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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 117 - No. 145 (1. Mai - 31. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0564
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zw

die angrzeigtc Broſchüre dadurch, daß ihre allgemeine Betrachtungen
über das erwähnte Verhältniß zwischen verkleinertem Grundeigenthum
und Gewerbeinduſtrie an die positiven Zuſtände der Lande Metklen-
burg, in denen sich die ehemaligen Verhältnisse der deutscher Reichs-
länder zum Theil gewiſser Maßen concentrirt haben, sich anknüpfen.
Bei dieser auf Mecklenburgs Zuftände mit umfassender Sachkenntniß ein-
gehenden Untersuchung hat es der Verfasser zunächſt darauf abgesehen, die
Nothwendigkeit des Anschlusses von Medklenburg an den deutſchen Zollver-
ein nachzuweisen. Er prophezeit: „Läßt Mecklenburg mit Umänderung
seiner Staatsökonomie im Schutze des Zollvereins die Induſtrie zu, so
fann es binnen Kurzem das reichſte Land werden, während es jetzt das
ärmſte iſt. Denn nicht nur, daß seine Lage es dazu begünstigt, so bietet
es außerdem für Fabrifen ungemein viele Naturmittel, welche jetzt voll-
fommen unbenutzt sind." Mit der Betrachtung der speciellen Ver-
hältnisſe Mecklenburgs werden die allgemeinen Agricultur- und In-
duſtriezuſtände Deutsc!lands in eine sachgemäße Verbintung gebracht;
es wird die Wechſelſeitigkeit und Gegenseitigkeit der Cinflüſſe auf klare
und überzeugende Weiſe dargethan. Der Beitritt zum Zoll-
ver ein, beißt cs, „verlangt eine Umänderung der me-
lenburg chen Staatsverfassung, ohne sie gewinnt der Staat
sehr wenig, nur mit ihr wird der Bund mit großem Woblstand und
von dem Danke der gedrückten niederen Claſſe gesegnet. Wo fich in
Freiheit und unter Schuß am Billigsten die Gewerbeinduſtrie be-
wegen kann, da ſiedelt fie ſich alsbald an und führt auch die nöthi-
gen Mitt:l mit sich. Sieht einc Gewerbeinduſirie auf vorfindliche
unbeſchäftigte Menschenmenge, so geht sie oft fehl, sie muß die Ba-
ſis im leichten Absatze und in ihrer wohlfeilſten Ernährung suchen.
Sobald die deutsche Industrie die angegebene richtige Basis erhält, so wird sie
ſich vor allen andern Völkern als die erſte auszeichnen, hiedurch na-
türlich auch den absolutesten Absatz erhalten; der Ack.rbaugeiſt des Deutſchen
wird sie treulich unterstützen, nur muß der Platz eingeräumt und die
nöthigen Lebensmittel dazu hergegeben werden. Die Verkleinerung
des so oft in die unverantwortlichſten Größen gehenden Grundeigen-
thums verlangt die Zeit, ja Deutschland verlangt ſie.. .Wenn in
Deutschland das richtige Verhältniß zwischen der Agricultur und der
Induftrie hergeſtellt würde, wenn unter Andern auch dic Einführung
der so vielfach empfohlenen Felrgartenwirthſchaft beitragen möchte,
ſo läge darin ein Mittel, die deutsche Auswanderung, wodurch dem
Vaterlande so viele Kräfte und Kapitalien jährlich entzogen werden,
zu verringern. Der Vorschlag, daß darauf hinzuarbeiten wäre, den
Fabrikarbeitern mit der Zeit einen kleinen Grundbesitz zu verſchaffen,
iſt bekanntlich schon in den Propoſsitionen gemacht, welche das pro-
visoriſche Comite des Centralvereins für das Wohl der arbeitenden
Classen in seinem erſten Programme zur weiteren Berathung mittheilte.
Derselbe Plan wird in der erwähnten Schrift mit großer Vorliebe
besprochen nnd weiter entwickelt. Das Princip des zu vermehrenden
kleineren Grundbesitzes kann uns Deutschen nicht genug zu Herzen ge-
führt werdenz in ihm wird jeder deutsche Staat seine Wohlfahrt und
seine unumſtößliche Sicherheit ſehen.

+* Aus dem Poſenſchen. Vor einiger Zeit wurde der
Häusler Krzyminicowsky wegen Mißhandlung eines Waldwärters
vom Land- und Stadtgericht zu Wollſtein in Kriminal-Unterſuchung
gezogen. Der Beschuldigte wohlgemerkt: Beschuldigte + be-
gehrt, daß die Untersuchung in polnisch er Sprachc geführt werde,
da er der deutschen Sprache nicht mächtig ſei. Anſtatt auf dies
g esetzlich e Vegehren einzugehen, macht das Gericht eine praesumtio
mali geltend und weiß glücklicher Weise durch drei Zeugen zu er-
härten, daß Krzym. der deutschen Sprache mächtig sei. ~ Es bedarf
wohl kaum der Bemerkung + die dem Land- und Stadtgericht gänz-
lich entgangen iſt — daß man gar wohl im Stande sein kann, sich
in einer fremden
stehen, so weit es den bloßen geselligen Verkehr angeht, ohne darum
doch der Sprache soweit mächtig zu sein, um sich durch sie aus den
Windungen und Wendungen einer gerichtlichen Untersuchung heraus-
winden zu können. Genug: drei Zeugen haben ausgesagt, Krzym.
könne veutſch; folglich hat er das Gericht belogen und ob dieser Lüge
10 Peitschenhiebe zu empfangen. ~ Soweit war die Gerechtigkeits-
pflege in dieser Sache gediehen, als ein neuer mißlicher Umstand hin-
zutrat. Der Gefangenwärter nämlich, dem es amtlich zukam, mit
den betreffenden Prügeln aufzuwarten, war ein sehr robuſter Mann,
wurde aber durch Krankheit abgehalten, diesmal sein Amt zu ver-
sehen, weshalb die Austheilung der zehn Hiebe einen anderen Unter-
beamten übertragen werden mußte. Da es nun aber dem Herrn
Unterſuchungsrichter schien, als stehe dieser interimiſtiſche Prügelant
dem eigentlich offiziellen an physischen Kräften nach und könne also
die vom Collegium beabsichtigte Strafe nicht nachdrücklich genug durch
aber wahr! ~ glaubte

zehn Hiebe vollziehen: ~ so — unglaublich,
zehn gesetzlichen

er im Sinne des Collezii zu verfahren, wenn er den

Hieben noch fünf + aus eigener Machtvollkommenheit hinzufüge.
und also iſt es auch geſchehn. + Das waren die Präliminarien der

Sprache verständlich zu machen und andre zu ver- Pp

Unterſuchungz was aber war das Ende derselben? Der7zum?Vors
aus geprügelte Angeklagte - wurde. freigesprochen.. & W
Als hierauf am 29. März die Angelegenheit durch die Land-
tagsdeputirten des Wongrowiter Kreises, wie die gedruckten Proto-
kolle zeigen, den Provinzialſtänden zur Sprache gebracht wurde, und
der Herr Oberpräsident v. Beurmann, auf die Anfragen des Herrn
Landtags-Marsſchalls, sich die nöthigen Aufsſchlüſſe von dem Chef-
präſidenten des Oberlandesgerichts, Hrn. v. Frankenberg, erbat: er-
hielt er von diesem am 31. März die Best ätig un g des mitgetheil-
ten Thatbeſtandes, zugleich aber auch die Mittheilung, daß das Ober-
landesgericht, nachdem es bei der Aburtheilung jener Sache in erſter
Instanz Kenntniß von dem Verfahren des betreffenden Untersuchungs-
richters in Wollftein bekommen, sofort ex oficio (auf Grund des
§. 297 der Criminal- Ordnung, des §. 392, Vit. 20, Cap. U. des
allgem. L.-R. und der gg. 3, 4 u. 25 der Verordnung v. 29. März
1844) die Disciplinar-Untersuchung gegen den \Unterſuchungsrichter
„zum Zwecke seiner Entfernung aus dem Amte" verfügt und außer-
dem den verantwortlichen Bericht des betreffenden Land- und Stadt-
gerichts erfordert habe. ~ Und welchen Erfolg hatte die Disciplinar-
Untersuchung ? Hören Sie, wie der Herr Chefpräſident des Ober-
landesgerichts, der wirkliche Geheimrath Hr. v. Frankenberg, in sei-
nen Mittheilungen an den Hrn. Oberpräsidenten fortfährt: „,„Diesc
Untersuchung (die Disciplinar-Unterſsuchung nämlich gegen jenen Woll-
ſteiner Unterſuchungsrichter) diese Unterſuchung haben wir nicht auf-
gehoben -- nicht aufgehoben! ~ obgleich die Aufhebung derselben
von dem Denuntiaten und dem betreffenden Gerichte auf das Drin-
gendste beantragt und zur Rechtfertigung des Verfahrens nicht un-
erhebliche Entschuldigungsgründe angeführt wurden.“ ~ Das will
viel sagen! Das Oberlandesgericht hat die Untersuchung nich t auf-
gehoben, obgleich der Denunziat und das betreffende Gericht
die Aufhebung derselben auf Dringendste beantragten! + Aber der
Erfolg, der Erfolg! was war denn der Erfolg der Untersuchung k
Hören Sie erſt die „nicht unerheblichen Entschuldigungsgründe““ des
Denunziaten und des betreffenden Gerichts, wie der Herr Chefpräſt-
dent des Oberlandesgerichts sie selber dem Herrn Oberpräſidenten
mittheilt: Der zur Untersuchung gezogene Richter, meldet Herr
v. Frankenberg, \iſt nach dem Zeugnisse des Land- und Stadtgerichts
zu Wollſten ~ nach dem Zeuaniſſe des Land- und Stadtgerichts zu
W. — kin ganz leidensſchaftsloſer Beamter, der unter Berufung auf
Zeugen versichert (sie!), die Angeklagten immer in der Sprache zu
vernehmen, die ihnen am Geläufigſten iſt und in der sie vernommen
sein wollen- – (immer? auch in der Untersuchung gegen Krzymi-
nicowsky ? und darum, nur darum handelt es ſich h ier!) rex
(nämlich der Wollſteiner Richter) versichert ferner, daß er, um sol-
cher Züchtigung jeden Schein einer torturmäßigen Behandlung zu
benehmen, niemals die Züchtigung für Lügen, welche die Hauptsache
betreffen, sondem ~ nur für offenbare Unwahrheiten in
Nebendingen beantrage und daß Krzym. (hört!) nicht ewa wegen
verweigerter Ausltassung in deutscher Sprache, sondern
nur allein wegen einer lügenhaften Behauptung (nämlich
wegen der Behauptung , daß er der deutschen Sprache nicht mächtig
sei) gezüchtiget worden. — Ja wohl, der Mann muß reganz leiden-
ſchaftslos, minde ſtens „leidenschastslos. sein! ~ Hier ſind die
„nicht unerheblichen Entſchuldigungsgründe- für dice ungeseuliche
Mißhandlung des Krzym. zu Endez und sic haben dem Oberlandées-
gericht so vollkommen genügt, daß daſſelbe bei der Berathung der
Sache die Motive, welche der Landtagsdeputirte des Wongrowitzer
Kreiſes in seiner Darſtelumz vom 29. März der Handlungsweiße
des Richters untergelegt hat, nicht angenommen hat.-(
den Herrn Chef- Präſ. des Ob.-L.-Ger. sich al-

Nachdem man
dem Erfolge der Disci-

so hat aussprechen hören, kann man von
linar-Unterſsuchung im Voraus überzeugt sein. Steht doch der De-
nunciant vollkommen gerechtfertigt vor dem Herrn Chef- Präſiden-
ten. – Doch die Akten sind noch nicht geschlossen. Hören Sie wei-
ter: Als der Herr Landtagsmarsſchall unterm 2. April das Ob.-L.-
Ger. um Vorlegung der Criminal-Untersuchungs-Akten wieder Krzy-

erwiederte der Herr

minicowsky durch den Hrn. Ober-Präſ. anging, H:
nJene

Chef-Präſ. dem Hrn. Ober-Präs. Folgendes ganz ergebenſt:
Aften befinden sich bei dem Commissario , dem wir die Untersuchung
wider den Oberlandsger.-Asseſſor Baron v. Rippenda aufgetragen
haben und dürften unter 8 Tagen nicht zu erlangen sein; aber selbſt
wenn die Akten hier wären, würde ich die Mittheilung derselben zu
dem in dem Schreiben des Herrn Landtags - Marschalls angegebnen
Zwecke verſa gen müssen; dagegen ſtehe ich nicht an, die in
Frage gettellten te
antwortungsberichts des Land- und Stadtgerichts
hin zu beantwort.n, daß die Aussagen des gemißhandelten Wald-
wärters T. über ein mit Krzym. geführtes Gespräch seyr verd
geworden wäre, wenn Letterer kein Deutsch verſtanden hätte.--

kann wohl sein, allein das hätte ſich wohl erſt im Laufe der Uu
ſuchung herausſtellen können, während doch Krzym. von Vo rn h i



Thatsachen nach Lage des heutr eingegangenen Ver.
zu Wollſtein dar .
 
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