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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 37.1994

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Nr. 2
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Buchbesprechungen
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Wölke, Hansjörg: [Rezension von: Eckard Lefèvre, Horaz. Dichter im augusteischen Rom]
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https://doi.org/10.11588/diglit.33059#0081
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rückhaltung geübt: der Epikureer, als den Lefevre ihn mit vielen Details zeichnet, habe in Distanz
verharrt gegenüber dem veräußerlichten gesellschaftlichen und politischen Getriebe der Stadt Rom
und so auch gegenüber der Art, wie Maecenas sein Leben führte Als conv/'cfor, also Begleiter und
Gesellschafter, sei Horaz eindeutig abhängig von Maecenas gewesen. Schon früher aber hatte Le-
fövre gezeigt (ANRW 31,3 (1981) 1987 ff ), wie Horaz sich mehr und mehr von Maecenas emanzi-
piert habe, schließlich Horaz nachgerade umgekehrt geistiger Patron von Maecenas geworden sei.
c. 3,29 (7yrrhena regum progen/'es) zeige, wie Horaz sich als den eigentlich Reichen sieht, der den
im Grunde armen Maecenas von der Befangenheit in äußeren Gütern fort zur Bindung an die wah-
ren Güter der Seele führen will. Die zeitgenössischen gesellschaftlichen Entwicklungen habe Horaz
eher mit Skepsis betrachtet und, vor allem in den ersten drei Odenbüchern, auch in den sog. Röme-
roden, mehr Warnungen vor der Zukunft ausgesprochen als die neue Zeit verherrlicht Dennoch:
Horaz habe sich Augustus innerlich nahe fühlen müssen, als er sah, wie dieser Mann nach dem
Chaos der Bürgerkriege Maß und Ordnung verwirklichte. Horaz' lobende Worte für den Kaiser seien
aufrichtig gerade angesichts seiner sonstigen Distanz zur zeitgenössischen Gesellschaft. Diese Di-
stanz sei gegenseitig gewesen: mangelnde Anerkennung habe Horaz wieder und wieder verbittert
Nur kurz habe er dies abschütteln können, als ihm höchste Reputation zuteil wurde durch den Auf-
trag, das carmen saecu/are zu verfassen Auf einer Woge allgemeiner Anerkennung schwimmend
(die auch manches Mißliche an sich gehabt habe), sei er bald wieder in Anfeindungen verstrickt
gewesen und habe schließlich in der Florus-Epistel (2,2), die Lefevre mit älterer Forschung ins Jahr
11 oder noch später datiert, dem Literaturbetrieb Valet gesagt, schließlich in der Ars poetv'ca sogar
bedauert, daß er sich im vierten Buch der Oden an pindarischem Stil, an Preisliedern erprobt habe:
das sei nicht seinem Wesen gemäß.
Was Lefevres Buch kennzeichnet (und was Ihm bereits manche herbe Kritik eingebracht hat), ist vor
allem zweierlei:
Erstens lenkt er den Blick auf die Verdienste, die sich das 18. Jahrhundert um das Verständnis
von Horaz erworben hat: die Übersetzungen, die er verwendet, stammen von Uz, Herzlieb und
Wieland; Interpretationen von Wieland, Herder und anderen finden immer wieder seine Zustim-
mung, und wo er auf Horaz' Nachleben verweist, zitiert er Klopstock, Gleim und andere. Darüber
die Nase zu rümpfen, zeugt von einem ganz und gar unhorazischen Fortschrittsoptimismus.
Zweitens versucht Lefevre dem nachzuspüren, wo die jeweilige Dichtung ihren „Sitz im Leben"
habe. Weniger, daß er Horaz' Dichtung für biographische Details ausbeutet - vor allem denkt er
sich die meisten Gedichte in einer konkreten Situation und für sie geschrieben, viele für den Vor-
trag in einer Gruppe, vor der Aufnahme bei Maecenas in den Häusern (uns heute unbekannter)
angesehener Männer, danach vor allem in dessen Kreis.
Da freilich erheben sich Fragen. Zunächst: Methodisch ist es mit Gewißheit ratsam, zunächst das
lyrische bzw. fiktive Ich und die Person des Dichters zu scheiden. Wenn Horaz ferner seine Dichtun-
gen für den Augenblick, ja vielleicht sogar aus dem Augenblick heraus geschrieben habe, wie ver-
trägt sich das damit, daß er so viel Zeit auf sein Dichten verwendet und immer wieder gefeilt hat,
und mit dem Anspruch, ein Denkmal, dauernder als Erz, geschaffen zu haben? Nicht, daß dies völ-
lig unverträglich sein müßte - einige Erklärungsversuche hätte ich freilich gern gelesen. Auch im
einzelnen bleibt manches befremdlich. Wenig Ertrag scheint mir zu bringen, daß sich Lefevre er-
neut den Kopf darüber zerbricht, ob Epode 9 nun unmittelbar vor der Schlacht von Actium gedich-
tet sei oder nicht und wo genau sich Horaz und Maecenas da befunden hätten (S 69 f ). Für c. 3,9
stellt sich Lefevre vor, daß Horaz und Lydia während eines Gastmahls aufgestanden seien, den Dia-
log im Wechselgesang vorgetragen und so das Publikum zum Teilhaber an ihrem Privatleben ge-
macht hätten: von ihrer früheren gegenseitigen Liebe sangen sie da, von ihren gegenwärtigen an-

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