Mannheimer Zeitung — 1824
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No. 333 - No. 362 (1. December - 31. December)
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- Einband
-
No. 1 - No. 31 (1. Januar - 31. Januar)
-
No. 32 - No. 60 (1. Februar - 29. Februar)
-
No. 61 - No. 91 (1. Maerz - 31. Maerz)
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No. 92 - No. 120 (1. April - 30. April)
-
No. 121 - No. 151 (1. May - 31. May)
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No. 152 - No. 180 (1. Juni - 30. Juni)
-
No. 181 - No. 211 (1. Juli - 31. Juli)
-
No. 212 - No. 242 (1. August - 31. August)
-
No. 243 - No. 272 (1. September - 30. September)
-
No. 273 - No. 303 (1. October - 31. October)
-
No. 304 - No. 332 (2. November - 30. November)
-
No. 333 - No. 362 (1. December - 31. December)
- Einband
- Maßstab/Farbkeil
geſtützt, untröſtlich über sein Unglück, an einem Tiſche
in Gedanken verſunken sitzt. ;
(Beſchluß folgt.)
Mainz, den 13. Dec.
CPrivateorreſpondenz.)
§ Seit dem der königl. baicriſche Kammerſänger Hr.
Fiſcher bey uns aufgetreten, iſt ein ganz anderer
Geiſt in unsere Oper , unsere Sänger und Sänge-
gerinnen und das ganze Ensemble unsrer Dühne ge-
fahren, kaum eckennt man mehr unſere Küaſtler ſo
haben sie ſich zu ihrem Vortheil umgewandelt. Man
ſollle meinen, Herr Fiſcher ſey ein Negromant der
wunderbarſten Art; indessen ſieht man hieraus was
die gute Leitung eines Einzigen bewirken kann z un-
ſerm Theater fehlt es durchaus an einem ſachverſtän-
digen Regiſſeur, der es verſteht, dem Ganzen den
gehörigen Impuls zu geben, und wenn wirklich alle
einzelnen Theile vollkommen in ihrem Fache wären,
aber keine richtige Führung und Anweisung erhalten,
ſo kann nimmermehr eiwas Gutes geleiſtet werden.
~ Ubber die früheren Vorſtelungen wollen wir raſch
hinweg gleiten, da sie uns wenig Stoff zum loben,
wohl aber zum Tadel manchen gerechten Anlaß ge-
ben. Mit der Aufführung des Jo h ann v o n P a-
ri s war man unzufrieden, und in Göthes Iphige-
nie auf Tauris , wurde man bey dem größten Theile
des sehr kleinen Publicums eine Langweile gewahr,
die sich durch eine allgemeine Gähnſucht offenbarte.
Wenn in ſolchen Stücken , nicht auch die unbedeu-
tendſte Rolle mit der höchſten Vollendung gegeben
wird, so muß die Darſtellung mißfallen und langwri-
len; auch ging es heute wie bey einem gewissen, hier
unlängſt gehaltenen Declamatorium z mit jedem Act
verringerte sich die Zahl der Zuſchauer, und nur die
höchſten äſthetiſch gebildeten Geiſter, wozu sich Ref.
der leider nur ein ganz gewdhnliches Menſchenkind
iſt, nicht zählen darf, haiten den Muth und die Beharr-
lichkeit auszuhalten ; doch im Vorübergehn ſcy es ges-
ſagt , daß die Hrn. Haacke und Cornelius nicht all-
tägliches leiſteten. Di e schb n e M üllerinn wurde
wiederholt und Fa n ch o n zum Davonlaufen gespielt
und geſungen, nur Mad. Müll r war eriräglich un
eine liebliche Fanchon. Herr Lag vom Manyvheimer
Theater machie den Tapezier Mariin, und füllte ſei-
ne Rolle aus. Im Fluch und Segen verdiente
den leßteren Hr. Cornelius allerdings , seine Daerſtels-.
lung war vortrefflich. Hierauf wurde das muntere
und unterhaltende Luſtſpiel. Der Unschuldige
muß viel leiden, recht brav wiederholt.
Samſtag , den 4. Dec. trat Hr. Fiſch.r zum Er-
ſtenmal als Figaro in Fig ar o s Hochzeit uv. Mo-
zart auf. Sein Spiel iſt vollendckt und makellos zu
nennen, seinen Geſang, ſeine Methode und ſeine Ma-
nieren beurkunden den Meiſter in der Vokalmuſik,
ſo wie ſein Vortrag und feine Accentuation, den
fühlenden und deukenden Sänger bezeichnen , der nicht
blos seine Tbne in die Luft haucht; ſeine tiefſten Töne
haben eine Fülle und Kraft, die längſt bewährt und
einzig iſt, und welches besonders bey der angeblichen
Verrenkung seines Beines wahrzunehmen war, was
den höhern Tbnen an Stärke abgeht, weiß der ſeltne
Künſtler durch Ausdruck, zu erſetßen. –~ Der Contraſt
des heutigen Flgaro, mit dem, telchen uns Herr
Haberkorn vor kurzem auftiſchte, war zu enlſcheidend,
als daß sich nur ein Vergleich anſtellen ließ , und hob
ſich beſouders bey der Arie ; Dort vergiß 2c. die Hr.
F. auf ſtürmiſches Begehren, da Cuvpo heraus ſin-
gen mußte, welches er in italieniſcher Sprache mit
einer Virtuoſiträt und Volubilicät that, die eine uns
getheilte Bewunderung erregte. Aber auch die übrl-
gen Künſtler zeichneten ſich heute ganz besonders aus,
und schienen, wie geſagt durch die Gegenwart dcs
Hrn. Fiſcher begeiſtert. Wir nennen die Leiſtungen
der Damen Stern und Müller, Gräfinn und Suſans-
na , als vorzüglich, ſo wie die der Hrn. Herbold,
Mayer und Hartig als ſehr gelungen. – In den
Kreuz fahrern ging es zum Theil etwas wild her,
Hr. Hartig (Balduin ) fiel einigemal , wahrhaft er-
ſchreend nieder, und Hr. Cornelius (Emir) war gegen
das Ende des Stückes gar zu ſchwach auf den Beis
nen geworden. – Brav waren Mad. Herbold als
Abiliſſinn und Dem. Fleckenſtcin als Emma v. Fale
kenſtein. In Kabale und Liebe waren Präſident
Cornelius, ynd Mayor Haake vorzüglich , Mad. Hers
bold als Lady Milford nicht an ihrer Stelle, Herr
Kaufmann ein armſeeliger Wurm, Hr. Vincenz vom
Mannheimer Theater (? * ) debütirte als Hofmars
ſchall Kalb, gefiel aber dem Publicum in seiner Rolle
eben ſo wenig als in seinem Umt. Hr. Mayer wax
ein wackerer Stadtmuſikant und Dem. Fleekeuſtein.
î eine recht brave Louiſee. – Joh anna v. Mont:
fa u con wollen wir mir Sitillſchweigen übergehen,
dagegen bey der Vorſtelung des B ar b ie r v. Roſſini
länger verwrilen.
So ein abgeſagter Feind wir von allen übertrlebe-
nen Lobhudeleyen sind, so können wir dießmal doch
nicht umhin, ſämmiliches miiſpielende Personale, ver-
dientermaßen herauszuſtreichen. gZuerſt fangen wir
mit dem alles (sowohpl Publicum als Spielende) bes
geiſternden Gaſt an, der abermals eine Gewandtheit
und eine Lebendigkeit entfaltete, von der man, ohne
ſie geſchen zu haben, ſich unmöglich eine Vorſtellung
machen kann; s. ine erſte Arie versetzte alles in Extase,
und vielleicht hätten wir ſie dd capo italieniſch gehört,
wenn nicht die Furcht mehrerer Zuhdrer, als wäre es
zuviel gefordert, den Muth der übrigen unterdrückt
hätte ; ~ Hr. Beneſch ſang den Almaviva anusneh-
mend gut, Hr. Herbold machie den Bartholo vortreff-
lich, Dem Stern ſang die Roſina zum Entzücken und
Hr. Mayer licß als Singmeiſter Baſilio , so wie die
ganze Darſt.Uung, nichts zu wünſchen übrig. – Ge-
nug die Oyer wurde ſo gegeben, daß es eine ſchwere
Aufgabe für jede Bühne seyn würde, ſie beſſer dase
hon lange nicht mehr Migglied
der hicſigen Bühne. §t
*) I bekanntlich sc<
(Anm. d. Red. )
in Gedanken verſunken sitzt. ;
(Beſchluß folgt.)
Mainz, den 13. Dec.
CPrivateorreſpondenz.)
§ Seit dem der königl. baicriſche Kammerſänger Hr.
Fiſcher bey uns aufgetreten, iſt ein ganz anderer
Geiſt in unsere Oper , unsere Sänger und Sänge-
gerinnen und das ganze Ensemble unsrer Dühne ge-
fahren, kaum eckennt man mehr unſere Küaſtler ſo
haben sie ſich zu ihrem Vortheil umgewandelt. Man
ſollle meinen, Herr Fiſcher ſey ein Negromant der
wunderbarſten Art; indessen ſieht man hieraus was
die gute Leitung eines Einzigen bewirken kann z un-
ſerm Theater fehlt es durchaus an einem ſachverſtän-
digen Regiſſeur, der es verſteht, dem Ganzen den
gehörigen Impuls zu geben, und wenn wirklich alle
einzelnen Theile vollkommen in ihrem Fache wären,
aber keine richtige Führung und Anweisung erhalten,
ſo kann nimmermehr eiwas Gutes geleiſtet werden.
~ Ubber die früheren Vorſtelungen wollen wir raſch
hinweg gleiten, da sie uns wenig Stoff zum loben,
wohl aber zum Tadel manchen gerechten Anlaß ge-
ben. Mit der Aufführung des Jo h ann v o n P a-
ri s war man unzufrieden, und in Göthes Iphige-
nie auf Tauris , wurde man bey dem größten Theile
des sehr kleinen Publicums eine Langweile gewahr,
die sich durch eine allgemeine Gähnſucht offenbarte.
Wenn in ſolchen Stücken , nicht auch die unbedeu-
tendſte Rolle mit der höchſten Vollendung gegeben
wird, so muß die Darſtellung mißfallen und langwri-
len; auch ging es heute wie bey einem gewissen, hier
unlängſt gehaltenen Declamatorium z mit jedem Act
verringerte sich die Zahl der Zuſchauer, und nur die
höchſten äſthetiſch gebildeten Geiſter, wozu sich Ref.
der leider nur ein ganz gewdhnliches Menſchenkind
iſt, nicht zählen darf, haiten den Muth und die Beharr-
lichkeit auszuhalten ; doch im Vorübergehn ſcy es ges-
ſagt , daß die Hrn. Haacke und Cornelius nicht all-
tägliches leiſteten. Di e schb n e M üllerinn wurde
wiederholt und Fa n ch o n zum Davonlaufen gespielt
und geſungen, nur Mad. Müll r war eriräglich un
eine liebliche Fanchon. Herr Lag vom Manyvheimer
Theater machie den Tapezier Mariin, und füllte ſei-
ne Rolle aus. Im Fluch und Segen verdiente
den leßteren Hr. Cornelius allerdings , seine Daerſtels-.
lung war vortrefflich. Hierauf wurde das muntere
und unterhaltende Luſtſpiel. Der Unschuldige
muß viel leiden, recht brav wiederholt.
Samſtag , den 4. Dec. trat Hr. Fiſch.r zum Er-
ſtenmal als Figaro in Fig ar o s Hochzeit uv. Mo-
zart auf. Sein Spiel iſt vollendckt und makellos zu
nennen, seinen Geſang, ſeine Methode und ſeine Ma-
nieren beurkunden den Meiſter in der Vokalmuſik,
ſo wie ſein Vortrag und feine Accentuation, den
fühlenden und deukenden Sänger bezeichnen , der nicht
blos seine Tbne in die Luft haucht; ſeine tiefſten Töne
haben eine Fülle und Kraft, die längſt bewährt und
einzig iſt, und welches besonders bey der angeblichen
Verrenkung seines Beines wahrzunehmen war, was
den höhern Tbnen an Stärke abgeht, weiß der ſeltne
Künſtler durch Ausdruck, zu erſetßen. –~ Der Contraſt
des heutigen Flgaro, mit dem, telchen uns Herr
Haberkorn vor kurzem auftiſchte, war zu enlſcheidend,
als daß sich nur ein Vergleich anſtellen ließ , und hob
ſich beſouders bey der Arie ; Dort vergiß 2c. die Hr.
F. auf ſtürmiſches Begehren, da Cuvpo heraus ſin-
gen mußte, welches er in italieniſcher Sprache mit
einer Virtuoſiträt und Volubilicät that, die eine uns
getheilte Bewunderung erregte. Aber auch die übrl-
gen Künſtler zeichneten ſich heute ganz besonders aus,
und schienen, wie geſagt durch die Gegenwart dcs
Hrn. Fiſcher begeiſtert. Wir nennen die Leiſtungen
der Damen Stern und Müller, Gräfinn und Suſans-
na , als vorzüglich, ſo wie die der Hrn. Herbold,
Mayer und Hartig als ſehr gelungen. – In den
Kreuz fahrern ging es zum Theil etwas wild her,
Hr. Hartig (Balduin ) fiel einigemal , wahrhaft er-
ſchreend nieder, und Hr. Cornelius (Emir) war gegen
das Ende des Stückes gar zu ſchwach auf den Beis
nen geworden. – Brav waren Mad. Herbold als
Abiliſſinn und Dem. Fleckenſtcin als Emma v. Fale
kenſtein. In Kabale und Liebe waren Präſident
Cornelius, ynd Mayor Haake vorzüglich , Mad. Hers
bold als Lady Milford nicht an ihrer Stelle, Herr
Kaufmann ein armſeeliger Wurm, Hr. Vincenz vom
Mannheimer Theater (? * ) debütirte als Hofmars
ſchall Kalb, gefiel aber dem Publicum in seiner Rolle
eben ſo wenig als in seinem Umt. Hr. Mayer wax
ein wackerer Stadtmuſikant und Dem. Fleekeuſtein.
î eine recht brave Louiſee. – Joh anna v. Mont:
fa u con wollen wir mir Sitillſchweigen übergehen,
dagegen bey der Vorſtelung des B ar b ie r v. Roſſini
länger verwrilen.
So ein abgeſagter Feind wir von allen übertrlebe-
nen Lobhudeleyen sind, so können wir dießmal doch
nicht umhin, ſämmiliches miiſpielende Personale, ver-
dientermaßen herauszuſtreichen. gZuerſt fangen wir
mit dem alles (sowohpl Publicum als Spielende) bes
geiſternden Gaſt an, der abermals eine Gewandtheit
und eine Lebendigkeit entfaltete, von der man, ohne
ſie geſchen zu haben, ſich unmöglich eine Vorſtellung
machen kann; s. ine erſte Arie versetzte alles in Extase,
und vielleicht hätten wir ſie dd capo italieniſch gehört,
wenn nicht die Furcht mehrerer Zuhdrer, als wäre es
zuviel gefordert, den Muth der übrigen unterdrückt
hätte ; ~ Hr. Beneſch ſang den Almaviva anusneh-
mend gut, Hr. Herbold machie den Bartholo vortreff-
lich, Dem Stern ſang die Roſina zum Entzücken und
Hr. Mayer licß als Singmeiſter Baſilio , so wie die
ganze Darſt.Uung, nichts zu wünſchen übrig. – Ge-
nug die Oyer wurde ſo gegeben, daß es eine ſchwere
Aufgabe für jede Bühne seyn würde, ſie beſſer dase
hon lange nicht mehr Migglied
der hicſigen Bühne. §t
*) I bekanntlich sc<
(Anm. d. Red. )