschonende Ausü-
bung derselben zu klagen haben, so klagen wir über etwas, dessen Äbhülfe lediglich
in den Händen unserer Staatsverwaltung liegt, und dcffesi Fortdauer ihr daher
auch einzig und allein zur Last verbleibt. Wahrlich, meine Herren, wenn wir
überhaupt die gesetzliche Regulirung unserer Preßzustäudc verlangten, wenn wir in
Beachtung einmal bestehender Bmidesgesetze nur wenigstens die Preßfreiheit für un-
sere inneren Zustände verlangten, wenn wir verlangten, daß durch ein'Proviso-
rium die gänzlich ungeregelte, schrankenlose, launenhafte Ucbung der Censur in der
Art und Weise ihrer Ausübung näher bestimmt werde, und wen» wir auf all dies
bescheidene Bitten nichts erhielten, und abermals nichts erhalten solle», so können
wir Zwar nicht in der Ueberzeugung der Rechtmäßigkeit unserer Bitten, wohl aber
am Ende in der Hoffnung einer Verbesserung unserer Zustände wankend werden.
Ja wir können auf die Meinung koniincn, daß unsere Staatsverwaltung uns über-
haupt den Fortschritten einer ruhigen, der jetzigen Bildung angemessenen Vervoll-
kommnung unserer Zustände nicht Zufuhren will, oder daß sie cS zu lhun nicht im
Stande ist.
Daß aber unser Verlangen kein zu weit gehendes ist, das läßt sich durch die
Betrachtung der Verhältnisse der Presse anderer deutscher Staaten beweisen. In
Salcrn ist heutigen Tags noch das Prcßedikt vom 2i. Mai 1818 in Kraft, »vor-
nach lii Ansehen der Bücher und Flugschriften vollkommene Preßfreiheit besteht, und
wornach nur die politischen Zeitungen und periodischen Schriften, politischen und
statistischen Inhalts der Censur unterworfen sind. Wahrend man also in Baicrn zu-
mal die inner» Angelegenheiten in kleinern Flugschriften ccnsurfrei behandeln darf,
und darin ein nicht geringes fortdauerndes Mittel besitzt, die Censur der Zeitungen
dadurch auf ciN billiges, vernünftiges Maß zurückführen, daß man die in den Zci-
tungrn gestrichene Auffatze in besonder» Flugschriften entwickelt, und dergestalt ih-
ren nicht gerechtfertigten Strich nachweist, so herrscht bei uns die Censur schran-
kenlos, weil sie wohl weiß, daß sie nicht nur den Gedanken an sich, sondern auch
ledo Vcrtheidigung desselben streichen und verhindern kann.
, ^ Ein nicht nur an Macht, sondern auch an Einsicht hoch stehender königlicher
Wille sucht in Preußen der schrankenlosen Censur den Stab zu brechen, und wenn
E me Zurücknahme unseres Preßgesetzcs, und die Einführung so maßloser Censur
, Ä^n erhalten haben, so dürfen wir vielleicht hoffen, daß man auch bei uns
AU> m"bere Grundsätze für die Presse zurückkehren, und uns namentlich durch alS-
baldrge Freraebung unserer innern Angelegenheiten und durch gesetzliche Ordnung
der EeliM, in der, Dingen, wo sic nach bundeSgcsctzlichen Normen wirklich beste-

hcn soll, beweisen wird, daß wir nicht im eigenen Willen der Näthe der Krone und
in ihrer Vorliebe für eine schrankenlose Censur den letzten Grund unserer bekla-
euswertheu Preßzustäudc zu suchen und zu finden haben. Insbesondere in den kon»
itutioncllcn Staaten Deutschlands, wo verfassungsmäßig in der Kontrole der Ver-
waltung durch die Stände eine Einwirkung des Volks auf diese Verwaltung be-
steht, sollte man nicht anstehen, die Preßfreiheit für die innern Angelegenheiten zu-
zulaffen, weil sie es ist, durch welche diese Kontrole der Verwaltung hauptsächlich
vorbereitet und möglich gemacht wird.
Indem ich Ihnen, meine Herren, die Fassung eines Beschlusses in diesem Sinne
vorschlage, und indem ich hoffe, daß dieser Beschluß, über ein so heiliges Gut deS
Volks, über seine Gedankenfreiheit, auch eine Berücksichtigung in der ersten Kammer
erhalten wird, die ia nicht allein sich und nur ihre besonderen Interessen, sondern
auch mit uns das Volk vertreten soll, so würde ich mich einer geringen Einsicht in
die Lage unserer Verhältnisse schuldig machen, wenn ich dabei steheiftnnd nicht mei-
nen Blick auch dahin wenden wollte, von wo unsere Presse, als ein Theil der ge-
summten deutschen Presse, ihre obersten Anordnungen empfängt.
Wenn auch den einzelnen deutschen Staaten ein nicht geringer Spielraum !n
der Ordnung der Landesprcffc gelassen ist, so erhält doch ' die gesummte deutsche
Presse ihre oberste Richtung und das letzte Maß ihres Zustandes von dein Bun-
destag, weßhalb denn auch diese Beziehung zu erörtern und zu versuchen ist, darin
eine freie Bewegung zu erzwecken. Unter den Rechte», welche die deutsche BundcS-
aktc dem deutschen Volke im h. 18 zusichcrt, ist die Preßfreiheit ausdrücklich aufge-
ftihrt. In Folge der Karlsbader Beschlüsse wurde aber durch BundeSbcschluß vom
20. September 18i9 provisorisch auf 5 Jahre als allgemeines Gesetz für die deut-
sche Presse vorgeschriebe», daß Schriften di- in Form täglicher Blatter oder heft-
weise erscheinen, deßglcichen solche, die nicht über 20 Bogen stark sind, nur unter
Lorwiffcn und vorgängiger Gcnehmhaltung der Landesbehördc» gedrückt werde»
dürfen. Kann man nun auch streiten, ob dadurch wirklich für ganz Deutschland
die Censur ausdrücklich »otbwendigcrweise und in Allein eingeführt worden ist, so
will ich wenigstens nicht darüber streiten, daß dieses noch jetzt bei dcin Bundestag
lv verftand-ne und ansgelegt wird und daß also auch der BuneeSbeschluß vom IS.
Ang. 1821, der das provisorische Preßgesetz vom 20. September 1819 in so lange
in Kraft erhält, bis man sich über ein definitives Preßgesetz vereinbart haben wird,
nach der Ansicht des Bundestages noch heutigen Tags die Censur als die gemein-
same Regel der Presse über uns Deutsche verhängen will.
Durch diese Fortdauer der nur provisorisch eiiigefiihrtcn Censur, und durch die
spätere die deutsche Presse noch mehr cincngcndcn Beschlüsse aus dem Jahre 1832,
kann aber unser Recbt auö Preßfreiheit nicht für immer vernichtet werden, und wenn
wir mit aller Gewißheit sagen dürfe», daß die Zeiten der Aufregung und der Ge-
fahr für die innere Ruhe und Sicherheit der deutschen Staaten, welche zur Be-
gründung dieser provisorischen Maßregel angeführt wurden, vorüber sind, und ei-
nem Zustand der Ruhe, der Ordnung und nur gesetzmäßiger Bestrebungen Platz ge-
macht haben, so sollten wir auch hoffen dürft», daß man die Lage der deutschen
Presse erleichtert und daß man endlich Schritte macht, das in der Bnndcsakte ent-
haltene Versprechen der Preßfreiheit einzulöscn. Hat man auch mannigfachen Be-
strebungen in Deutschland ihre Gesetze, Ruhe und Ordnung verneinende- Richtung
übrigens grundlos genug, vorgeworfen, so ist es nicht gut, wenn dem entgegen der
deutsche Bund ebenfalls nur eine dl« versprochenen Rechte der Denischen ncgircnde
Richtung annnimmt, wenn er nur Schranken und Verbote aufstcllt, und noch zu
der Zeit aufrecht erhält, wo die selbst als vorübergehend'bezeichnet«! Ursachen der-
selben wirklich und vollständig schon längst vorübergegangen sind. Der deutsche
Lund hat sich durch den deutschen Zollverein die vorbchaltene Regulirung des deut-
schen Handels und Verkehrs entziehen lassen, und hat damit ein großes Mittel weg-
gegeben, die Bemessung und fernere Entwickelung dieser höchst wichtigen materiel-
len Zuständen in seinen Händen zu behalten. Die deutsche Presse, d. h. der Weg,
in dem die fortschreitende geistige Entwickelung der Deutschen hauptsächlich zu Tage
geht, ist in ihrer zeitgemäßen frciern Negnliriing und Ordnung durch den deutschen
Bund noch ein kräftigeres Mittel, das deuMe Volk an den deutschen Bund zu knü-
pfen, und wenn man dieses Mittel fort new fort vernachlässigt, so wird man im
Absein jeder Verbindung der materiellen und geistigen Interessen der Deutschen mit
dem deutschen Bund, den Bund selbst nicht stärken und zur Abwehr jener gemein-
samen Gefahren kräftigen, die stündlich näher rücken. Was das wieder erwachte
deutsche Nationalbcwußtsein, was sein obschon gehemmtes Auftreten der deutschen
Presse in neuester Zeit gegen das drohende Frankreich geleistet hat, ist in unserm
Gedächtnisse. Es ist uns aber dann auch erinnerlich, daß sich vadurch die deutsche
Presse um die Ehre und das Ansehen deS deutschen Vaterlandes wohl verdient ge-
macht, und somit ein nicht geringes weiteres Recht auf ihre freiere Bewegung und
auf ihre Entbindung von zeitwidrigen Schranken erworben hat. Diese freiere Rich-
tung das Anschreiten auf die Bahn einer deutschen Preßfreiheit, kann auch allein
dem deutschen Bund, dem Träger der gemeinsamen deutschen Nationalität, fein ihm
gebührendes Ansehen und Gewicht unter den europäischen Staaten erwerben und be-
gründen, und wen» Deutschland fortan im Rathe der europäischen Völker mit der
Censur mit der Dienstbarkeit des Stillschweigens belastet bleiben soll, so wird eS
nie den Rang darin cinnchmen, der ihm nach seiner Größe und Stärke vor allen
gebührt, wenn man ihm Raum zu ihrer Entfaltung gibt. Die tägliche Erfahrung
beweist dieses nur zu sehr.
 
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