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194

Kriegschronik der Meggendorfer-Blätter, München

Der Zeppelin-Alarm

Die Fortsehung einer Geschichte

Der erste Teil der Geschichte dürfte manchem bekannt
sein. Man kann sie sreilich verschieden erzählen. Am besten
aber vielleicht so.

Zohn Litchcock aus Mayfair. London SW. saß irgend-
wo in einem Lokal. Da ging draußen ein junger Mann
vorüber, so etwa in Zohns Alter. Johns Augen leuchte-
ten, als sie ihn erblickten; er sprang auf, eilte hinauch fiel
dem andern um den Lals, und schüttelte ihm beide Lände.
Sein Mund schien dabei hunderte herzlicher Worte zu spre-
chen. Tränen der Nührung kollerten ihm noch über die
Wangen, als er zu seinem Glase Grog zurückkehrte.

„Lallo, das muß aber mal ein Freund sein, den Sie
gewaltig lieb haben," sagte der neugierige alte L>err, der
mit Iohn Litchcock zusammen an einem Tisch saß.

„Ist es auch, Sir, ist es auchl" erklärte Iohn. „Bob
Ienkinson, mein braver alter Bob! Er hat mir vor einem
Iahre meine Braut abspenstig gemacht, meine vielgeliebte,
wunderhübsche Kitty."

„Na, hören Sie mal," meinte der neugierige alte Äerr,
„das ist doch gerade kein Beweis von Freundschaft."

„Äaben Sie eine Ahnung, alter Lerr," sprach John
Litchcock lachenden Mundes. „Er hat sie ja geheiratet.
And es ist gar nicht zu beschreiben, als was für einen Sa-
tan Kitty sich entpuppt hat. Neue Kleider, neue Lüte,
neue Schuhe, Theater, Kino und so weiter, und dabei doch im-
mer zänkisch, niederträchtig und herrschsüchtig. Bob Ienkinson
gehen die Laare aus vor Aerger und Sorgen. Wenn ich
die Kitty gekriegt hätte, würden mir die Laare ausgehen.
Aber ich habe sie nicht gekriegt; das Anheil ist an mir vor-
über gegangen, Bob Ienkinson hat es von mir abgewen-
det. Der Äimmel segne ihn, den guten alten Iungen!" —

Das ist der erste Teil der Geschichte, und er spielt
kurze Zeit vor dem großen Kriege. Ietzt kommt die Fort-
setzuna, die in den November 1915 fällt.

Iohn Litchcock aus Mayfair, London SW, saß wieder
einmal irgendwo in einem Lokal. Da ging draußen ein
junger Mann vorüber, so etwa in Iohns Alter. Johns
Augen blitzten unheimlich, als sie ihn erblickten; er sprang
auf und eilte hinaus, wobei er seine Rockärmel aufkrempelte.
Mit ein paar Sprüngen hatte er den andern erreicht, haute
ihm rechts und links an die Ohren, schmiß den Aeberraschten
mit einem kräftigen Stoß zu Boden. trampelte eine Weile
auf ihm herum und zertrat dann noch den steifen Lut des
Fremden zur Form eines Eierkuchens. Ganz außer Atem,
Flüche vor sich murmelnd, kehrte er daraus zu seinem Glase
Grog zurück.

„Lallo, das muß ein sehr schlimmer Feind von Ihnen
sein," sagte der neugierige alte Lerr, der auch diesmal mit
John Äilchcock zusammen an einem Tisch saß.

„Ist es auch, Sir, ein ganz verdammter Feind!" erklärte
Iohn. „Bob Jenkinson, der elende Lump. Er hat mir
meine Braut abspenstig gemacht, meine vielgeliebte, wunder-
hübsche Kilty."

„Erlauben Sie mal," meinte der neugierige alte Lerr,
„ich erinnere mich jetzt: sahen Sie die Sache nicht einmal
anders an? Er hat die Kitty docb geheiratet."

Iobn Litchcock schlug auf den Tisch. „Das ist es ja.
Bob ist verheiratet; ich aber bin nicht verheiratet, alter
Lerr. Bob Ienkinson ist Ehemann durch meine unvergeßliche
Kitty. Sie ist zwar ein niederträchtiger Satan und hat
ihm das Leben zur Lölle gemacht. Aber jetzt ist es für
Bob Jenkinson ein Paradies, und die Lölle fängt für mich
an. Denn die Anverheirateten sollen doch jetzt zwangs-
weiie zur Armee herausgeholt werden, sür diesen eckclhaften,
ganz und gar blödsinnigen Krieg. Der Teufel soll Bob
Ienkinson holen, den elenden Schurken." Piro

Doch etwas

Joffre Generalissimus: „Eine neue Offensive kann ich
jetzt nicht ankündigen, aber so kann ich mir wcnigstens
einen neuen Aniformkragen sticken lassen."

Resignation

— „Der Krieg kommt mir schon vor wie ein verschleppter
Schnupfen — es ist noch gar nicht gesagt, daß man ihn
jemals wieder los wird."

Auskunft

Gast: „Was eine Mark verlangen Sie für die Kaviar-
semmel? Ist denn der Kaviar jetzt so teuer geworden?"
Kellner: „Der Kaviar nicht, aber die Zwiebeln!"
 
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