menhänge ordnet Der zentrale Analogieschluß lautet: den Platz, den Gott im Universum innehat,
behauptet im Einzelmenschen der Geist. Was dort die Materie ist, ist hier der Körper.
Dieser Dualismus zieht zwei Konsequenzen nach sich: der stoische Schöpfergott steht zum einen
dem christlichen Schöpfergott sehr nahe, zum anderen - und diesen Aspekt verfolgt Krefeld im
besonderen Maße im ersten Essay - ergibt sich eine Antinomie zwischen Körper und Geist, die ei-
nen Ausgangspunkt bilden kann, entsprechende bzw. gerade abweichende Reflexionen über diese
Thematik vom frühen Christentum bis zur Philosophie und Lebenskultur des ausgehenden 20 Jahr-
hunderts in den Blick zu nehmen.
Zum senecanischen Körper-Geist-Gegensatz wird die Antinomie von Leib und Seele im Neuen Te-
stament sowie im frühen Christentum angeführt, um dann ihre Überwindung bei Thomas v. Aquin
zu zeigen, der die Einheit von Leib und Seele betonte und daß die Seele nicht ohne den Leib beste-
hen kann.
Krefelds Anliegen ist es ganz offensichtlich, zum Körper-Geist-Gegensatz vergleichbare Antinomien
zu finden, die die antiken Texte der Gegenwart näher bringen können Hierzu gibt er vielfältige
Anregungen. Das Zusammenstellen von Gegensatzpaaren läßt jedoch bisweilen nicht mehr deutlich
erkennen, wo die Vergleichsbasis zu finden ist und wo sie endet. Ais Beispiel dafür mag die Darstel-
lung des Geistes bei Seneca und der Seele im Neuen Testament dienen: während hier zu Recht auf
die Parallelität in der Vorstellung von der Göttlichkeit von Geist und Seele hingewiesen wird, so
wird auf der anderen Seite nicht hinreichend deutlich gemacht, daß der Geist bei Seneca als Folge
der Beschaffenheit der Welt seine Eigenschaft des Göttlichen hat, während die Seele diese Eigen-
schaft nach christlicher Vorstellung durch die Bekehrung zum Christsein, durch die Initiation erst
erhält.
Für ein Kursthema, das den Gegensatz von Körper und Geist aus Senecas 65 Brief zum Ausgangs-
punkt seiner Überlegungen macht, um nach vergleichbaren Antinomien in der europäischen Gei-
stesgeschichte zu fragen, sollten die Unterschiede und Gemeinsamkeiten des zweifellos umfangrei-
chen Begleitmaterials zum Primärtext deutlicher herausgearbeitet werden
Demgegenüber zeichnet sich die zweite Abhandlung „Senecas Lehre vom Bösen und wir" durch
Klarheit in der Formulierung und Bearbeitung der Fragestellung aus: Die bereits im ersten Essay
wahrgenommene Trennung des Weltganzen in Gottheit und Materie findet hier eine sehr überzeu-
gende Anwendung: Wie der Gott das Weltganze aus Materie komponiert, aber nicht auf die Mate-
rie selbst Einfluß hat, so hat er nur einen beschränkten Zugriff auf die Natur des Menschen: diese
ist in Analogie ebenfalls aus göttlichem Geist und Materie als Doppelnatur zusammengesetzt „Da
nun die Anlagen des Menschen zu dessen mafen'a gehören, kann folglich der deus auch auf sie
nicht unmittelbar einwirken. Der Mensch muß also selbst dafür sorgen, mit seiner Unvollkommen-
heit fertig zu werden. Die Gottheit bietet ihm hierbei allerdings eine Hilfe an, die rad'o, die ihn be-
fähigt, das Rechte zu erkennen." (S. 71). Je nach Anlage des einzelnen Menschen auf der einen
Seite und Fortschritt in der Erkenntnis der göttlichen Vernunft auf der anderen Seite bemlßt sich
der Grad, in welchem der Mensch dem Ideal des v/'r bonus entgegenzustreben vermag
Dieser deutlich herausgearbeitete Gegensatz ermöglicht es gleichermaßen, Übereinstimmungen
zwischen stoischer und christlicher Ethik aufzuzeigen und doch im selben Augenblick zu erkennen,
wie die christliche Ethik von einem ganz anderen Ausgangspunkt her konzipiert und begründet
wird: Während der Mensch bei Seneca „dank der Unabhängigkeit seines Geistes ... die entschei-
dende Instanz für die Beurteilung seines Handelns" bildet, bildet für den Christen Gott eine wichti-
ge Instanz zur Beurteilung sittlichen Handelns (S 81ff ). Hierbei betont Krefeld, wie noch Laktanz
versucht, an der Autarkie des Menschen festzuhalten. Erst Augustinus zog die radikale Konsequenz,
daß das Handeln des Menschen einzig und allein von der Gnade Gottes bestimmt ist. Hinweise auf
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behauptet im Einzelmenschen der Geist. Was dort die Materie ist, ist hier der Körper.
Dieser Dualismus zieht zwei Konsequenzen nach sich: der stoische Schöpfergott steht zum einen
dem christlichen Schöpfergott sehr nahe, zum anderen - und diesen Aspekt verfolgt Krefeld im
besonderen Maße im ersten Essay - ergibt sich eine Antinomie zwischen Körper und Geist, die ei-
nen Ausgangspunkt bilden kann, entsprechende bzw. gerade abweichende Reflexionen über diese
Thematik vom frühen Christentum bis zur Philosophie und Lebenskultur des ausgehenden 20 Jahr-
hunderts in den Blick zu nehmen.
Zum senecanischen Körper-Geist-Gegensatz wird die Antinomie von Leib und Seele im Neuen Te-
stament sowie im frühen Christentum angeführt, um dann ihre Überwindung bei Thomas v. Aquin
zu zeigen, der die Einheit von Leib und Seele betonte und daß die Seele nicht ohne den Leib beste-
hen kann.
Krefelds Anliegen ist es ganz offensichtlich, zum Körper-Geist-Gegensatz vergleichbare Antinomien
zu finden, die die antiken Texte der Gegenwart näher bringen können Hierzu gibt er vielfältige
Anregungen. Das Zusammenstellen von Gegensatzpaaren läßt jedoch bisweilen nicht mehr deutlich
erkennen, wo die Vergleichsbasis zu finden ist und wo sie endet. Ais Beispiel dafür mag die Darstel-
lung des Geistes bei Seneca und der Seele im Neuen Testament dienen: während hier zu Recht auf
die Parallelität in der Vorstellung von der Göttlichkeit von Geist und Seele hingewiesen wird, so
wird auf der anderen Seite nicht hinreichend deutlich gemacht, daß der Geist bei Seneca als Folge
der Beschaffenheit der Welt seine Eigenschaft des Göttlichen hat, während die Seele diese Eigen-
schaft nach christlicher Vorstellung durch die Bekehrung zum Christsein, durch die Initiation erst
erhält.
Für ein Kursthema, das den Gegensatz von Körper und Geist aus Senecas 65 Brief zum Ausgangs-
punkt seiner Überlegungen macht, um nach vergleichbaren Antinomien in der europäischen Gei-
stesgeschichte zu fragen, sollten die Unterschiede und Gemeinsamkeiten des zweifellos umfangrei-
chen Begleitmaterials zum Primärtext deutlicher herausgearbeitet werden
Demgegenüber zeichnet sich die zweite Abhandlung „Senecas Lehre vom Bösen und wir" durch
Klarheit in der Formulierung und Bearbeitung der Fragestellung aus: Die bereits im ersten Essay
wahrgenommene Trennung des Weltganzen in Gottheit und Materie findet hier eine sehr überzeu-
gende Anwendung: Wie der Gott das Weltganze aus Materie komponiert, aber nicht auf die Mate-
rie selbst Einfluß hat, so hat er nur einen beschränkten Zugriff auf die Natur des Menschen: diese
ist in Analogie ebenfalls aus göttlichem Geist und Materie als Doppelnatur zusammengesetzt „Da
nun die Anlagen des Menschen zu dessen mafen'a gehören, kann folglich der deus auch auf sie
nicht unmittelbar einwirken. Der Mensch muß also selbst dafür sorgen, mit seiner Unvollkommen-
heit fertig zu werden. Die Gottheit bietet ihm hierbei allerdings eine Hilfe an, die rad'o, die ihn be-
fähigt, das Rechte zu erkennen." (S. 71). Je nach Anlage des einzelnen Menschen auf der einen
Seite und Fortschritt in der Erkenntnis der göttlichen Vernunft auf der anderen Seite bemlßt sich
der Grad, in welchem der Mensch dem Ideal des v/'r bonus entgegenzustreben vermag
Dieser deutlich herausgearbeitete Gegensatz ermöglicht es gleichermaßen, Übereinstimmungen
zwischen stoischer und christlicher Ethik aufzuzeigen und doch im selben Augenblick zu erkennen,
wie die christliche Ethik von einem ganz anderen Ausgangspunkt her konzipiert und begründet
wird: Während der Mensch bei Seneca „dank der Unabhängigkeit seines Geistes ... die entschei-
dende Instanz für die Beurteilung seines Handelns" bildet, bildet für den Christen Gott eine wichti-
ge Instanz zur Beurteilung sittlichen Handelns (S 81ff ). Hierbei betont Krefeld, wie noch Laktanz
versucht, an der Autarkie des Menschen festzuhalten. Erst Augustinus zog die radikale Konsequenz,
daß das Handeln des Menschen einzig und allein von der Gnade Gottes bestimmt ist. Hinweise auf
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