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Meder, Joseph
Die Handzeichnung: ihre Technik und Entwicklung — Wien, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.9755#0183
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Die Pinselzeichnung.

Allgemeines. J- inselzeichnungen, ein weites, sich über alle Stilperioden erstreckendes Gebiet,
umfassen alle Arten von Kompositionen und Studien. Es lag in der Natur
künstlerischen Gehabens, jenes Werkzeug, das in der Hand des Malers die
erste Rolle spielte, auch rein zeichnerisch anzuwenden und seine lineare Be«
stimmtheit oder breitflächige Geschlossenheit auszunützen. Außer der Feder war
kein Ausdrucksmittel mehr befähigt, den Zeitstil deutlicher und stärker auszu«
sprechen, jenen plastischer Klarheit, wie den zusammenfließender Fleckenwirkung.
Jahrhunderte lang hatte die Pinselzeichnung, bevor sie als zeichnerische Vorstufe
in Erscheinung treten konnte, in primitiven Darstellungen auf der Mauer,
auf Holz, Vasen, Pergament eine ausgedehnte selbständige Entwicklung
gefunden, und als sie uns zum ersten Male in Vorarbeiten begegnete, ließ ihr
Gepräge noch deutlich ihr Herkommen erschließen. Zur Pinselzeichnung im
landläufigen Wortsinn wurde sie erst in der Frührenaissance, indem sie den
Entwurf auf geglätteten Gipsschichten (Tafeln) gleich dem Griffel feststellte,
oder, eine weitere Stufe, Köpfe oder sonstiges Detail auf Papierbogen vor*
zeichnete (Abb. 52, 331, 183, 194). Den Höhepunkt erreichte sie durch die
Übernahme rein malerischer Aufgaben innerhalb der Licht« und Raumforde«
rungen bei Kompositionen und Einzelstudien. Aber nur dem formgewandten
Meister wurde sie zum dankbaren Behelf, wenn der rasche Darstellung, Aus«
drucksfähigkeit und malerische Erscheinung heischenden Phantasie auch die
sichere Gestaltung zur Verfügung stand.

Merkmale. Rein technisch genommen, umfaßt die Pinselzeichnung eine bunte Gruppe
mit allerlei Übergängen. Bald streng linear, bald lavierend im Anschluß an
die Feder, bald als Beherrscherin von Licht und Schatten virtuos klecksend,
erlebt sie, von der Miniaturmalerei ausgehend, Steigerungen bis zum modern«
sten Aquarell und Gouache. Es gibt daher viele Zwischenstufen und nicht
immer ist es auf den ersten Blick ersichtlich, ob wir eine ausgesprochene
Pinselzeichnung vor uns haben. Das Prävalierende wird Ausschlag geben.
In einer richtigen Pinselzeichnung sind die Entwurfslinien in Feder oder Kreide
auf das Allernotwendigste beschränkt oder überhaupt nicht mehr vorhanden.
Das Unterscheiden feiner Pinselstriche von Federzügen wird für einen Zeichner
nie schwer sein. Beschreibende Worte würden hier nicht viel helfen.

Diese allgemeine Charakteristik erleidet noch innerhalb der Hauptstufen —
wir unterscheiden deren drei — vielfach schulmäßige und provinzielle Diffe«
renzierungen. Es gab Künstler, bei denen sich alle drei Stufen geltend machten.
Dürer war Miniaturist, Linearplastiker und Impressionist.
 
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