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Matthaei, Adelbert
Deutsche Baukunst im Mittelalter (1): Von den Anfängen bis zum Ausgang der romanischen Baukunst — Leipzig, Berlin: Verlag von B.G. Teubner, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.62986#0050
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40^ I. Vie Erbschaft der Antike und die Baukunst der Karolinger
In den Kunstbestrebungen zu Karls des Großen Zeiten vermögen
wir nun zwei Strömungen deutlich zu unterscheiden. Vie eine, mehr
konservativ und zurückschauend, findet am Hofe Karls ihre wirksame
Unterstützung, die andere ringt sich aus dem Volke empor. Viese letz-
tere ist es, der der Sieg beschieden war. Sie macht aus dem Über-
lieferten etwas Neues, sie ist es, die uns hier zu beschäftigen hat.
Gleichwohl müssen wir auch der ersteren ein Wort widmen. Ver-
setzen wir uns in die Tage des großen Krankenkönigs zurück! In ihm
war zum erstenmal seit Theoderichs Tagen die Überzeugung zur Klar-
heit gediehen, daß seine Kranken eine lveltaufgabe zu erfüllen hätten,
daß es mit dem Erobern und Zerstören nicht getan sei, sondern daß
die Germanen die Erbschaft des römischen Reiches auch in kultureller
Beziehung anzutreten hätten. Er sah, woran es seinen siegreichen
Krankenscharen gebrach, glaubte seine Landsleute an der antiken Kul-
tur erziehen zu können und unterstützte alle Bestrebungen, die dar-
aus hinausliefen, Geschmack und Technik der Antike im deutschen
Volke zu beleben. So reden wir mit Recht von einer Protorenaissance
(protos — erste,- Renaissance von rencütre — wiedergeboren werden)
unter Karl dem Großen, d. h. von einem ersten Bestreben, antikes
Kühlen unter den Germanen zu beleben und der Verrohung Einhalt
zu gebieten.
Es ist bekannt, wie Karl Gelehrte und Künstler an seinen Hof zog,
die mit den Erzeugnissen der antik-römischen und antik-christlichen
Kunst vertraut waren: den gelehrten Alcuin, Einhart, Angilbert, An-
sigis u. a. Es bildete sich ein Nkusenhof, eine Art Vorläufer jener gei-
stig angeregten Kreise, wie wir sie später in der Krührenaissance auf-
treten sehen, in dem Karl selber den Namen David führte, während
Alcuin: Albinus Klaccus, Angilbert: Homer hieß und der kunstver-
traute Einhart den Beseleev) des Kreises darstellte. Ein Teil dieser
Namen weist schon auf die Richtung hin, die an diesem Nkusenhofe
herrschte. — Es ist weiter bekannt, daß Karl Baumeister und Techniker
aus Italien berief und auch Material über die Alpen kommen ließ.
Vas alte Raubsgstem wurde teilweise fortgesetzt, Marmor- und Tra-
vertinsäulen und musivische Kußböden wurden den Bauten Roms,
Ravennas und Triers entnommen. Oie Bronzestatue des Goten-
königs wurde aus Ravenna nach der Pfalz in Aachen verseht. Man
l) Beseleel ist der Name eines Kunstverständigen aus dem Alten Testa-
mente.
 
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