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Meder, Joseph
Die Handzeichnung: ihre Technik und Entwicklung — Wien, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.9755#0243
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208

Des Künstlers Laufbahn.

erweiterten sich die farbentechnischen Erfahrungen durch' Notieren bewährter
Rezepte und ebenso die koloristischen Kenntnisse durch fleißiges Kopieren nach
guten Meistern1. Vieles Schauen und Erleben, scharfes Beobachten, gegen*
seitiges Mitteilen und eigenes Versuchen mußten zur Vervollkommnung des
Kunsthandwerkes und zur Verfeinerung des Kunstintellektes, zur Pratica und
Scienza führen.

Unterricht. Und mitten durch zogen sich auf der langen Bahn Gildenunterricht, Meister*
schulen, private und öffentliche Akademien, immer im Anschluß an die zeit*
liehen oder lokalen Fortschritte, erweitert durch theoretische und praktische
Studien, unterstützt durch verbesserte Behelfe, aber auch begleitet von allen
Fehlern einseitiger Richtungen. Weil die Anforderungen in Kunstzentren wie
Florenz, Rom, Venedig, Bologna unter dem Drange vielgestaltiger Aufträge
und bei der großen Meisteranzahl gegenüber stillen Provinzwerkstätten, zumal
im Norden, mehr von einem fortschrittlichen Geiste getragen und wesentlich
gesteigert waren, gab es hier Zulauf von allen Seiten. Schon die Konkurrenz
der Meisterschulen untereinander erzeugte durch allerlei Einrichtungen geförderte
Methoden, so daß der Sitz einzelner Malergenies zum Sammelpunkte und zur
hohen Schule wurde, wo die lernbegierige und immer aufs neue angelockte
Jugend ihre erwachenden Kräfte nährte.

Literarische Nur mit Vorbehalt gingen die anfänglich bloß handschriftlich existierenden
Behelfe. Malerbücher, Trattati, Precetti, Prospettiven, oft nur in wenigen Abschriften
vorhanden, von Hand zu Hand, bis die schon im 15. Jahrhundert beginnende
und rasch ansteigende Druckliteratur zum lebendigen Quell allgemeiner Belehrung
wurde. Bald Architektur, Skulptur und Malerei umfassend, bald nur das eine
oder andere spezialisierend, bald rein handwerklich und technisch, bald wieder
nur ideellen oder ästhetischen Inhalts, wuchsen diese Lehrwerke durch drei
aufeinanderfolgende Jahrhunderte bei allen Kunstnationen zu einer Stoffülle an,
die der Nachwelt einen klaren Einblick in die Werkstätten und den Geist
jener Zeiten zu vermitteln vermochte. Alle überragte Leonardo in seinem
Libro di pittura an Reichtum der Erfahrungen, Feinheit der Beobachtungen,
Selbständigkeit des Urteils und Klarheit des Ausdruckes — ein wohltuender
Gegensatz zu der im folgenden Säkulum ersichtlichen «Neigung zum geists
reichen Theoretisieren«2. Damit verbunden oder in selbständigen Folgen er*
schienen TafeL und Vorlagenwerke jeder Art, Paradigmata, Künstleranatomien,
Proportionstabellen, Zeichenschulen für Figuren, Tiere und Landschaften, ge-
stochen und radiert, die den Jungen zur Einübung, den Alten als anregende
Formenschätze dienen sollten.
Soziale Nicht minder vielgestaltig als das Ringen des einzelnen Künstlers um die

Stell ung. Palme der Meisterschaft und der VC^etteifer ganzer Nationen um die Erreichung

'So lesen wir in den Eintragungen eines alten Meisters aus dem 15. Jahrhundert:
«Dis ist von varwen, die mich lehrt Meister Heinrich von Lübegge», oder »Dis lehrt mich
Meister Andres von Colmar». (Ms. in der öffentl. Bibliothek zu Straßburg, A. VI, Nr. 19,
mitgeteilt bei Ch. L. Eastlake, Beiträge, S. 68.)

2 Vgl. die bereits zitierten kritischen Hefte J. v. Schlossers über das reiche Quellens
material: Materialien zur Quellenkunde der Kunstgeschichte. — Birc'hsHirschfeld, Die Lehre
von der Malerei im Cinquecento, Rom 1912, S. 7 ff.
 
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