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Muster korinthischer 0 r d n u n g.
Tafel 31.

Von cler korinthischen Ordnung stehen uns aus griechischer
Zeit nicht so viele Beispiele zu Gebote wie von der dorischen und
ionischen Ordnung, da griechische Baudenkmäler korinthischen Stils
aus einer Zeit, die der römischen Herrschaft über Griechenland
vorausging, selten sind. Zwar haben sich mehrfach korinthische
Säulen aus griechischer Zeit erhalten; sie gehören jedoch zum
Innern der Gebäude, sind daher nicht als Beispiele vollständiger
Ordnungen zu betrachten. Wir können daher auf unserer Tafel
nur zwei vollständige Beispiele anführen, die als die Vertreter der
übrigen, gar nicht mehr vorhandenen griechischen gelten müssen.
Das dritte Beispiel gehört bereits der römischen Kunst an.
Das erste Beispiel ist den zweisäuligen Hallen vor den Ein-
gangsthüren des Windethurmes in Athen entnommen, dessen Bau-
zeit um 159 v. Ohr. gesetzt werden kann. Grundriss und Einzel-
heiten dieser Hallen werden wir auf Taf. 41 näher kennen lernen.
— Tafel 34 stellt die Seitenansicht dieser Hallen mit Weglassung
des Daches dar, wobei bemerkt werden muss, dass in der Zeich-
nung der Raumersparniss wegen die Säule näher an die Ante ge-
rückt ist, als dies in Wirklichkeit der Fall ist.
Die Säulen sind von auffallend stämmigen Verhältnissen, ihre
Höhe beträgt nicht viel über 8 untere Durchmesser. Ihre Klein-
heit, 13 x/2 Fuss engl. oder 4,114 m, und ihr ungewöhnlich weiter
Abstand von einander, der 3 7/s untere Durchmesser beträgt, be-
dingten diese Maassverhältnisse. Die Säulen haben keine. Basis,
die Riefelungen ihres Schaftes stossen, bis auf die vier in den
Achsen gelegenen, stumpf auf die oberste Stufe ihres Unterbaues,
gleichen also hierin den Riefelungen an dorischen Säulen. — Das
Antenkapitell ist nicht nach dem der Säulen, sondern nach dem
dorischen Antenkapitell gebildet. Wir werden bei Betrachtung der
Tafel 41 auf diese Einzelheiten zurückkommen.
Das Muster in der Mitte der Tafel ist vom Ehrendenkmal
des Lysikrates in Athen entnommen, das, dem Ende der Blüthezeit
attischer Kunst angehörend, das edelste Beispiel des korinthischen
Stils abgiebt. Die Säulen haben hier ein sehr schlankes Ver-
hältniss, etwa 93/4 untere Durchmesser zur Flöhe. Das Maass des
unteren Durchmessers beträgt 1 Fuss 2 Zoll englisch oder 0,355 in.
Wir werden die Einzelheiten auf den nächstfolgenden Tafeln näher
kennen lernen.
Das dritte Muster unserer Tafel ist einem Baudenkmale der
besten Zeit römischer Kunst entnommen, und zwar der achtsäu-
ligen Vorhalle des Pantheons in Rom, das der Schwiegersohn des
Kaisers Augustus, Marcus Agrippa, kurz vor Beginn unserer Zeit-
rechnung erbaute. Die Hauptverhältnisse der Säulen und des Ge-
bälks sind nicht bedeutend verschieden von denen der griechischen
Beispiele, wohl aber die Form und Anordnung des Kranzgesimses.
Wir werden das Nähere hierüber bei Betrachtung der Taf. 44
beibringen.
Vom choragischen Denkmal des Lysikrates in Athen.
Tafel 35, 36, 37 und 38.
Schon bei Betrachtung des choragischen Denkmals des Tlira-
syllos auf Taf. 17 ist der Bedeutung derartiger Denkmäler gedacht
worden. Zu dieser Klasse gehört auch das des Lysikrates in Athen,
Manch, Ordnungen. 8. Aufl.

das nach einer Inschrift an dem Denkmal im J. 334 v. Ohr. ganz
aus pentelischem Marmor errichtet wurde. Es befindet sich am
östlichen Fusse des Akropolisfelsens obwohl sehr beschädigt noch
an seiner ursprünglichen Stelle. Früher in ein Kloster französischer
Capuziner verbaut, ist es seit 30 Jahren durch dessen Abbruch
frei gelegt und bis auf seine Sohle ausgegraben worden.
Das Denkmal erhebt sich auf einem quadratischen Unterbau
mit Fuss und Krönungsgesims von 12 Fuss 8 Zoll engl. = 3,86 m
Höhe als ein schlanker, kreisrunder, sechssäuliger Peripteros, auf
dessen flachem, kegelförmigen Dache ein prachtvoller Laubkelch
gipfelt, der ehemals die Schale des auf dem Dache fassenden
ehernen Dreifusses stützte, wie wir dies schon bei Betrachtung
unserer ersten Tafel, die Wiederherstellung Mauchs berichtigend,
bemerkten.
Der pseudoperipterale Oberbau des Denkmals besteht aus fol-
genden wenigen Theilen:
1) aus dem kreisrunden Unterbau von drei Stufen, deren
oberste als eigentliche Säulenstufe aus einem Ablauf mit Wulst
darunter besteht (Taf. 35). Darauf stehen:
2) die sechs aus je einem Block gearbeiteten Säulen von
11 Fuss 7,65 Zoll englisch oder 3,56 m Höhe und
3) sechs dünne, nach der Kreislinie gebogene Zwischenwände,
wiederum je aus einem Stück;
4) der kreisrunde Architrav, mit dem Fries darüber aus einem
einzigen, ringförmigen Stück bestehend;
5) das Kranzgesims, radfelgenartig aus 6 Stücken zusammen-
gesetzt ;
6) das Dach, mit dem Untertheil des Aufsatzes wieder aus
einem einzigen Stücke bestehend, in derjenigen Verbindung mit
dem Hauptgesims, wie dies aus dem Durchschnitte auf Taf. 37
zu ersehen ist; endlich
7) der Obertheil des Aufsatzes, der ursprünglich mit einer
dreiseitigen Platte bedeckt war, die ältere Reisende in Griechen-
land noch gesehen und mit dem Denkmal abgebildet haben: so
Spon und Wheler. Der peripterale Theil des Denkmals ist also
aus 22 Marmorstücken aufgebaut worden.
Unsere Tafel 35 giebt die Einzelheiten der Ordnung nach Stuarts
Aufnahme (m. s. die Alterthümer von Athen Th. 1, Cap. IV.). Die
Zeichnung des Säulenkapitells ist —- verglichen mit den Gipsab-
güssen — nicht ganz genau, oder vielmehr die Stuartsche Wieder-
herstellung der einzelnen Theile desselben lehnt sich nicht überall
streng an das Vorhandene an. Die Endigungen der Schaftkanne-
luren sind als Blattüberfälle ausgebildet. Zwischen ihnen und dem
unteren Blattkranze des Kapitells befindet sich eine Vertiefung oder
Nuth, welche vermuthlich zum Einsetzen einer bronzenen Perlschnur
bestimmt war. Die Zeichnungen der Tafel 36, 37 und 38 sind
dagegen von Mauch mit Zuhilfenahme der Gipsabgüsse vom Denk-
mal angefertigt worden. Das Gebälk ist das ionische, der Fries
mit Reliefs geschmückt, die den Kampf der Satyrn mit tyrrheni-
schen Seeräubern und die auf Dionysos Geheiss geschehene Ver-
wandlung der letzteren in Delphine darstellen, eine Sage, welche
vermuthlich den Inhalt des Chorgesanges bildete, mit dem der
Chorage Lysikrates siegte. Die Palmetten der Krönung haben eine
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