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Meder, Joseph
Die Handzeichnung: ihre Technik und Entwicklung — Wien, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.9755#0705
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Kopie, Pasticcio und Fälschung.

Nach Zcichs Ko PIEN. Nach dem im Kapitel .Zeichnerische Vorstufen' behandelten
nungen. Entwicklungsgang eines Künstlers darf es nicht Wunder nehmen, wenn sich
heute in guten alten Sammlungen wie auch in kleineren Privatkollektionen eine
recht beträchtliche Anzahl von Zeichnungen zu dem Kopienmateriale bekennen
muß, einem Material, das leider von Jahr zu Jahr immer bedenklicher anschwillt1.
So manche «Perle» vornehmen Besitzes, durch Jahrhunderte geschätzt, gut gefaßt
und gesichert, entpuppte sich eines Tages dem kritischen Auge als Nachzeichnung.
Das heutige exakte Studium, ein reicher photographischer Vergleichsapparat sowie
weitgehende Forschungen auf dem Gebiete der Gemäldekunde reißen manche erste
Namen in den Staub und bereiten der betreffenden Musealleitung — bei aller Liebe
zur Wahrheit — mitunter recht wehmütige Stunden. Und gerade die alten nors
dischen Sammlungen haben an diesen traurigen Erfahrungen viel voraus. Die
Gesichtspunkte ihrer Gründer waren oft einseitige, die Fachkenntnis eine geringe,
geriebene Vermittler meist die Berater der übereifrigen Liebhaber. Man ging auf
Berühmtheiten aus und bevorzugte fleißig ausgeführte Zeichnungen, von der irre«
führenden Meinung befangen, daß alle Großen auch Freunde eines peinlichen
Pinsels oder eines minutiös zeichnenden Stiftes gewesen seien und daß gerade
hierin ihre Meisterschaft liege. Daher kommt es, daß eine so berühmte Samm«
lung wie die Albertina in ihrem alten Inventar an 126 RaffaebZeichnungen
anführt, in "Wirklichkeit aber kaum 20 Originale aufzuweisen vermag. Bei solchen
Opferungen auf dem Altare der Kritik darf man es als ein Glück bezeichnen,
wenn aus Meisterzeichnungen Schülerwerke werden und wenn sich von dem
Typus eines großen Schulhauptes, der sich im Laufe der Zeit durch Vermischung
seiner Arbeiten mit jenen seiner Jünger und Nachahmer getrübt — allmählich
die verschiedenen Einzelkräfte wieder ablösen. Es vergeht kein Jahr, daß nicht
von dem Gesamtwerk Rembrandts Blätter abgestrichen und einem Schüler oder
gar einem Kopisten zugeteilt werden. Auch ein Künstler wie Altdorfer, immers
hin ein Schulhaupt, mußte in den letzten Dezennien Zeichnungen an wieder«
erstandene Schüler wie Wolf Huber, Meister I. Z. u. a. abgeben.
Original Es soll daher bei jedem Spezialstudium eines Meisters, bei der strengen

oder Kopie. Fixierung seiner Werke, wozu heute mehr als je das Handzeichnungenmaterial
herangezogen wird, stets die kritische Frage vorangestellt werden, ob Originale,
Kopien oder Nachahmungen vorliegen. Gerade in dem ausgedehnten, un«
übersichtlichen und daher so wenig durchgearbeiteten Gebiete der Zeichnungen

1 Die Leipziger Stadtbibliothek enthält nicht weniger als 2<?Bde. Nach Zeichnungen.
K. Cassierer, Die Handzeichnungensammlung Pacetti (Jahrb. d. pr. Ks. 43. S. 75).
 
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