Meggendorfer-Blätter (53.1903 (Nr. 641-653))

rNeggendorfer-Blätter, Blünchen


Ähnenstoh.

^lst es wahr, tserr Schloßverwalter, seit der blutjunge Graf gestor-

ben ist, soll 's i,n gräflichen Ahnenschloß nicht mehr spuken?"
Verwalter: „Unter strengster Dlskrelion,
meine lieben Freunde, will ich es Ihnen
anvertrauen: ,Es ist so, wie 5ie sagen.

Nun will ich Ihnen aber auch
erzählen wie das kam. Ich habe
nämlich schon lange einen
Lauscherxosten neben dem

Ahnensaal und von da aus
habe ich den gräflichen Ahnen
schon so oft zugesehen, wie
sie spuken, daß es mir bald
langweilig wurde.

NAe nun der Lserr Graf,
der, leider sei es gesagt, ein
sehr leichtes Tuch war, starb,
begab ich rnich in derselben
Nacht auf rneinen Posten, denn
es interessierte mich doch, ob der
selbe gleich mitsxuken dürfte. Ich
zitterte geradezu vor Neugierde. 5chlag

Rahmen ihrer in Vel gemalten Bilder, uin ihren Rundgang
anzutreten und danach sich zwanglos zu unterhalten. Der jungc
Gras tat, als sei es selbstverständlich, dasselbe.

Da geschah etwas, meine kserren, was
mir das Lserz beinahe zum Stchcn ge-
bracht hätte. Der Urahne der gräf-
lichen Familie trat zu dem jüng-
sten Sxroß und sprach mit hohler,
aber doch donnernder Stimmc:
„lVaas — Du junger, leicht-
sinniger, verkommener Lause-
junge, welcher unser schönes
Gut so verschwendet hat, Dn
Fant, Du trauriger, willst
mit Deinen ehrenwerten,
berühmten Ahnen sxuken?
Das gibt's nicht — von heutc
an ist ausgespuktl" Sxrach's
und alle traten wieder in ihrc
Rahmen. Seitdcm ist Todesruhc
im Schlosse. Was will der Iüngste
machen? Allein zu spuken sürchtet

zwölf Uhr traten die sämtlichen Ahnen, wie stets, aus dem ^ er fich — vielleicht ist es ihm auch zu langweilig."

verantwortlicher Redakteur: Ukax Schreiber. Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
In Vesterreich-Ungarn sür kserausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohr in UAen I,
Verlag vvn I. F. Schreiber in München und Chlingrn.