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Körperplastik.
Auch die nächste zeichnerische Stufe, die Andeutung des Runden selbst,
bedeutete in der Flächendarstellung nichts anderes als eine graphische Nach;
ahmung der weiter entwickelten Tief* und Flachreliefs. So wie dieselben zunächst
durch ein rundendes Herausschaben der Steinfläche innerhalb der Umrisse
(Abb. 265)1 oder gar durch Beseitigung aller die Figur außerhalb umschließenden
Materialschichten zu einer Lichts und Schattenseiten enthaltenden, also
flachplastischen Erscheinung umgewandelt wurden, so ahmte man diese
äußeren Kennzeichen in der Malerei auf einfacherem Wege in der Weise nach,
daß man die Konturen schattenseitig mit derselben Farbe verstärkte und die
Lichtseite durch einen hellen Strei;
fen andeutete.
Und wie man im Relief Hand;
lungen durch Aneinanderreihen
agierender Profilfiguren zur Dar;
Stellung brachte, so stellte man mit
dem Pinsel auch an den Wänden
der Tempel und Grabkammern
Silhouettenreihen auf mit gleicher
Andeutung flacher Körperwirkung
nach Art der Kalksteingebilde.
Man war in dem Bestreben, das
langwierige Bearbeiten großer
Steinflächen zu ersparen, erfinde;
risch geworden und ließ in Innen;
räumen die handsamere Malerei
allmählich an die Stelle der Skulp;
tur treten.
Dieser ökonomische Gewinn
bedeutete gleichzeitig einen fun;
damentalen Fortschritt der Male;
Abb. 265. Bemaltes ägyptisches Tiefrelief. rei selbst, und welche Vervoll;
kommnung das Skulpturrelief
auch immer gewann, notgedrungen folgte sie dessen Entwicklungsstufen. Die
Schichtenkompositionen des 14. Jahrhunderts stehen noch in Zeichnung und
Bild unter derartigen Einflüssen und nicht minder die auf die Silhouette heraus;
gearbeitete Einzelfigur. Selbst die Vollplastik in ihrer Vollendung blieb noch
vielfach eine sichere Führerin ihrer Schwesterkunst. Die Form sieht und erkennt
nur der am besten, der sie von allen Seiten mit hellen Augen zu erfassen
Gelegenheit hat. Kaum hätte die Flächenkunst allein jemals den überzeugenden,
sinnlichen Eindruck, die Greifbarkeit des Dargestellten errungen. Und nur
von diesem Gesichtspunkte aus eröffnen sich die Einblicke in das Dunkel,
aus dem die Zeichnung in die Erscheinung trat, sowie in ihre weiteren Bahnen,
als sie den Körper als Körper darzustellen suchte, als sie vom Räume Besitz
1 Aus Springer, Kunstgesch. I, Abb. 99. Bemalte Reliefskizze, Berlin: Amenophis IV.
und seine Gemahlin.
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Körperplastik.
Auch die nächste zeichnerische Stufe, die Andeutung des Runden selbst,
bedeutete in der Flächendarstellung nichts anderes als eine graphische Nach;
ahmung der weiter entwickelten Tief* und Flachreliefs. So wie dieselben zunächst
durch ein rundendes Herausschaben der Steinfläche innerhalb der Umrisse
(Abb. 265)1 oder gar durch Beseitigung aller die Figur außerhalb umschließenden
Materialschichten zu einer Lichts und Schattenseiten enthaltenden, also
flachplastischen Erscheinung umgewandelt wurden, so ahmte man diese
äußeren Kennzeichen in der Malerei auf einfacherem Wege in der Weise nach,
daß man die Konturen schattenseitig mit derselben Farbe verstärkte und die
Lichtseite durch einen hellen Strei;
fen andeutete.
Und wie man im Relief Hand;
lungen durch Aneinanderreihen
agierender Profilfiguren zur Dar;
Stellung brachte, so stellte man mit
dem Pinsel auch an den Wänden
der Tempel und Grabkammern
Silhouettenreihen auf mit gleicher
Andeutung flacher Körperwirkung
nach Art der Kalksteingebilde.
Man war in dem Bestreben, das
langwierige Bearbeiten großer
Steinflächen zu ersparen, erfinde;
risch geworden und ließ in Innen;
räumen die handsamere Malerei
allmählich an die Stelle der Skulp;
tur treten.
Dieser ökonomische Gewinn
bedeutete gleichzeitig einen fun;
damentalen Fortschritt der Male;
Abb. 265. Bemaltes ägyptisches Tiefrelief. rei selbst, und welche Vervoll;
kommnung das Skulpturrelief
auch immer gewann, notgedrungen folgte sie dessen Entwicklungsstufen. Die
Schichtenkompositionen des 14. Jahrhunderts stehen noch in Zeichnung und
Bild unter derartigen Einflüssen und nicht minder die auf die Silhouette heraus;
gearbeitete Einzelfigur. Selbst die Vollplastik in ihrer Vollendung blieb noch
vielfach eine sichere Führerin ihrer Schwesterkunst. Die Form sieht und erkennt
nur der am besten, der sie von allen Seiten mit hellen Augen zu erfassen
Gelegenheit hat. Kaum hätte die Flächenkunst allein jemals den überzeugenden,
sinnlichen Eindruck, die Greifbarkeit des Dargestellten errungen. Und nur
von diesem Gesichtspunkte aus eröffnen sich die Einblicke in das Dunkel,
aus dem die Zeichnung in die Erscheinung trat, sowie in ihre weiteren Bahnen,
als sie den Körper als Körper darzustellen suchte, als sie vom Räume Besitz
1 Aus Springer, Kunstgesch. I, Abb. 99. Bemalte Reliefskizze, Berlin: Amenophis IV.
und seine Gemahlin.
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