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Matz, Friedrich
Die Naturpersonifikationen in der griechischen Kunst — Göttingen: Druck der Dieterich'schen Univ.-Buchdruckerei W.Fr. Kaestner, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.51056#0014
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die Länder- und Städtepersonifikationen interessant und geeignet,
in einer Untersuchung hierüber den Anfang zu machen x).
I.
Mythos und Poesie gehen in ihrem Urzustände Hand in
Hand miteinander. Mit der steigenden geistigen Kultur eines
Volkes trennen sie sich aber, und zwar so, daß die Poesie nicht
bloß die ihr adäquaten Mythen aufgreift und künstlerisch formt,
sondern auch nach dem Muster dieser neue schafft, und anderseits
in den tieferen Schichten des Volkes sich entsprechend den stets
neuen Anregungen, die das Leben bietet, immer neue Mythen bilden
und von Mund zu Mund gehen. Für uns werden aber auch diese
fast ausschließlich durch die Poesie vermittelt.
Mit den Äußerungen der personifizierenden Apperzeption auf
dem Gebiete des Mythos sind also diejenigen in der Literatur
auftretenden Personifikationen gemeint, deren Entstehen sich ohne
das Hinzutreten einer dichterischen Kunstform begreifen läßt, d. h.
in unserem Falle diejenigen Gestalten der Sage, die durch ihren
Namen zu erkennen geben, daß sie einen Ort und seine Bevölke-
rung in sich verkörpern, soweit sie echt und keine künstlerischen
Fiktionen sind. Die Bildung dieser mythischen Eponymen haben
wir hier also zunächst zu verfolgen. Wenn dabei der Personen-
name mit seinem örtlichen Korrelat nicht immer völlig identisch
ist1 2), so hat das für den Inhalt der zugrundeliegenden Vorstellung
natürlich nichts zu bedeuten.
Die Griechen selbst pflegten das Verhältnis so zu verstehen,
daß der Ort von dem Eponymen seinen Namen habe, und wirklich
gibt es eine ganze Reihe von Ortsnamen, denen ein Eigenname
zugrundeliegt. Es ist das nur gewöhnlich ein göttlicher; ein
Menschenname wird in alter Zeit in diesem Zusammenhänge schwer-
lich nachzuweisen sein. So ist z. B. der Name Athenai ent-
standen 3), so Phylake in der Phthiotis. vom Heros Phylakos4),
1) Das in Frage kommende Material findet sich jetzt am übersichtlichsten
geordnet in einem Aufsatze P. Gardners, Gountries and Cities in Ancient Art,
J. H. St. 1888, IX, 47 ff. Abgesehen von der Klassifikation unter die vier Ru-
briken: guardian deity, eponymus hero or founder, allegorical figure, Tyche or
Fortune, die zwar nichts erklärt, aber wohl praktischen Wert hat, findet man
hier indes keine neuen Gedanken. Weniges aber nicht Unwichtiges ist seitdem
hinzugekommen.
2) Vgl. neben δ Άργος, δ Κόρινθός, ή Κυρήνη u. ä.: Πελδψ, Βύζας, Αινείας,
Λαμψάκη U. ä.
3) Usener, GN. S. 232, Kretschmer, Eint. 418 ff.
4) Usener, GN. S. 264.
 
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