LVestpha/en, Maus; Bas/ssprache Late/'n. Argumenfaü'ons/i/'/fen für üafe/n/ehrer und Freunde der
Ant/'ke, Bamberg Bucbner 7592, 752 5., 50,00 DM (Aux//7a 29).
Die erfreulichen bis sehr erfreulichen Zahlen, wieviel Schülerinnen und Schüler am Lateinunterricht
in Deutschland teilnehmen, mögen nicht darüber hinwegtäuschen: der Lateinunterricht befindet
sich an den Schulen wieder in der Defensive. Der Europäische Wirtschaftsraum läßt Grenzen immer
unwichtiger werden, das Bedürfnis nach direkter Kommunikation unter den Europäern wächst, und
da liegt es zunächst näher, lebende Sprachen Europas zu lernen. Fremdsprachenkenntnisse, so
belegen Umfragen unter Personalchefs großer Firmen, stehen mit an der Spitze, wenn es um An-
forderungen an Einzustellende geht. Diejenigen, die meinen, die Altphilologen ständen gegenwär-
tig vor einer Herausforderung, die in vielem derjenigen gegen Ende der 60er Jahre ähnelt, haben
daher so manche Argumente auf ihrer Seite.
Da kommt ein Buch wie das vorliegende von Klaus Westphalen, der ja auch bereits in jenen An-
strengungen des Altphilologenverbandes vor rund 20 Jahren eine herausragende Rolle gespielt hat,
gerade recht. Sein Ziel ist es, „den Lateinlehrern und -lehrerinnen, aber auch allen Freunden der
Antike eine übersichtlich und kurz gefaßte Schrift an die Hand zu geben, in der die Vorzüge und
Rechtfertigungsgründe des Lateinunterrichts handlich verpackt zusammengefaßt sind." (S.6). Das
Buch hat zwei Teile: einen Teil „Argumentationen" und einen Teil „Materialien". Im ersten erläutert
Klaus Westphalen „sechs bildungstheoretische Thesen" „zur aktuellen Begründung des Lateinun-
terrichts": 1. Latein ist die Basissprache Europas, 2. Latein ist ein Kernfach humanistischer Bildung,
3. Latein ist eine Fundamentalsprache des Gymnasiums, 4. Latein ist ein Trainingszentrum an-
spruchsvoller Denkoperationen, 5. Latein ist ein Gymnasialfach par excellence, 6. Latein ist eine
Bildungssprache für a//e Gymnasiasten. Im zweiten Teil ist eine Reihe von Texte und Materialien
abgedruckt - von Georg Kerschensteiner bis Werner Heldmann, von der DAV-Matrix über die In-
haltsklassen des altsprachlichen Unterrichts bis zu Statistiken über das Anwachsen der Gymnasial-
schüler und die Zahlen der Latein- und Griechischschüler im Schuljahr 1989/90 -, auf die der Argu-
mentationsteil Bezug genommen hat.
Es ist nicht Westphalens Anspruch, neue Thesen zu entwickeln und zur Diskussion zu stellen.
Dennoch bietet er mehr als ein bloßes Referat, sondern eine präzise durchdachte
Positionsbestimmung auf der Basis des gegenwärtigen Diskussionsstandes An dieser Stelle möchte
ich lediglich drei Punkte herausgreifen:
1. Ich finde es richtig, daß Westphalen seine Argumentation in erster Linie auf der Sprache Latein
aufbaut und sie sowohl als „Trainingszentrum anspruchsvoller Denkoperationen" wie auch als Ver-
mittlerin „europäischer Tradition" empfiehlt. Wer stärker die Inhalte lateinischer Texte und ihre
Wirkung auf die europäische Kultur und Tradition vermitteln will, wer auf Stichwörter der
europäischen Kultur und auf Grundtexte Europas baut, muß sich wie schon immer die Frage stellen
lassen, wieso das nicht in deutschen Übersetzungen möglich sei, und dabei in Verlegenheit
geraten.
2. „Je mehr Sprachen ein Mensch beherrscht, desto mehr Weltansichten stehen ihm zu Gebote",
schreibt Westphalen nach Wilhelm von Humboldt (und Weisgerber und Whorf) auf S. 41, und da
sei eine Weitsicht, die mit der heutigen stärker kontrastiere als z. B die des modernen Englisch, bil-
dungstheoretisch und lernökonomisch sinnvoller. Freilich: wie schwierig es ist, mit dem Erwerb
einer fremden Sprache zugleich deren Denkweisen aufzunehmen und ihr nicht diejenigen des
Deutschen überzustülpen, zeigt allein schon, daß Bücher mit den ironischen Titeln „Speak you
English?" und „Pouvez-vous frangais?" offenbar erforderlich sind
3. Westphalen formuliert die These, der Humanismus als eine Ethik, die die Würde des Menschen
thematisiert, sei eine aktuelle und dringliche Aufgabe (und Latein sei „nicht nur aufgrund seiner m-
29
Ant/'ke, Bamberg Bucbner 7592, 752 5., 50,00 DM (Aux//7a 29).
Die erfreulichen bis sehr erfreulichen Zahlen, wieviel Schülerinnen und Schüler am Lateinunterricht
in Deutschland teilnehmen, mögen nicht darüber hinwegtäuschen: der Lateinunterricht befindet
sich an den Schulen wieder in der Defensive. Der Europäische Wirtschaftsraum läßt Grenzen immer
unwichtiger werden, das Bedürfnis nach direkter Kommunikation unter den Europäern wächst, und
da liegt es zunächst näher, lebende Sprachen Europas zu lernen. Fremdsprachenkenntnisse, so
belegen Umfragen unter Personalchefs großer Firmen, stehen mit an der Spitze, wenn es um An-
forderungen an Einzustellende geht. Diejenigen, die meinen, die Altphilologen ständen gegenwär-
tig vor einer Herausforderung, die in vielem derjenigen gegen Ende der 60er Jahre ähnelt, haben
daher so manche Argumente auf ihrer Seite.
Da kommt ein Buch wie das vorliegende von Klaus Westphalen, der ja auch bereits in jenen An-
strengungen des Altphilologenverbandes vor rund 20 Jahren eine herausragende Rolle gespielt hat,
gerade recht. Sein Ziel ist es, „den Lateinlehrern und -lehrerinnen, aber auch allen Freunden der
Antike eine übersichtlich und kurz gefaßte Schrift an die Hand zu geben, in der die Vorzüge und
Rechtfertigungsgründe des Lateinunterrichts handlich verpackt zusammengefaßt sind." (S.6). Das
Buch hat zwei Teile: einen Teil „Argumentationen" und einen Teil „Materialien". Im ersten erläutert
Klaus Westphalen „sechs bildungstheoretische Thesen" „zur aktuellen Begründung des Lateinun-
terrichts": 1. Latein ist die Basissprache Europas, 2. Latein ist ein Kernfach humanistischer Bildung,
3. Latein ist eine Fundamentalsprache des Gymnasiums, 4. Latein ist ein Trainingszentrum an-
spruchsvoller Denkoperationen, 5. Latein ist ein Gymnasialfach par excellence, 6. Latein ist eine
Bildungssprache für a//e Gymnasiasten. Im zweiten Teil ist eine Reihe von Texte und Materialien
abgedruckt - von Georg Kerschensteiner bis Werner Heldmann, von der DAV-Matrix über die In-
haltsklassen des altsprachlichen Unterrichts bis zu Statistiken über das Anwachsen der Gymnasial-
schüler und die Zahlen der Latein- und Griechischschüler im Schuljahr 1989/90 -, auf die der Argu-
mentationsteil Bezug genommen hat.
Es ist nicht Westphalens Anspruch, neue Thesen zu entwickeln und zur Diskussion zu stellen.
Dennoch bietet er mehr als ein bloßes Referat, sondern eine präzise durchdachte
Positionsbestimmung auf der Basis des gegenwärtigen Diskussionsstandes An dieser Stelle möchte
ich lediglich drei Punkte herausgreifen:
1. Ich finde es richtig, daß Westphalen seine Argumentation in erster Linie auf der Sprache Latein
aufbaut und sie sowohl als „Trainingszentrum anspruchsvoller Denkoperationen" wie auch als Ver-
mittlerin „europäischer Tradition" empfiehlt. Wer stärker die Inhalte lateinischer Texte und ihre
Wirkung auf die europäische Kultur und Tradition vermitteln will, wer auf Stichwörter der
europäischen Kultur und auf Grundtexte Europas baut, muß sich wie schon immer die Frage stellen
lassen, wieso das nicht in deutschen Übersetzungen möglich sei, und dabei in Verlegenheit
geraten.
2. „Je mehr Sprachen ein Mensch beherrscht, desto mehr Weltansichten stehen ihm zu Gebote",
schreibt Westphalen nach Wilhelm von Humboldt (und Weisgerber und Whorf) auf S. 41, und da
sei eine Weitsicht, die mit der heutigen stärker kontrastiere als z. B die des modernen Englisch, bil-
dungstheoretisch und lernökonomisch sinnvoller. Freilich: wie schwierig es ist, mit dem Erwerb
einer fremden Sprache zugleich deren Denkweisen aufzunehmen und ihr nicht diejenigen des
Deutschen überzustülpen, zeigt allein schon, daß Bücher mit den ironischen Titeln „Speak you
English?" und „Pouvez-vous frangais?" offenbar erforderlich sind
3. Westphalen formuliert die These, der Humanismus als eine Ethik, die die Würde des Menschen
thematisiert, sei eine aktuelle und dringliche Aufgabe (und Latein sei „nicht nur aufgrund seiner m-
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