Meggendorfer-Blätter (52.1903 (Nr. 627-640))

32

Meg gendorfer-B lätter, München

Der entlehnle Aräutigam.

tzumoreske von Hans Horina.

Oie Familie des Postoffizials
Zchinder! war in der glücklichen
Lage, eine wirkliche, leibhaftige Erb-
iante zu besitzen, die nach genauen
Schätzungen mindestens fünfhundert-
tausend Nronen schwer war. <Ls braucht
wohl nicht erst besonders hervorge-
hoben werden, daß diese würdige
ältliche

einmal stirbt, über ein großes
vermögen verfugen und paßt daher
nicht in so kleine Ureisel"

Endlich nahte sich dem schon lange
voll Sehnsucht nach einem Freiersmann
ausschauenden Mädchen wieder ein bserr;
es war ein schon ziemlich stark ver-
schuldeter Assessor, der ihr auf Leben

und Tod

zu gut,
immer.

Iungfrau
bei ihren all-
jährlichenBe-
suchen von der
Familie Lchinderl
in der denkbar zärt-
lichsten Meise ver-
hätschelt wurde und
daß man all den Ligen-
heiten, den Schrullen
und Abs onderlichkeiten,
die ältliche Iungfrau-
en zu haben xflegen,
Rechnung trug.

Mizzi, die einzige
Tochter des Ehexaares
Schinderl, galt dafür
aber auch als präsum-
tive Universalerbin der
Tante, und als dies
erst ein wenig bekannt
wurde, bewarben sich
der Reihe nach mehrere
kserren um die lsand
der reichen Lrbin.

Aber merkwürdig!
von all den Bewerbern
wollte keiner so recht
anbeißen und jeder zog
sich,ohne sich erklärt zu
haben, allmählich wie-
der zurück.

So gingendieIahre
ins Land, Rlizzi wurde
immer älter und älter
und — blieb ledig.
Sie hätte ja gerne
auch einen klein-
eren Beamten ge-
heiratet, aberdas
gab ihre Nlut-
ter, Frau Schin-
derl, nicht zu.
„Dazu bist Du
mein Aind," sagte sie
„Du wirst, wenn Tante

Dmrner Buchhändler.

— „Fräulein Erika ist wirklich ein interefsantes, pikantes
Persönchen."

Buchhändler: „Stimmtl Wär'fie ein Buch, würde man
sicher sagen können: ,Ronfisziert und verboten gewesen'."

denksofmach-
te. Derjunge
Mannhattees
furchtbar eilig
und als er ins lhaus
gezogen wurde, be-
nützte er die erste
beste Gelegenheit, um
sich zu erklären und
um dieihand derreichen
Erbin zu bitten.

Mizzi wies ihn
züchtig an ihre Mutter
und Mama Schinderl
sagte selig zu. — Lin
Assessor! Das war ja
immer ihr heimlicher
kserzenswunsch ge-
wesen. Noch amselben
Tage ging an die Lrb-
tante folgendes Tele-
gramm ab:

„Mizzi heute ver-
lobt. Brief folgt."

NlitdemBriefhatte
es aber noch gute Weile,
denn als der frischge-
backene Bräutigam
am Abend desselben
Tages im trauten
Familienkreise bei
Schinderls saß, und
einevompapa offerier-
te Trabucco schmauchte,
fragte er so leichthin:

„Apropos, wiealt
ist denn eigentlich
die TanteMina?"

„Tante Mina?

D, die ist erst
sechsundvier-
zigl" antworte-
tedieSchwieger-
mutter iir sps
arglos.

„Waaas — erstsechsundvier^