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Mannheimer Morgenblatt — 1843

DOI Kapitel:
November (No. 256 - 282)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44564#1030
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Nach einem Liebhaber⸗Coneert.
Wohlthätig die Muſik zwar iſt,
Venn ſie der Menſch mit Maß genießt,
Und viel Plaiſir und vieles Glüg
Verdankt er einzig der Muſik.
Doch furchtbar wird der Höllengeiſt,
Wenn er der Feſſel ſich entreißt,
Und einen ganzen Abend lang
Die Hörer quaͤlt mit Ohrenjwang.
Da will's nicht ſchweigen, wil's nicht enden,
Da fingt und klingt es hell und grell,
Als häll man Ohten zu verſchwenden,
Oder ein eiſcines Trommelfell.
Auf den Zehen
„ Muß man gehen,
Nimmer ſtören, ; ;
Immer bören . —
Mit entzücktem Angeſicht.
Stiehlt ſich nur ein Blick
Vach dem Glas zurück,
Stort ein Ungtücksfuß
Leiſe den Geruß —
Wehl dann iſt dein Stab gebrochen
Vom geſtrengen Spruchgerichi,
Zornroth hat es ausgeſprochen:
Ach häſthetiſch iſt er nichth-
Du mußt horchen, du mußt lauſchen,
Wie verſteinert mußt du ſtehn,
Wenn des Flügels Klänge raͤuſchen
Und Quartette dich umweh'n.
Wenns dann endlich ausgeklungen,
Athme tief und athme Lamer ...
Ach! wie brav hat er geſungen!..
Rein! wie glockenrein ſie ſang! ..
-Gott! wie hat ſie ſchön geſpieli.
„Tattfeſt, meiſterlich gefühlt ln

Dann nahe dich mit krummem Rücken
Dem Vater der in Rührung ſchwimmt,
Und der in diefen Augenblicken
Des Lehrgelds Wucherzinfen nimmt.
Auch der Mama mußt du dich zeigen
Und dich gerührt vor ihr verneigen,
Mußt feierlich ihr gratuliren
Und etwas von „Talent« verlieren;
So kannſt du ſchleunigſt dich pouffiren
So heißt es gleich: „Ein feiner Marn ...
„Man fieht ihm wohl den Kennex an.«



Die Verle von Brügge.
(Von Edwin Frafer.) -

Es war im Herbſt des Jahres 1428, als die guten Buͤrger von
Bruͤgge ganz in Aufregung geriethen durch ein Wunder weiblicher Schoͤn—
heit, welches die Wenigen/ die ſo gluͤcklich geweſen waren, daſſelbe zu
ſehen: „die Schoͤne mit dem goldenen Haar“ nannten. Fremde, welche
das Land bereiſ'ten, und denen es verſtattet worden war, ſie zu ſehen,
verbreiteten den Ruf ihrer Schoͤnheit in ihrer Heimath aus, und gaben
ihr den Namen: „die Perle von Bruͤgge.“ Dieſes liebliche junge Maͤd⸗
chen, fuͤr das viele Herzen im Stillen ſeufzten, ſtand in feinem acht-
zehnten Jahr. Sie beſaß eine edle Koͤrperbildung und ihr liebliches und
kunſtloſes Laͤcheln, die vollkommene Regelmaͤßigkeit und der milde Aus-
druck ihrer Geſichtszuͤge, die vollendete Symetrie ihres Koͤrpers wa-
ren ſo entzüdend, daß kein Auge ſie mit Ruhe aublicken konnte; daher
das junge Maͤdchen nur ſelten es wagte, ihren Garten zu verlaſſen.
Die ſchoͤnen Eigenthuͤmlichkeiten ihrer Gemuͤthsart kamen denen ihres


Anmuth reden, ſie tanzt ausgezeichnet, ſang wie ein Engel, genug, für
jene Zeiten hatte ſie eine Erziehung, wie man ſie nur felten antraf,
erhalten.
Marie van Crombrugge war der Name dieſer einzigen Perle. Nur
einen Fehler hatte ſie (wenigftens nach unſerem Gefchmad) das war
ihr gelbes goldfarbenes Haar; wenn man aber die glaͤnzende Feinheit
ihrer Haut, die Locken, welche mildſtrahlende Augen befhatteten, und
die Roſen und Lilien auf ihren Wangen betraͤchkete, ſo konnte man
Marie nur bewundern. Viele hohe Herren von dem prachtliebenden
Burgundiſchen Hofe hatten unſere Perle in der Kirhe St, Donat ge-
ſehen, und waren volt Begier, ihre Huldigungen darzubringen. Unter
ihren eifrigſten Bewundern bemerkte man den Ritter von Noubaix; Ober:
kaͤmmerer bei dem guten Herzog Philipp, Balduin de Lannoi, genannt
Le Begue, Statthaltex von Lille, Andreas de Toulongeon, Raͤch des
Fuͤrſten, Gilles de Schoriſſe, Prevoſt von Harlebecke und Balduin


dOignies, Majordomus des Palaſtes der Grafen von Flandern. Kei-
nem von dieſen adelichen Herrn war es gelungen, die Gunſt Mariens
zu erlangen. Trotz ihrer ſeltenen Reize war die Perle von Bruͤgge frei
von Koketterie und Eitelkeit, ihre Beſcheidenheit und Klugheit kamen
ihrer Schoͤnheit gleich, ihr einziger Wunſch ging dahin, mit dem Manne
ihrer Wahl vereinigt zu werden Sie hatte jedoch eine kleine Schwaͤche,
welche man haͤufig bei ihrem Geſchlechte antrifft, eine Vorliebe fuͤr eie?


zu ſein ſchien, ernft oder fcherzhaft, getragenen Benehmens oder mun:


Seine Erſcheinung war

doch mit der noͤthigen Zuruͤckhaltung. Dieſer Mann hatte unfere Berle


auf, und erkannte die Uebermacht ſeines Geiſtes an.


viel auf ihn hielt, weil er ein ausgezeichneter Meifier in der Malerei


von Bruͤgae, weil er lange in dieſer Stadt gelebt und dafelbſt die


gemaͤlde — ein herrliches Bild, fuͤr welches del Koͤnig von Preuͤßen


Marie van Crombrugge, welches kein ganz gewoͤhnliches Maͤdchen
war / liebte Johannes . nicht. wegen ſeines Titels und feiner Stellung


ner Talente und ſeines lebendigen Geiftes ; ſie war ſtolz darauf/ daß
er ſie ausgezeichnet hatte, und wuͤrde wiederum ihre Gunſt nicht jedem,


Hand einem Andern beftimmt, ſie mußte daher ihre Liebe gebeim haͤl—
ten und konnte ibren Geliebten nur in Verborgenheit ſehen und ſprechen.
Eines Abends, als Johannes und Marie zufammen trauerten bei
dem Gedanken an eine Trennung, welche für ſie dem Tode gleich war,
redete der Kuͤnſtler ſeine Geliebte alſo an:
— Marie, was meineſt Du? wuͤrdeſt Du einwilligen, wenn ich
meine Wuͤnſche meinem Herrn, dem guten Herzog von Burgund, an:
bin gewiß, daß er nicht zuge-

— Was Du fuͤr paſſend haͤltſt, mein Geliebter, wird mir ſtets
recht ſein,“ — ſagte Marie. — „Man ſpricht viel von den Verdien:
ſten Philipps des Guten, wenn er ſeinen Ruf verdient, ſo wird er
uns ſicherlich helfen.“

(Gortf. flgt.)



Alles hat ſeine Zeit.
(Frei nach Marie Aycarb.)
'
Seit ſich die Exregentin Marie Chriſtine in der Rue de Courcelles
niederließ, wird dieſe wie die anliegenden Straßen von einer Menge
ſpaniſcher Familien bewohnt, die von einer Koͤnigin angezogen werden,
welche nicht ohne Vermoͤgen, Einfluß und Hoffnungen ift. Im ver-
jüngten Maßſtabe iſt der Faubourg du Roule daͤher fo ziemlich, was
Saint-Germain zu der Zeit war, wo Ludwigs XIV. Gaftfreundichaft .
dort einem entthrenten Stuart ein glaͤnzendes Aſyl bot. In einer der
Straßen, deren Mittelpunkt das Palais der Koͤnigin bilder, wohnte
vor zwei Jahren die Sennora Donna Juana Figueras. Reich und un
abhaͤngig, hatte die Sennora nach ihres Gatten Tode die pyrenaͤiſche


ihrer Vonarchin Beiſpiele ſich in Paris ein Haus gekauft. Uebrigens
fland Donna Juana mit dem kleinen Hofe duͤrchaus in keiner direkten
Beziehung, da ihr der Charakter der Koͤuͤigin nicht zufagte. Mit Ma-
rie Chriſtine ſaſt gleichzeitig nach Frankreich gekommen, Iag es der reis
chen Wittwe vor allen Dingen an einer unabhaͤngigen Stellung und an
der Sicherheit vor Gefahren und Verluͤſten, welche das fe:der ſeit ſo
vielen Jahren ſturmbewegte Spaͤnien ihr nicht bieten kounte! Die Witt-
 
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