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174

Meggendorfer-Blätter, Müuchen

Nr. izyz

Labuhns Leihbibliothek

Freude, damit die Geschichte ja einen befriedigenden Schluß
hat, — Bücher, in denen es nur jene Gewitter gab, die
frische Luft und neuen Sonnenschein folgen laffen, nicht
jene Gewitter, die das Wetter für, ach, wie lange Zeit
hundserbärmlich verderben. Fräulein Lannchen hielt diese
Bücher für die wertvolleren der Bibliothek. Vom Erwerbs-
standpunkt aus waren fie es freilich auch, denn ihnen wurde
viel mehr zugesprochen, und hätte Fräulein Viktoria nicht
die ganze Kaffen- und Listenführung besorgt, dann wäre
ihrer Schwester der größere Teil der Arbeit zugefallen.
Am liebsten bediente Fräulein Lannchen die jungen Damen,
die ihre Bücher in Musikmappen brachten und forttrugen,
denn diese mochten vielleicht selbst einmal Leldinnen solcher
Romane werden. Den anderen Leserinnen, den wackeren
Kaufmanns- und Beamtenfrauen, ja selbst der Frau Rat
Tobusch war das nicht so ganz geglückt. Aber das bewies
nichts, ganz und gar nichts. Es gab doch solche goldenen
Schicksale. „Denn das Leben hat Poesie," sagte Fräulein
Lannchen.

Wie den Neigungen der Schwestern entsprach ihre
Arbeitsteilung auch den Interessen des Geschäfts. Denn
Fräulein Viktoria hätte es einfach nicht fertig gebracht,
z. B. mit Frau Rat Tobusch über die Vorzüge des „Locken-
prinzeßchens" oder der „Trotzigen Lerzen" sich so zu unter-
halten, wie Fräulein Lannchen das aus voller Seele konnte
und wie Frau Rat Tobusch es auch verlangte. Fräulein
Lannchen hingegen hätte sich gar nicht mit der Frau
Majorin verstanden.

Es kam ein neuer König auf in Aegypten, — fo be-
ginnt eine bekannte Aufzählung von allerlei Verdrießlich-
keiten. Aber nicht nur neue Könige bringen manchmal
Verdruß, auch andere neue Leute tun das. Labuhns Leih-
bibliothek hatte doch eine Tafel: „Verzeichnis der Neuer-
scheinungen," und auf diese Tafel mußten allmonatlich einige
Zeilen geschrieben werden, — die Bibliothek wuchs mehr
und mehr über ihre ursprünglichen 978 Nummern hinaus.
Früher nun hatte es kaum einen Zweifel gegeben, ob ein
neues Buch zu Fräulein Viktoria oder zu Fräulein Lannchen
gehörte. Aber die Zeit schritt fort und brachte Bücher,
die angeschafft werden mußten, weil Leser danach fragten,
die aber keine der Schwestern für ihre Abteilung schlankweg

zu beanspruchen fich entschließen konnte. Fräulein Lannchens
Arteil sreilich konntenicht ganz maßgebend sein,aber Fräulein
Viktoria schüttelte öfter und öfter den Kopf, und manchmal
kam es sogar vor, daß sie ein Buch als ganz niederträchtiges
Zeug bezeichnete. Aber gerade solch ein Buch wurde dann
besonders viel verlangt und zwar — das traf dann Fräulein
Lannchen schmerzlich — nicht nur von den Leuten, die sie
mehr als ihrer Schwester Kunden ansah, nein sogar von
den jungen Damen mit den Musikmappen. „Was soll aus
der Welt werdenl" sagte Lannchen Labuhn klagend.

Mehr und mehr gingen die Schwestern ihrem Geschäft
mit Anlust nach. Das geht ja auch anderen Leuten so, aber
die Notwendigkeit verbietet ihnen meistens, der Anlust nach-
zugeben. Viktoria und Lannchen Labuhn jedoch sahen sich
solchem Verbot eigentlich nicht gegenüber. Die Leihbibliothek
hatte ihnen immer gegeben, was sie brauchten, — die vier-
zehntausend Taler, die Reinhold Labuhn einst hinterlassen,
hatten niemals etwas von ihren Früchten hergeben müffen,
und wir wissen ja, wenn wir es auch nicht alle praktisch
haben erproben können, wenigstens aus der Schule, wie
vortrefflich eine Zinseszinsrechnung verläuft. Anfang Ianuar
1914 sagte Fräulein Viktoria: „Wir geben die Bibliothek
auf, — der Aerger wird zu groß." Es hatte sich nämlich
eben jemand beklagt, daß er beim „Grünen Leinrich" einge-
schlafen wäre. „Mir ist es recht!" stimmte Fräulein Lannchen
zu. Sie hatte eben vor Aufregung Baldriantropsen nehmen
müffen, weil ein Backfisch gekommen war und sich ein Buch
hatte geben laffen von, — na, wir wollen lieber keinen
Namen nennen.

Für „Labuhns Leihbibliothek" wurde also ein Käufer
gesucht. Bücher sind nicht leicht zu verkaufen, wie jeder
Buchhändler bestätigen wird. Erst im Iuli fand sich ein
gewiffer Lerr Meißner, der nicht nur, wie einst Reinhold
Labuhn, mit Papierkram, sondern auch mit Galanteriewaren
handelte und gesonnen war, eine Leihbibliothek hinzu zu
nehmen. 2534 Bände umfaßte Labuhns Leihbibliothek jetzt.
„Dreitausend Mark gebe ich," sagte Lerr Meißner, „aber
mehr nicht; es ist zu viel alter Schund darunter." Fräulein
Viktoria lehnte ab, — nicht des Angebots wegen, sondern
weil Lerr Meißner bei dem „alten Schund" auf ihr Lieblings-
regal gedeutet hatte.

Der Krieg kam. Lerr Meißner wird sich da wahrscheinlich

No>tsetzung Selte'175

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