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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 22.1979

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Pressespiegel
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https://doi.org/10.11588/diglit.33076#0045
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Französisch — goldener Mittelweg?
Französisch ist nach Ansicht vieler Pädagogen der goldene Mittelweg. Der
Münchner Gymnasiallehrer Walter Wurm, Leiter der Fachgruppe Neuere Spra-
chen im Bayerischen Philologenverband, erklärte dazu: „Das Französische ver-
bindet die Vorzüge des Englischen (Schulung der Sprechfähigkeit) mit denen
des Lateinischen (Schulung des Sprachbewußtseins).“ Damit nutze Französisch
„als einzige erste Fremdsprache sowohl die für die Zehn- bis Elfjährigen typi-
sche Sprachbereitschaft als auch ihre Sprachlernfähigkeit in vollem Umfang
aus. Weiter betonte Wurm, daß man in Französisch nicht so spontan plaudern
könne wie im Englischen, doch schaffe man mit Französischkenntnissen „eine
solide Grundlage für alles nachfolgende Spracherlernen“.
(Aus: Süddeutsche-Zeitung, 31. März/1. April 1979)

Mit Plinius zu Lehrlingen
Mit einer in der Bundesrepublik einmaligen Leistungsanforderung hat das baye-
rische Kultusministerium einen Sturm der Empörung unter den Berufsschul-
lehrern hervorgerufen: Der Großteil von ihnen soll künftig als Befähigungsnach-
weis den Abiturabschluß in Latein haben. Ein kleiner Teü muß sogar altgriechi-
sche Kenntnisse vorweisen, um dann Lehrlinge unterrichten zu dürfen.
Diese Überraschung zum neuen Semester bescherte den Studenten die ver-
besserte Lehrerprüfungsordnung (LPO), die die Ausbildung der Berufsschulleh-
rer praktisch der der Gymnasiallehrer gleichstellt — und das ohne Rücksicht auf
spätere Tätigkeit. Was der CSU-Schulexperte im bayerischen Landtag, Fritz
Harrer, noch vorsichtig als „Mißstand“ bezeichnet, ist für einen Sprecher der
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) bereits eine „ausgemachte
Schweinerei“.
Zu den Hauptfächern Bau-, Elektrotechnik oder Landwirtschaft kam noch
ein „vertieftes“ Zweitfach wie Deutsch, Englisch, Geschichte oder Religions-
lehre. Allesamt Fächer, die das Latinum voraussetzen. Verschreckt durch die
drohende Latein-Büffelei drängten die Studenten jetzt in das Zweitfach Sozial-
kunde, das noch ohne altrömische Sprachkenntnisse gewählt werden darf.
Doch selbst das Ministerium rät den Studenten wegen Bedarfsmangel vom
Studium der Sozialkunde ab.
Parallel zur verordneten Latein-Lektüre wurden die Pädagogik-Vorlesungen
auf ein Minimum reduziert, für Berufsschullehrer relevante Fächer wie Arbeits-
recht oder Wirtschaft erst gar nicht ins Studiumangebot aufgenommen. „So er-
zeugt man Fachidioten, die statt der Probleme aus der Arbeitswelt nur Plinius
zitieren können“, zürnt die GEW.
(Aus: Westd. Allg. Zeitung, 6. Januar 1979)

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