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Des Künstlers Laufbahn.

A LLGEMEINES. Die allmähliche künstlerische Erziehung, wie sie sich
in Werkstätten, Meisterschulen und Akademien von Jahrhundert zu Jahr*
hundert entwickelte, zunächst unter dem Zwange handwerksmäßiger Gilden«
einrichtungen, dann aber unter dem frischen Hauch errungener Freiheiten,
neuer Probleme, Kunstrichtungen und technischer Mittel, soll nur im Fluge
und ohne theoretisch«pädagogische Erörterung markiert werden. Es müssen
an der Hand von lokalen und nationalen Beispielen Hinweise genügen, wie
der Malerjunge seine Lehrzeit begann, von Stufe zu Stufe schritt und der
Gehilfe sich auf dem Wege der Selbsterziehung zum Meistertum vorbereitete.

Ein wundersames Zusammenarbeiten von inneren und äußeren Kräften läßt Äußere
im Schicksale des Einzelnen wie ganzer Nationen zwar ein stetes Aufstreben Bedingung
erkennen, aber nicht immer reichten Talent und Temperament allein aus, an gcn'
die lichten Höhen heranzukommen. Wie viele verkümmerten in der Dürre
ihrer Umgebung, denn die Kunst wollte allezeit zur Menschheit reden und
nicht in der Werkstatt verderben. Nur wo große nationale Aufgaben, pracht«
liebende Fürsten und ein nacheiferndes Bürgertum dem künstlerischen Tatens
trieb Zweck und Richtung gaben, dort erstanden Werke von dauerndem Wert,
vorbildliche Meister und Schulen, neue Anschauungen und technische Aus«
drucksmittel, die abermals den Ausgangspunkt für ein weiteres Ausgreifen
nach ferne gelegenen Zielen ermöglichten.

Und wie erst die Sonne der Gunst die Talente zum Reifen, alles Mühen Geistige
und Schaffen nach außen zum Gedeihen brachte, so mußten zum geruhsam Fortschritte,
traditionellen Wirken in der Werkstatt die befreite Phantasie und das Wissen
treten. Ruckweise erschienen neben den ererbten Regeln die geklärten Er«
kenntnisse der Form, deren freie Gestaltung vom Standpunkte neuer Errungen«
schaften. Die Entdeckung der Perspektive sowie die Einführung der Anatomie
wurden zu Ereignissen, die alles Überlieferte erschütterten und umformten.
Ihre segensreichen Wirkungen drangen in alle Zweige der Kunst und erfüllten
die toten Gebilde mit Leben. Der Verkehr der Künstler mit den Dichtern
alter und ihrer Zeit erweckte neben der allein geltenden religiösen Kunst die
Profankunst, die wieder zu neuen Gesetzen und Ausdrucksweisen führte. Die
Eroberung der freien Natur in Wald und Feld — und selbst auch für die
Altartafel — verfeinerte die koloristischen Empfindungen und lieferte neue
Farbenwerte. Das fröhliche Wandern von Gesell und Meister durch Städte
und Lande vermittelte das Fremde, Wunderbare, nährte die Phantasie und füllte
die Reisebücher mit Formnotizen und Erinnerungen für ein ganzes Leben. Hier
 
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