Peters bur g, den 27. Rov.
Hier iſt eine Wohlthättgkeits-Committee eingeſetzt wor-
den, in Folge deſſen der wirkliche Geheimerath, Fürſt
Alexis Kurakin, der zum Präſidenten der Committee
ernannt iſt, folgendes Reſcript von Sr. k, Maj. em-
pfangen hat:
„„ Fürſt Alexis Boriſſowitſch! Das Unglück, welches
durch eine eben ſo plötzliche als außerordentliche Ue-
berſchwemmung St. Petersburg betroffen, hat mein
Herz mit den ſchmerzlichſten Gefühlen durchdrungen
Die Rathſchlüſſe des Allerhbchſten ſind gerecht und
unerforſchlice. Mich vor dem Willen deſſelben aufs
Tiefſte beugend und beklagend das Schickſak derjenis-
gen, die Verlüſte und eine gänzliche Zerſtdrung ihres
Eigenthums erlitten, vermag die Regierung dennoch
nicht, allen Leiden dieſes unglücklichen Tages zu be-
gegnen; aber ich habe es mir zur heiligſten Pflicht
gemacht, denen, die zu Grunde gerichtet und in Noth
ſind, ſchnel und wirkſam Unterſtütung angedeihen
zu laſſen; denn sie haben mehr als alle Andere An-
sprüche auf meinen väterlichen Schutz. Ich weiſe ih-
nen zur Vertheilung, ohne Rückzahluug, eine Million .
Rubel von den Ersparniſſen der Oeconomie - Verwal-
rung der Militär- Colonien an. Da ich bey dieser
Gelegenheit, zur Vollziehung meines Willens, die Ge-
neräle; Graf Aractschejew, Graf Miloradowilſch und
Suckin, den Finavzminiſter, den Chef meines Ma-
rine-General- Staabs uud den hieſigen Ober - Policey-
Miniſter erwählt habe, ſo befehle ich Ihnen: daß Sie
unter Ihrem Präſidio ,, eine Unterſtütungs. Commits
tee für die durch die Urberſchwemmung von St. Peo
terösburg zu Grunde gerichteten Unglücklichen ‘“ ver-
ſammeln, welche aus den obenbenannten Perſonen
und einen Geiſtlichen, den der Metropolit Seraphim
zu beſtimmen hat, beſtehen, und außerdem noch zwey
9).itglieder aus der hieſigen ruſſiſchen Kaufmannſchaft
erwählen ſaoll. (Beſchl. folgt.)
Buch ar e ſt, den 25. Nov.
Die Peſt hat nachgelaſſen, und der Verkehr iſt wie-
der hergestellt. Allein von einem gänzlichen Abzuge
hr. teren Truppen weiß man hier bis heute
Nichts. j
Manyigfaltigkeiten.
! _ * Par is, den 8. Dec.
(Privatcorreſpondenz.)
(Fortsetzung.)
Die Perſonen, welche der Caſſe am nächſten ſtanden,
warcn Damen, die von ihren Männern oder Liebha-
bern geführt wurdenz ſie mußten wenigſtens ſchon
eine Slunde da ſeyn. Hier hört die franzbſiſche Ga-
lantcrie auf, bey ſolchen Umſtänden wird ſie ganz
außer Acht gelaſſen, das Verlangen, gut ſehen zu
können, 1ritt ſ.1bſt die Tugend mit Füßen, welche der
Franzoſe tie erſte von allen nennt ~ die Galanterie
gegen die Damen. ~ Folglich war es abermals die
Neugierde, dieſer ewlge Fehler des schönen Geſchlechts,
welche es alle Unannehmlichkeiten bey Seite ſetzen
hieß, um ſie zu befriedigen.
Man fing präcis um 6 Uhr mit der Vertheilung
der Billeis anz; ich nahm eins in das Orcheſter, wo
ich gut placirt war. Noch eine volle Stunde dauerte
es, bis der Vorhang aufrollte, denn um 7 Uhr fängk
man erſt an. Ich unterhielt mich einſtweilen mit
meinen Nachbarn z der zu meiner rechten war ein jun-
ger Mann, ein wahrer Enthuſiaſt für die deutſche
Mauſik; nach ihm können nur Deutſche wahrhaft dra»
matiſche Muſik componirenz; die italieniſche Muſik
taugt nicht viel; Roſſini ſey ein Narr und ein Ignos
rant, meinte er. Der zu meiner Linken war ein
Liebhaber von Schauſpielen; er kannte alle Ucteurs
von ganz Paris, ſo wie alle dramatiſche Dichter die-
ſer Haupiſtadt, und zeigte mir mehrere davon, welches
in den Logen saßen, unter andern Talma und Mad.
Gay, deren letztes Siück auf dem théatre lrangais durch-
gefallen war Er behauptete ein großer Kenner dex
deuiſchen Literatur zu seyn, von der er keinen andern
Begriff haite,, als daß er das Werk der Frau von
Stael geleſen. Er erzählte mir, daß die Proſa zum
Hr ee s. kü ß von Goett (Göthe) wäre, daß wir
einen Chor , von Teufeln geſungen, hdren würden,
weiches recht originel und drolig seyn müſſe 2c.
Endlich fing das Schauspiel mit der niedlichen Piece,
der ſchlaue Advocat (].'avocat Patelin) an, welche
gut gegeben wurde. Während dem Entreact, zwiſchen
diesem Siücke und Robin dem Waldmann, nahm man
im Parterre auch nicht die geringſte Unruhe wahr,
welche irgend eine feindſelige G-ſinnung gegen das
Stù hätte vermuthen laſſen können , wie dieß bey
ſo manchen erſten Darſtellungen von Siücken der Fall
iſt, über welche der Partheygeiſt oft schon das Vers
dammungsurtheil spricht, ehe er ſie noch geſehen har,
und nur darum, weil der Autor zu dieſer oder jener
politiſchen Faciion gehört. |
Evudlich fängt die Ouvertüre anz eine tiefe Stille
herrſcht im ganzen Hauſez ein Jeder affeciirt Muſi-
ker zu ſeyn; alle markiren den Tact, man iſt entzückt,
und beym Schluſſe der Ouvercùre erſcholl ein don-
nernder Beyfall, der 3 mal crescendo wi.derboit wird,
und Bravos ohne Uufhdren deuten die allgemeine
Zufriedenh. it an. Das iſt himmliſcht ~ gdttlich!
herrlicht – hört man aus jedem Muaunde. Mein
Nachbar zur Rechten, ſagte mir ins Ohr: Das nenn’
ich mir Muſik! ~ Gleicher Beyfall nach dem erſten
Chor.
"Das Sitüick fängt ungefähr ſo wie im Deutschen
an. Toni (Max), der Geliebte der Förſterstochter
eines engliſchen Lords (man hat die Scene nach Enge
land verſeti), hat beym Probeſchießen gefehlt, und
will verzweifeln; ein Unbekannter hat den Vogel von
der Siange herabgeſchoſſen ohne sich erkennen zu ges-
ben, indem er ſein Recht auf den Preis einem Gim-
pel cedirt hat, dem ér noch dazu eine volle Börſe
hinterläÿt. Dieſer empfängt den Blumenſtraus, und
spottet des armen Tonf, der den Kopf auf die Hände
Hier iſt eine Wohlthättgkeits-Committee eingeſetzt wor-
den, in Folge deſſen der wirkliche Geheimerath, Fürſt
Alexis Kurakin, der zum Präſidenten der Committee
ernannt iſt, folgendes Reſcript von Sr. k, Maj. em-
pfangen hat:
„„ Fürſt Alexis Boriſſowitſch! Das Unglück, welches
durch eine eben ſo plötzliche als außerordentliche Ue-
berſchwemmung St. Petersburg betroffen, hat mein
Herz mit den ſchmerzlichſten Gefühlen durchdrungen
Die Rathſchlüſſe des Allerhbchſten ſind gerecht und
unerforſchlice. Mich vor dem Willen deſſelben aufs
Tiefſte beugend und beklagend das Schickſak derjenis-
gen, die Verlüſte und eine gänzliche Zerſtdrung ihres
Eigenthums erlitten, vermag die Regierung dennoch
nicht, allen Leiden dieſes unglücklichen Tages zu be-
gegnen; aber ich habe es mir zur heiligſten Pflicht
gemacht, denen, die zu Grunde gerichtet und in Noth
ſind, ſchnel und wirkſam Unterſtütung angedeihen
zu laſſen; denn sie haben mehr als alle Andere An-
sprüche auf meinen väterlichen Schutz. Ich weiſe ih-
nen zur Vertheilung, ohne Rückzahluug, eine Million .
Rubel von den Ersparniſſen der Oeconomie - Verwal-
rung der Militär- Colonien an. Da ich bey dieser
Gelegenheit, zur Vollziehung meines Willens, die Ge-
neräle; Graf Aractschejew, Graf Miloradowilſch und
Suckin, den Finavzminiſter, den Chef meines Ma-
rine-General- Staabs uud den hieſigen Ober - Policey-
Miniſter erwählt habe, ſo befehle ich Ihnen: daß Sie
unter Ihrem Präſidio ,, eine Unterſtütungs. Commits
tee für die durch die Urberſchwemmung von St. Peo
terösburg zu Grunde gerichteten Unglücklichen ‘“ ver-
ſammeln, welche aus den obenbenannten Perſonen
und einen Geiſtlichen, den der Metropolit Seraphim
zu beſtimmen hat, beſtehen, und außerdem noch zwey
9).itglieder aus der hieſigen ruſſiſchen Kaufmannſchaft
erwählen ſaoll. (Beſchl. folgt.)
Buch ar e ſt, den 25. Nov.
Die Peſt hat nachgelaſſen, und der Verkehr iſt wie-
der hergestellt. Allein von einem gänzlichen Abzuge
hr. teren Truppen weiß man hier bis heute
Nichts. j
Manyigfaltigkeiten.
! _ * Par is, den 8. Dec.
(Privatcorreſpondenz.)
(Fortsetzung.)
Die Perſonen, welche der Caſſe am nächſten ſtanden,
warcn Damen, die von ihren Männern oder Liebha-
bern geführt wurdenz ſie mußten wenigſtens ſchon
eine Slunde da ſeyn. Hier hört die franzbſiſche Ga-
lantcrie auf, bey ſolchen Umſtänden wird ſie ganz
außer Acht gelaſſen, das Verlangen, gut ſehen zu
können, 1ritt ſ.1bſt die Tugend mit Füßen, welche der
Franzoſe tie erſte von allen nennt ~ die Galanterie
gegen die Damen. ~ Folglich war es abermals die
Neugierde, dieſer ewlge Fehler des schönen Geſchlechts,
welche es alle Unannehmlichkeiten bey Seite ſetzen
hieß, um ſie zu befriedigen.
Man fing präcis um 6 Uhr mit der Vertheilung
der Billeis anz; ich nahm eins in das Orcheſter, wo
ich gut placirt war. Noch eine volle Stunde dauerte
es, bis der Vorhang aufrollte, denn um 7 Uhr fängk
man erſt an. Ich unterhielt mich einſtweilen mit
meinen Nachbarn z der zu meiner rechten war ein jun-
ger Mann, ein wahrer Enthuſiaſt für die deutſche
Mauſik; nach ihm können nur Deutſche wahrhaft dra»
matiſche Muſik componirenz; die italieniſche Muſik
taugt nicht viel; Roſſini ſey ein Narr und ein Ignos
rant, meinte er. Der zu meiner Linken war ein
Liebhaber von Schauſpielen; er kannte alle Ucteurs
von ganz Paris, ſo wie alle dramatiſche Dichter die-
ſer Haupiſtadt, und zeigte mir mehrere davon, welches
in den Logen saßen, unter andern Talma und Mad.
Gay, deren letztes Siück auf dem théatre lrangais durch-
gefallen war Er behauptete ein großer Kenner dex
deuiſchen Literatur zu seyn, von der er keinen andern
Begriff haite,, als daß er das Werk der Frau von
Stael geleſen. Er erzählte mir, daß die Proſa zum
Hr ee s. kü ß von Goett (Göthe) wäre, daß wir
einen Chor , von Teufeln geſungen, hdren würden,
weiches recht originel und drolig seyn müſſe 2c.
Endlich fing das Schauspiel mit der niedlichen Piece,
der ſchlaue Advocat (].'avocat Patelin) an, welche
gut gegeben wurde. Während dem Entreact, zwiſchen
diesem Siücke und Robin dem Waldmann, nahm man
im Parterre auch nicht die geringſte Unruhe wahr,
welche irgend eine feindſelige G-ſinnung gegen das
Stù hätte vermuthen laſſen können , wie dieß bey
ſo manchen erſten Darſtellungen von Siücken der Fall
iſt, über welche der Partheygeiſt oft schon das Vers
dammungsurtheil spricht, ehe er ſie noch geſehen har,
und nur darum, weil der Autor zu dieſer oder jener
politiſchen Faciion gehört. |
Evudlich fängt die Ouvertüre anz eine tiefe Stille
herrſcht im ganzen Hauſez ein Jeder affeciirt Muſi-
ker zu ſeyn; alle markiren den Tact, man iſt entzückt,
und beym Schluſſe der Ouvercùre erſcholl ein don-
nernder Beyfall, der 3 mal crescendo wi.derboit wird,
und Bravos ohne Uufhdren deuten die allgemeine
Zufriedenh. it an. Das iſt himmliſcht ~ gdttlich!
herrlicht – hört man aus jedem Muaunde. Mein
Nachbar zur Rechten, ſagte mir ins Ohr: Das nenn’
ich mir Muſik! ~ Gleicher Beyfall nach dem erſten
Chor.
"Das Sitüick fängt ungefähr ſo wie im Deutschen
an. Toni (Max), der Geliebte der Förſterstochter
eines engliſchen Lords (man hat die Scene nach Enge
land verſeti), hat beym Probeſchießen gefehlt, und
will verzweifeln; ein Unbekannter hat den Vogel von
der Siange herabgeſchoſſen ohne sich erkennen zu ges-
ben, indem er ſein Recht auf den Preis einem Gim-
pel cedirt hat, dem ér noch dazu eine volle Börſe
hinterläÿt. Dieſer empfängt den Blumenſtraus, und
spottet des armen Tonf, der den Kopf auf die Hände