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Deutscher Altphilologenverband [Editor]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 37.1994

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Nr. 2
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Buchbesprechungen
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Wölke, Hansjörg: [Rezension von: Eckard Lefèvre, Horaz. Dichter im augusteischen Rom]
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Jäckel, Bettina: [Rezension von: Heinrich Krefeld, Seneca und wir. Zugänge zur Aktualisierung der Lehre]
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https://doi.org/10.11588/diglit.33059#0082

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derweitigen Liebschaften und ihrer Gewißheit, daß ihre Leidenschaft später wohl schon wieder
aufflammen werde ($. 199 f.) - eine peinlichere Situation für alle Beteiligten ist kaum denkbar. Zu
Leuconoe, der Horaz in c. 1,11,8 das berühmte „carpe ck'em" zuruft, zitiert Lefävre aus dem Kom-
mentar von Nisbet und Hubbard: „fhe /ady Ls obv/ous d'cf/'f/'ous" und fragt „Wirklich?" (S. 207). Ich
frage mich bei dieser und anderen Stellen freilich: Wen kümmert es?
Eben dies, was Lefevre vielleicht als mangelndes Methodenbewußtsein angekreidet werden kann,
macht aber auch die Stärke seines Buches aus. Er rechnet selten mit literarischer Fiktion, nimmt
vielmehr Horaz genau beim Wort, versucht, ganz schlicht das zu verstehen, was dasteht. Da aber
zeigt sich, wie sensibel und aufmerksam Lefevre Horaz' Worte zu lesen vermag, und ihm gelingen
so, insbesondere, wie mir scheint, in den Satiren, viele kluge und überzeugende Beobachtungen.
Lefevre stellt nicht nur Kombinationen an, wo Horaz und wo die feindlichen Schiffe sich befunden
haben mögen, als der Dichter Epode 9 zu Papier brachte. Vor allem zeigt er, daß Horaz hier ein
Trinklied geschrieben hat, „in dem die Politik zwar unüberhörbar durchschien, aber doch auf den
zweiten Platz verwiesen wurde" (S. 70) - ähnlich wie bei dem Freundschaftslied epod. 1. Lefevre
zitiert immer wieder den Wortlaut der Dichtung (da er sich an ein breiteres Publikum wendet, mit
oder nur in Übersetzung), was nicht nur demjenigen, der sich nicht ständig mit Horaz beschäftigt,
zu mancher Wiederbegegnung verhilft, sondern es auch möglich macht, Text und Deutung unmit-
telbar miteinander zu vergleichen. Endlich: Mag auch manches an Lefevres Versuchen, bei Horaz'
Dichtungen den „Sitz im Leben" auszumachen, etwas überzogen wirken - der Ansatz kann nicht
völlig falsch sein. Wenn Horaz sich in einer Dichtung an Maecenas wendet, wird er sich und
Maecenas meinen und nicht bloß irgendein lyrisches Ich und irgendein lyrisches Du.
So hat Lefevre ein Buch über Horaz geschrieben, das vielleicht nicht überall auf jedermanns Einver-
ständnis rechnen kann, das aber viele Freunde der Antike (und vor allem auch viele Kolleginnen
und Kollegen) mit Freude und Gewinn lesen werden.
HANSJÖRG WÖLKE
L/e(nr;'cb kfrefe/ch' Seneca und w/'r. Zugänge zur Aktua/Lsferung ser'ner Lehre, Bamberg 7992 (Aux/'k'a
97), DM27,60.
Heinrich Krefeld unternimmt in seinem in der Reihe Auxilia erschienenen Band den Versuch, dem
Lateinlehrer anhand von Beispielen Hilfen an die Hand zu geben, mit denen zentrale Fragen Sene-
cas im Unterricht aktualisiert werden können. Behandelt werden das Verhältnis von Körper und
Seele in der menschlichen Natur, die Frage nach dem Ursprung des Bösen im Menschen und die
klassische Frage nach der Nähe senecanischer und christlicher Weltanschauungen. Kenntnisreich
und unter Einbeziehung breitgefächerten, teilweise schwer zugänglichen Textmaterials werden
diese genannten Themen aufbereitet Ziel des Autors ist es dabei, synoptisch „zu einem verglei-
chenden Hin und Her" herauszufordern und die Schüler „Abstand und Nähe eines antiken Autors
von und zu uns" erfahren zu lassen. Eine derartige Vorgehensweise solle hinführen „zum Werten,
also zu einer wesentlichen Komponente des Lernens im Bereich des Affektiven". (S. 4)
Für die im ersten Essay gegebene Diskussion des philosophischen Urproblems von Körper und Seele
nimmt der Autor die 65. Epistel Senecas als Ausgangspunkt, in der die drei zentralen Lehren von
den Ursachen (Stoa, Aristoteles, Platon) vorgestellt werden Gegenüber diesen Positionen setzt sich
Seneca dadurch ab, daß er nicht mehr eine Vielzahl von Ursachenprinzipien annimmt, sondern ver-
sucht, das Weltgeschehen von einem einzigen Entstehungsprinzip (causa genera/Ls) zu erklären.
Dieses ist nach Seneca die raf/'o fac/'ens und in Gott verkörpert. Die Besonderheit Senecas innerhalb
der Stoa liegt nun darin, daß er Gott und Materie scharf voneinander trennt und Gott nunmehr
zum umfassenden Schöpfungsprinzip macht, welches die leblose Materie in lebensfähige Zusam-

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