den Mund gelegt („Zum mindesten solltest Du Dich damit begnügen, Deine Schande nicht unter
die Leute zu bringen, statt Unverschämtheit mit Freiheit zu verwechseln." (9))'°, doch ist er kaum
mit konkretem Inhalt zu füllen. Soweit sich ep. 117 überhaupt zu diesem Thema heranziehen läßt,
bedeutet Emanzipation Ausbrechen aus dem traditionellen Familiengefüge und selbstbestimmtes
Leben außerhalb der Norm. In dieser neuen Lebensweise zeigt sich die Frau als die Stärkere gegen-
über dem Mann und als gleichgültig gegenüber der „fama", dem Gerede der Leute. Hieronymus
beurteilt dieses Verhalten ausgesprochen negativ, es sei das Verhalten einer Dirne: „Dein Angesicht
ist das einer Buhlerin geworden, und du errötest nicht darüber."" Ziel seines Briefes ist es, das
kirchliche Virginitätsideal von Fehlformen abzugrenzen.
Nimmt man die Beobachtungen aller Arbeitsgruppen zusammen, überwiegt der Eindruck, daß Hie-
ronymus diesen Brief als literarisches Lehrstück verfaßt hat, so wie er im letzten Abschnitt selbst
sagt, er habe „die Angelegenheit schulmäßig nach den Regeln der Rhetorik behandelt"^ Indizien
sind die Anklänge an Form und Sprache einer Gerichtsrede, die Verwendung römischer Komödien-
dichter und Satiriker an den Stellen, die eine eher unernste Behandlung des Themas zeigen, die
Anklänge an bukolische Dichtung in der Szene, die auf dem Land spielt, schließlich das Fehlen einer
deutlich erkennbaren theologischen Aussage. Vielmehr beschränkt sich der Brief darauf, von den
Frauen ein Leben entsprechend römisch-christlicher Gesellschaftsnormen zu verlangen.
Zweifel an der Echtheit des Briefes kamen schon den Zeitgenossen des Hieronymus, so daß er sich
gegen den Vorwurf der Fiktionalität verteidigen muß^, was in contra V/'gr7ant/'om deutlich wird, wo
er ausdrücklich auf ep 117 Bezug nimmt. Doch auch, wenn man das berücksichtigt, bleibt es offen,
ob der Anlaß „echt" war: Hatte Hieronymus von einem Fall von Syneisaktentum dieser Art gehört,
und reagierte er in einem Brief, der zur Veröffentlichung bestimmt war, um so auf die Praxis in den
spätantiken Gemeinden Einfluß zu nehmen?
So bleiben am Schluß eher mehr Fragen als beim ersten Lesen des Briefes, doch animieren diese
Fragen zur Weiterarbeit. Der Arbeitskreis Patristik schließt sich also Hieronymus an: „Es ist ein im-
provisiertes Diktat, flüchtig beim Scheine eines kleinen Lämpchens hingeworfen, so daß die Zunge
den Händen der Schreiber vorauseilte und das flotte Diktat nur so über die Wortzeichen und Ab-
kürzungen dahineilte. Dies sei bemerkt für jene Leser, die an den Ausführungen allerhand zu be-
mängeln haben. Mögen sie wenigstens in etwa die knappe Zeit als Entschuldigung gelten las-
sen!"'"
1 Der Arbeitskreis wurde auf der 11. Internationalen Patristik-Konferenz in Oxford 1991 initiiert und trat
1992 in Mainz und 1993 in Erfurt zusammen. Ziel des Arbeitskreises ist es, Wissenschaftler aus den ge-
nannten Fächern zusammenzubringen zum Austausch über laufende Projekte und zur gemeinsamen Ar-
beit an einem patristischen Thema. Eine „Praxisecke" liefert Information über Technika, neueste Literatur
und den Stellenmarkt. Ein geselliger Tagesabschluß und das kulturelle Rahmenprogramm bieten die
Möglichkeit zum persönlichen Kennenlernen. - Die Mitarbeiter des Arbeitskreises Patristik waren:
Dr Thomas Böhm (München), Dr. Gerhard Feige (Erfurt); Heike Grieser (Lampertheim); Dr. Andreas
Hoffmann (Lüdinghausen); Dr. Theresia Hainthaler (Frankfurt); Roman Hanig (München); Andreas Kessler
(Fribourg); Stephan Kessler SJ (St. Blasien); Josef Lößl SJ (Regensburg); Dr. Hildegard König (Esslingen);
Andreas Merkt (Mainz); Dr. Susanne Müller (Sasbach); Gudrun Münch-Labacher (Ammerbuch); Dr. Georg
Schöllgen (Bonn); Gabriele Ziegler (Rottenburg).
2 Ep. 117 ist ediert in GSEL 55, 422-434; S. Jeröme, Lettres VI, ed. J. Labourt, Paris 1958, 76-87; deutsch:
BKV, 2. Reihe, Bd. 16, München 1936, 332-347.
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die Leute zu bringen, statt Unverschämtheit mit Freiheit zu verwechseln." (9))'°, doch ist er kaum
mit konkretem Inhalt zu füllen. Soweit sich ep. 117 überhaupt zu diesem Thema heranziehen läßt,
bedeutet Emanzipation Ausbrechen aus dem traditionellen Familiengefüge und selbstbestimmtes
Leben außerhalb der Norm. In dieser neuen Lebensweise zeigt sich die Frau als die Stärkere gegen-
über dem Mann und als gleichgültig gegenüber der „fama", dem Gerede der Leute. Hieronymus
beurteilt dieses Verhalten ausgesprochen negativ, es sei das Verhalten einer Dirne: „Dein Angesicht
ist das einer Buhlerin geworden, und du errötest nicht darüber."" Ziel seines Briefes ist es, das
kirchliche Virginitätsideal von Fehlformen abzugrenzen.
Nimmt man die Beobachtungen aller Arbeitsgruppen zusammen, überwiegt der Eindruck, daß Hie-
ronymus diesen Brief als literarisches Lehrstück verfaßt hat, so wie er im letzten Abschnitt selbst
sagt, er habe „die Angelegenheit schulmäßig nach den Regeln der Rhetorik behandelt"^ Indizien
sind die Anklänge an Form und Sprache einer Gerichtsrede, die Verwendung römischer Komödien-
dichter und Satiriker an den Stellen, die eine eher unernste Behandlung des Themas zeigen, die
Anklänge an bukolische Dichtung in der Szene, die auf dem Land spielt, schließlich das Fehlen einer
deutlich erkennbaren theologischen Aussage. Vielmehr beschränkt sich der Brief darauf, von den
Frauen ein Leben entsprechend römisch-christlicher Gesellschaftsnormen zu verlangen.
Zweifel an der Echtheit des Briefes kamen schon den Zeitgenossen des Hieronymus, so daß er sich
gegen den Vorwurf der Fiktionalität verteidigen muß^, was in contra V/'gr7ant/'om deutlich wird, wo
er ausdrücklich auf ep 117 Bezug nimmt. Doch auch, wenn man das berücksichtigt, bleibt es offen,
ob der Anlaß „echt" war: Hatte Hieronymus von einem Fall von Syneisaktentum dieser Art gehört,
und reagierte er in einem Brief, der zur Veröffentlichung bestimmt war, um so auf die Praxis in den
spätantiken Gemeinden Einfluß zu nehmen?
So bleiben am Schluß eher mehr Fragen als beim ersten Lesen des Briefes, doch animieren diese
Fragen zur Weiterarbeit. Der Arbeitskreis Patristik schließt sich also Hieronymus an: „Es ist ein im-
provisiertes Diktat, flüchtig beim Scheine eines kleinen Lämpchens hingeworfen, so daß die Zunge
den Händen der Schreiber vorauseilte und das flotte Diktat nur so über die Wortzeichen und Ab-
kürzungen dahineilte. Dies sei bemerkt für jene Leser, die an den Ausführungen allerhand zu be-
mängeln haben. Mögen sie wenigstens in etwa die knappe Zeit als Entschuldigung gelten las-
sen!"'"
1 Der Arbeitskreis wurde auf der 11. Internationalen Patristik-Konferenz in Oxford 1991 initiiert und trat
1992 in Mainz und 1993 in Erfurt zusammen. Ziel des Arbeitskreises ist es, Wissenschaftler aus den ge-
nannten Fächern zusammenzubringen zum Austausch über laufende Projekte und zur gemeinsamen Ar-
beit an einem patristischen Thema. Eine „Praxisecke" liefert Information über Technika, neueste Literatur
und den Stellenmarkt. Ein geselliger Tagesabschluß und das kulturelle Rahmenprogramm bieten die
Möglichkeit zum persönlichen Kennenlernen. - Die Mitarbeiter des Arbeitskreises Patristik waren:
Dr Thomas Böhm (München), Dr. Gerhard Feige (Erfurt); Heike Grieser (Lampertheim); Dr. Andreas
Hoffmann (Lüdinghausen); Dr. Theresia Hainthaler (Frankfurt); Roman Hanig (München); Andreas Kessler
(Fribourg); Stephan Kessler SJ (St. Blasien); Josef Lößl SJ (Regensburg); Dr. Hildegard König (Esslingen);
Andreas Merkt (Mainz); Dr. Susanne Müller (Sasbach); Gudrun Münch-Labacher (Ammerbuch); Dr. Georg
Schöllgen (Bonn); Gabriele Ziegler (Rottenburg).
2 Ep. 117 ist ediert in GSEL 55, 422-434; S. Jeröme, Lettres VI, ed. J. Labourt, Paris 1958, 76-87; deutsch:
BKV, 2. Reihe, Bd. 16, München 1936, 332-347.
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