Die gestohlene Rose.
Amandus Meier war in heißer
Liebe für ein ^.Nädchen ent-
brannt, wie es natürlich schöner
auf dieser N)elt überhaupt
nicht mehr existierte. Line
schlanke reizende Gestalt, j)fir-
fichlippen, Rosenwangen, Veil-
chenaugen, Goldlocken und eine
Gngelsseele — kein lvunder,
daß Amandus am Morgen
ihres Geburtstags nnt
Kchweißperlen aus der Äirne
durch die ganze ötadt lief,
um einen Gegenstand zu fin-
den, der würdig gewesen wäre,
ihr geschenkt zu werden, ohne
daß ihm dies gelmgen wollte,
denn Alles, Allcs war ja
j)Iunder, wenn er an die lserr-
liche dachte — und wenn ihm
einmal etwas kein j)Iunder
geschienen hätte, dann war
sein Beutel nicht voll genug,
um dieses Aleinod zu erstehen.
Da plötzlich kam er an das Glashäuschen
einer Blumenhändlerin und süßduftend und lockend
wehte ihm an zartem chtöckchen eine aufgeblühte
jDurpurrose entgegen, wie er sie schöner noch
niemals gesehen zu haben glaubte.
ksinstürzen, nach dein j)reise fragen, diesen
bezahlen und dann mit dem erbeuteten Lchatze
dem Heim seiner Angebeteten zu eilen — war die
That einer Minute.
Doch mit einem Biale hielt er inne. chchickte
es sich denn, daß er das kleine Geschenk selbst
überbrachte? lvar es nicht vielmehr weit feiner,
wenn er einen Dienstmann nahm und seine Holde
nur erraten ließ —
sie mußte es ja doch
sosort erraten l — von
wem die reizende
Blüte kam?
Gedacht —ge-
than!
An der nächsten
Lcke stand in der
chonnenglut halb ver-
schmachtend ein blau-
bejackter j)ackträger,
der eben begehrlich
nach dem „roten
Hahn"hinüberschielte,
als sich Bleiers Lsand
schwer auf seine Schulter legte. Nicht
vertraute der Iüngling dem Boten seinen Schatz
an; aber da dieser mit glaubwürdigster Miene
mehrere Lide schwor, daß er das Stöckchen weder
unterschlagen noch damit zusammenstürzen, an-
rempeln oder die Adresse verfehlen wolle, ent-
schloß sich Amandus, ihn zum Ueberbringer der
holden Gabe zu ernennen, und blickte, nachdem
er fich noch eine Schadensgarantiemarke hatte ein-
händigen lassen, beruhigter hinter dem würdevoll
abtretenden Dienstmanne her, dessen Gewissenhaf-
tigkeit eben so groß war wie sein Durst.
Dann eilte Nkeier auf einem Umwege gleich-
falls der lvohnung seiner Angebeteten zu, um zu
sehen, ob der Bote richtig ankäme, und um sodann
in der Nähe der holden sich dic Seligkeit reckit
lebhaft vvrstellen zu könncn, mit der sie an seincr
Rose — roch.
Schon war der glutbeflügelte Iüngling bis
auf zweihundert Schritte an die Behausung seines
Gngels herangekommen, als er, durch ein abge-
legenes Seitengäßchen eilend, plötzlich anhielt.
Das schattige, mit einer dichten Hecke um-
rankte Gärtchen eines kleinen Gasthauses mündete
in diese Gasse und kein §aut drang von den we-
nigen Gästen, welche sich innen still dem Trunke
ergaben, zu dem Lauscher heraus. Seine Augen
aber starrten groß und gierig auf eine herrlichc
Rose, welche durch eine kleine Lücke des Buschwerks
auf die Straße heraussah und verlockend im sans-
ten lvinde wehte gerade wie —
Ha, wie ein Blitz fuhr ihm der Gedanke
durch den Aopf: lvenn du auch diese da noch
hättest, wenn du mit ihr in der bsand vor die
holde hintreten könntest, um ihr voll das zu sagen,
worauf sie das Stöckchen schon vorbereitet hat.
Ts wirbelte ihm vor den Augen, er wußte
nicht mehr, was er that — er riß das Taschen-
meffer heraus — wupp, weg war sie, und
mit der Beute stürzte er wie ein gehetztes Reh
davon.
Aber innen ertönte ein wütender Racheschrei
wie von einer Löwenmutter, der man das Iunge
Amandus Meier war in heißer
Liebe für ein ^.Nädchen ent-
brannt, wie es natürlich schöner
auf dieser N)elt überhaupt
nicht mehr existierte. Line
schlanke reizende Gestalt, j)fir-
fichlippen, Rosenwangen, Veil-
chenaugen, Goldlocken und eine
Gngelsseele — kein lvunder,
daß Amandus am Morgen
ihres Geburtstags nnt
Kchweißperlen aus der Äirne
durch die ganze ötadt lief,
um einen Gegenstand zu fin-
den, der würdig gewesen wäre,
ihr geschenkt zu werden, ohne
daß ihm dies gelmgen wollte,
denn Alles, Allcs war ja
j)Iunder, wenn er an die lserr-
liche dachte — und wenn ihm
einmal etwas kein j)Iunder
geschienen hätte, dann war
sein Beutel nicht voll genug,
um dieses Aleinod zu erstehen.
Da plötzlich kam er an das Glashäuschen
einer Blumenhändlerin und süßduftend und lockend
wehte ihm an zartem chtöckchen eine aufgeblühte
jDurpurrose entgegen, wie er sie schöner noch
niemals gesehen zu haben glaubte.
ksinstürzen, nach dein j)reise fragen, diesen
bezahlen und dann mit dem erbeuteten Lchatze
dem Heim seiner Angebeteten zu eilen — war die
That einer Minute.
Doch mit einem Biale hielt er inne. chchickte
es sich denn, daß er das kleine Geschenk selbst
überbrachte? lvar es nicht vielmehr weit feiner,
wenn er einen Dienstmann nahm und seine Holde
nur erraten ließ —
sie mußte es ja doch
sosort erraten l — von
wem die reizende
Blüte kam?
Gedacht —ge-
than!
An der nächsten
Lcke stand in der
chonnenglut halb ver-
schmachtend ein blau-
bejackter j)ackträger,
der eben begehrlich
nach dem „roten
Hahn"hinüberschielte,
als sich Bleiers Lsand
schwer auf seine Schulter legte. Nicht
vertraute der Iüngling dem Boten seinen Schatz
an; aber da dieser mit glaubwürdigster Miene
mehrere Lide schwor, daß er das Stöckchen weder
unterschlagen noch damit zusammenstürzen, an-
rempeln oder die Adresse verfehlen wolle, ent-
schloß sich Amandus, ihn zum Ueberbringer der
holden Gabe zu ernennen, und blickte, nachdem
er fich noch eine Schadensgarantiemarke hatte ein-
händigen lassen, beruhigter hinter dem würdevoll
abtretenden Dienstmanne her, dessen Gewissenhaf-
tigkeit eben so groß war wie sein Durst.
Dann eilte Nkeier auf einem Umwege gleich-
falls der lvohnung seiner Angebeteten zu, um zu
sehen, ob der Bote richtig ankäme, und um sodann
in der Nähe der holden sich dic Seligkeit reckit
lebhaft vvrstellen zu könncn, mit der sie an seincr
Rose — roch.
Schon war der glutbeflügelte Iüngling bis
auf zweihundert Schritte an die Behausung seines
Gngels herangekommen, als er, durch ein abge-
legenes Seitengäßchen eilend, plötzlich anhielt.
Das schattige, mit einer dichten Hecke um-
rankte Gärtchen eines kleinen Gasthauses mündete
in diese Gasse und kein §aut drang von den we-
nigen Gästen, welche sich innen still dem Trunke
ergaben, zu dem Lauscher heraus. Seine Augen
aber starrten groß und gierig auf eine herrlichc
Rose, welche durch eine kleine Lücke des Buschwerks
auf die Straße heraussah und verlockend im sans-
ten lvinde wehte gerade wie —
Ha, wie ein Blitz fuhr ihm der Gedanke
durch den Aopf: lvenn du auch diese da noch
hättest, wenn du mit ihr in der bsand vor die
holde hintreten könntest, um ihr voll das zu sagen,
worauf sie das Stöckchen schon vorbereitet hat.
Ts wirbelte ihm vor den Augen, er wußte
nicht mehr, was er that — er riß das Taschen-
meffer heraus — wupp, weg war sie, und
mit der Beute stürzte er wie ein gehetztes Reh
davon.
Aber innen ertönte ein wütender Racheschrei
wie von einer Löwenmutter, der man das Iunge
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Meggendorfer Blätter
Titel
Titel/Objekt
Die gestohlene Rose
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Humoristische Monatshefte: aus Lothar Meggendorfer's lustiger Bildermappe
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
ZST 4416 C
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1890
Entstehungsdatum (normiert)
1880 - 1900
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Humoristische Monatshefte: aus Lothar Meggendorfer's lustiger Bildermappe, 1.1890, Heft 5, S. 5_01
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication