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Meder, Joseph
Die Handzeichnung: ihre Technik und Entwicklung — Wien, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.9755#0607
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I. Körperplastik.

Allg EMEINES. Jede zeichnerische Funktion suchte zuerst Formgrenzen Umriß,
und dann Flächenbildung. Nach einer gewissen Entwicklung wirkten beide
zusammen, dem Körper Umriß und Rundung verleihend; indes gab es wieders
kehrende Perioden, wo die erstere sich selbst genügte, dann wieder Übergänge,
wo die zweite allein bestehen zu können glaubte.

Die den Kontur gestaltende Linie erscheint, ihrer Entwicklung entsprechend,

1. als unfrei, weil ohne Formverständnis, empfindungslos, hart, aber uns
befangen;

2. als vollendet, der klarsten Formvorstellung entsprungen, von Phantasie
und Empfindung geleitet und von geschulten Augen und Händen geführt;

3. entwickelt, aber leer, weil nur auf Nachahmung gegebener Vorlagen
beruhend. Übergänge von einer Ausdrucksweise zur andern finden sich im
Werdegang des Einzelnen sowie ganzer Perioden.

Die plastische Flächenbildung unterliegt einzig dem Gesetze der Lichts Rundung.
Wirkung, die bald schematisch einseitig, bald im Sinne malerischer Absichten
mit allerlei Gegensätzen, Helldunkeleffekten und Reflexen auftritt. Für die erste
Art reichte das einfache Verstärken der Schattenseite, das lineare Schattieren,
parallel oder übereinander gelegt, vollkommen aus; dagegen erforderte die
zweite die Mithilfe des flächig gestaltenden Pinsels. Nach diesen hier vereinfacht
formulierten Gesichtspunkten vollzog sich das durch Jahrhunderte stets neu
erlebte Erschauen alles Körperlichen und das nie ermüdende Versuchen, dasselbe
immer wieder eigenartig auszudrücken.

Von den bereits erwähnten paläologischen Zeichnungen abgesehen, betätigte Die Skulptur
sich noch zur Zeit einer schon entwickelten Kunst eine Art graphische Skulptur, a's Lehrerin,
ein lineares Formbilden in harter Fläche, auf Sands oder Kalksteinplatten. Um
die mit der notwendigsten Innengliederung versehenen Figuren weithin sichtbar
zu machen, vertiefte man alle Hauptkonturen derart, daß sie in der Tages*
beleuchtung von selbst Lichts und Schattenseiten ergaben. Verstärkt wurde die
Wirkung, als man die umrissene Fläche noch mit Erdfarben bemalte. Diese
rein bildhauerische Erfahrung wiederholte sich, indem man in nachahmender
Weise festkonturierte Figuren mit Farben auf der Wand, auf Tafeln oder
Pergament zeichnete und flächig anlegte. Bei etwas Innenzeichnung traten
diese formbildenden Silhouetten aus dem leeren Hintergrunde und regten die
Phantasie des damaligen Beschauers vielleicht besser an als jene mit dem
Meißel gegrabenen Gestalten. Kam das Runde auch noch nicht zur Geltung,
so wirkte der farbig zusammengefaßte strenge Kontur unter Heranziehung
charakteristischer Behelfe, wie Profilstellung, typisches Anbringen beider Arme,
sowie des leeren oder gegensätzlichen Hintergrundes bereits Raum andeutend.

MeJer, Handzeichnung. 2. Aufl.

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