Vo r w o r t.
sich vor 20 Jahren mit der Geschichte der deutschen Kunst
beschäftigte, der wird nur sehr selten auf den Namen Schleswig-Holstein
gestossen sein. Man traf wohl hie und da auf einen Kirchenbau aus den
Elbherzogtümern. Man wusste, dass sich hier schon ziemlich früh der
Hacksteinbau eingebürgert hatte. Aber was geleistet worden war, stand so
weit zurück hinter anderen deutschen Ländern, dass Niemand daraus hätte
einen Anlass gewinnen können, sich näher mit Schleswig-Holstein zu be-
schäftigen. Auf dem Gebiete der Malerei fand man ein paar Namen
von Künstlern, deren Wiege in Schleswig-Holstein gestanden hat. Aber ihre
Kunst hatte mit dem Lande nichts zu thun. Jürgen Ovens galt für einen
Niederländer, und Asmus Carstens's klassicistische Kunstweise konnte erst
recht Niemanden auf den Gedanken bringen, sich um die hyperboräische
Heimat dieses im Griechentum aufgehenden Künstlers zu kümmern. Nur
die Plastik wies im Lande ein Werk auf, das wegen seiner Bedeutung die
Aufmerksamkeit der Fachkreise auf sich zog und das seiner Natur nach wohl
hätte den Anlass geben können, sich in Schleswig-Holstein näher umzusehen
und zu untersuchen, ob diese Leistung, wie es den Anschein hatte, wirklich
vereinzelt dastehe, oder ob sie nicht vielmehr das Produkt einer beachtens-
werten heimischen Kunstentwicklung sei, das war der Brüggemannsche grosse
Altarschrein in der Apsis des Domes zu Schleswig. Da man aber sonst gar
nichts Bedeutsames oder Eigentümliches kannte, das dem Schleswiger Alter an
die Seite zu stellen gewesen wäre, so erklärte man, dass das Werk wohl die
Arbeit eines in Lübeck oder in den Niederlanden gebildeten Künstlers sei,
oder man hielt Hans Brüggemann geradezu für einen Lübecker oder einen
Niederländer, der im Lande gearbeitet habe.
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sich vor 20 Jahren mit der Geschichte der deutschen Kunst
beschäftigte, der wird nur sehr selten auf den Namen Schleswig-Holstein
gestossen sein. Man traf wohl hie und da auf einen Kirchenbau aus den
Elbherzogtümern. Man wusste, dass sich hier schon ziemlich früh der
Hacksteinbau eingebürgert hatte. Aber was geleistet worden war, stand so
weit zurück hinter anderen deutschen Ländern, dass Niemand daraus hätte
einen Anlass gewinnen können, sich näher mit Schleswig-Holstein zu be-
schäftigen. Auf dem Gebiete der Malerei fand man ein paar Namen
von Künstlern, deren Wiege in Schleswig-Holstein gestanden hat. Aber ihre
Kunst hatte mit dem Lande nichts zu thun. Jürgen Ovens galt für einen
Niederländer, und Asmus Carstens's klassicistische Kunstweise konnte erst
recht Niemanden auf den Gedanken bringen, sich um die hyperboräische
Heimat dieses im Griechentum aufgehenden Künstlers zu kümmern. Nur
die Plastik wies im Lande ein Werk auf, das wegen seiner Bedeutung die
Aufmerksamkeit der Fachkreise auf sich zog und das seiner Natur nach wohl
hätte den Anlass geben können, sich in Schleswig-Holstein näher umzusehen
und zu untersuchen, ob diese Leistung, wie es den Anschein hatte, wirklich
vereinzelt dastehe, oder ob sie nicht vielmehr das Produkt einer beachtens-
werten heimischen Kunstentwicklung sei, das war der Brüggemannsche grosse
Altarschrein in der Apsis des Domes zu Schleswig. Da man aber sonst gar
nichts Bedeutsames oder Eigentümliches kannte, das dem Schleswiger Alter an
die Seite zu stellen gewesen wäre, so erklärte man, dass das Werk wohl die
Arbeit eines in Lübeck oder in den Niederlanden gebildeten Künstlers sei,
oder man hielt Hans Brüggemann geradezu für einen Lübecker oder einen
Niederländer, der im Lande gearbeitet habe.
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