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Meder, Joseph
Die Handzeichnung: ihre Technik und Entwicklung — Wien, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.9755#0590
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Werkstattbehelfe.

Alle die hier in Betracht kommenden Apparate, Behelfe, Gerätschaften
wurden bereits in den einzelnen Kapiteln gestreift. Es erübrigt noch, sie in
ihrer historischen Entwicklung in kurzen Zügen zu behandeln. Alle dienten
dem leichteren Erfassen der Formen des menschlichen Körpers und der Natur.

Nach VELO', Intersegazione, Lamma — Schleierapparat, Querschnitt.

Albcrti. Nur der reinen Erfinderfreude ist es zugute zu halten, wenn sich Alberti über
das Velo so lobend äußert. Wenn er aber sagt: «Ich werde nicht auf diejenis
gen hören, welche meinen, es gezieme dem Maler wenig, sich solcher Dinge
zu bedienen», kann man schließen, daß schon seine Zeitgenossen ihm nicht
allgemeine Anerkennung zollten. Seine Erfindung war eine gewissermaßen ins
Praktische übersetzte Bildebene. Ein gazeartiger, gut durchsichtiger Stoff von
beliebiger Farbe, zwischen dem Zeichner und dem Objekte vertikal gespannt
— wie, sagt er nicht, doch jedenfalls an einem Rahmen — und mittels starker,

Vorteile. gezogener Fäden in Quadrate geteilt, bildete die Vorrichtung. Der Haupt?

vorteil bestand nach Alberti darin, dem zu zeichnenden Objekte immer dieselbe
Ansicht abzugewinnen, also absolut richtige Umrisse zu erhalten, ferner die
Erwerbung der perspektivischen Erkenntnis, daß mit jeder größeren Entfernung
des Auges vom Velo ein kleineres Bild entstehe (S. 100). Um den Standpunkt
zu fixieren, wurden im Beginne auf dem Schleier selbst zunächst einzelne Um?
risse des durchscheinenden Körpers markiert. Dann erfolgte mit Hilfe des
Fadennetzes das genaue Zeichnen der Figur auf der Tafel oder Wandfläche.
Eine Zwischenzeichnung wird merkwürdigerweise nicht erwähnt. Nach Leonardo,
der den Schleierrahmen ablehnt, scheint auch die Gepflogenheit geherrscht zu
haben, auf der transparenten Fläche direkt fertig zu profilieren (§ 39).

In einer Zeit, wo das Erfassen menschlicher Formen am lebenden Modell
oder an der Antike eine große Rolle spielte und der reine Umriß als strenge
Regel galt, bot das Velo für Anfänger eine Art Unterstützung. Noch 1549
wird in dem Werke «Von der hochedlen Malerei und ihrer Kunstübung» des
venezianischen Chirurgen Michelangelo Biondo das Velo (fein gesponnene
und durchsichtig gewebte Wolle) mit einem Fadennetz von dickerer Wolle
unter der Bezeichnung Lamma gepriesen2.

1 Über die Priorität der Erfindung vgl. Alberti, S. 237, Anm. 43 und Vas. Mil. II, 540
und n. 3. - Rivius 1. III, fol.° 4a. - MandersHoecker, S. 61, 105. Mit Unrecht erkennt
Hoecker in den Proportionsnetzen Ghibertis bereits die Anwendung eines Velo (a. a. O.
S. 410 n. 59). Die Bezeichnung Schleierapparat ist in der Literatur nicht üblich, ich finde
sie indessen weit passender als die nichtssagende Ubersetzung des Wortes Velo. In ganz
anderer Bedeutung, und zwar im Sinne eines Kopierapparates findet der Ausdruck Velo
bei Volpato Erwähnung (Merrifield II, 737). Ebenso Baldinucci, Voc. p. 85, velo nero.

2 In Quellenschr. f. Kunstgesch. V, S. 25 f.
 
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