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Matthaei, Adelbert
Deutsche Baukunst im Mittelalter (1): Von den Anfängen bis zum Ausgang der romanischen Baukunst — Leipzig, Berlin: Verlag von B.G. Teubner, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.62986#0045
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Der Aunstwert

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8t. dkariu msWore und in 8t. Paolo kuori le inuru (Abb. 6) nach-
empfinden. Die Stimmung des sehnsuchtsvoll Nahenden wird vorbe-
reitet durch die Vorhalle, wo er, umfangen von den rings abschließen-
den Säulengängen, das beruhigende Gefühl der Absonderung von
dem Treiben der Außenwelt empfängt. Nun tritt er auf die Schwelle
des Heiligtums, und sofort wird der Blick des Eintretenden fort- und
hingerissen nach dem perspektivischen Richtpunkte und geistigen Mittel-
punkte der ganzen Anlage, nach dem Altar. Reine andere Raum-
empfindung kommt in ihm auf neben dieser mächtigen Vorwärts-
bewegung in die Tiefe. Wenn er sich einen Moment ablenken ließ
durch das Weiträumige und die seitliche volle Lichtwirkung, so gleitet
der Blick doch sofort an den glänzenden Säulen weiter, die sich nach
dem Altar zu perspektivisch verjüngen, nicht hoch genug sind, um nach
oben abzulenken, und die, je mehr sie sich dem Altar nähern, einen
schnelleren Rhgthmus anzunehmen scheinen, wie das her; lebhafter-
pocht, wenn man sich dem Ziele der Sehnsucht nähert. Alles übrige
scheint darauf berechnet, die Gewalt dieses Eindruckes zu erhöhen.
Das horizontale Deckengebälk, das Muster des Fußbodens begleiten-
das lebhafter werdende Tempo der Säulen, und die Stelle selbst, auf
die alles hindrängt, wird wirksam hervorgehoben durch den über
spannenden, mächtigen Triumphbogen und den dunklen Grund der
Apsis, die kein eigenes Licht hat, von deren Goldmosaiken aber das
aus dem Rirchenraum eindringende Licht sanft zurückgeworfen wird.
War dies das Ziel des schaffenden Dranges, und macht man sich
klar, wie der Architekt gerungen hat, um diese ihm vorschwebende
Wirkung zu erzielen, dann schwindet der Widerspruch, den man sonst
empfindet zwischen der Großräumigkeit der Anlage und dem Mangel
an Monumentalsinn, der sich in der Wahl des geringen Materials und
der flachen Holzdecke zeigt; dann versteht man die Gleichgültigkeit
gegen manches, was sonst dem Architekten hohen Reiz gewährt, wie
die Behandlung des Äußeren und die Gliederung des Einzelnen. Es
ist den schöpferischen Zeiten, in denen neue Gedanken entstehen, eigen-
tümlich, daß man das Ziel mit geringen Mitteln zu erreichen sucht,
daß man sich nur mit den großen Linien begnügt, die das gewollte
Bild umreißen, ohne auf das Einzelne einzugehen. Vas einfachste
wäre gewesen, eine lange Bahn mit flacher Decke zu schaffen, an deren
Ende der Altar sich erhob. Reizvoller wirkte es, die kahlen Wände in
Pfeiler oder, wie man es aus dem Privathause schon gewohnt war,
 
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