Zeitschrift für Humor und Auuft
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Der -Lebensretter.
a, Herr Huber, Sie sehen aber gut aus, Sie waren
wohl in der Sommerfrische?" So fragte der Eisen-
händler Guttenberger seinen Freund, der heute zum
erstenmal wieder am Stammtisch erschienen war, nachdem er
sechs Wochen gefehlt hatte.
Herr Huber, der einen schwunghaften
Mehlhandel en gros betrieb, war ein komischer
Kauz. Man hätte, wenn man ihn beobachtete,
glauben können, er wäre in seiner Jugend
taubstumm gewesen; denn er pflegte seine
Gedanken und Gefühle mit Vorliebe durch
allerlei äußerst anschauliche Hand- und Gesichts-
bewegungen überaus drastisch zu illustrieren.
So zog er denn auch dieses Mal, bevor
er sich ausließ, eine Miene, als hätte er auf
einen hohlen Zahn gebissen und fuchtelte mit
der linken Hand ärgerlich in der Luft herum,
wie wenn er eine lästige Mücke verjagen wollte.
„Sommerfrische," brummte er vor sich
hin. „Sommerfrische! Weil unsereiner es
so schön hat!"
„Na, wenn Sie 's nicht machen könnten,
Herr Huber, was wollte da der Mittelstand
tun?"
Huber zuckte mit den Achseln, und das
wollte heißen, daß er schon einer derjenigen
sei, denen es auf ein paar Tausender nicht
ankäme, daß er aber in dem Urlaub, den er
sich gegönnt, keine rechte Freude erlebt habe.
„Mit den Weibern, da hat's immer was," knurrte er, und
seine Hände stiegen mit bewegten Fingern in die Höhe, wodurch
er andeuten wollte, daß nach seiner Ansicht das Ewig-Weibliche
eine Neigung zum Explodieren besitze, die ihm und seiner Ruhe
wieder einmal einen gefährlichen Streich gespielt habe.
„Ich wär' überhaupt daheim geblieben, was hab' ich denn
draußen? Unsinn! Bin auch nur wegen meinem Mädel fort,
wegen der Liesel. verrücktes Frauenzimmer! Ich sag' Ihnen,
Herr Guttenberger, Sie sind fein heraus, Sie können lachen,
Sie haben lauter Buben; ober unsereiner, der nur ein einziges
Kind hat und noch dazu einen solchen eigensinnigen Balg."
Er faltete die Hände wie zum Gebet und bewegte sie in
rührender Weise.
„Das kennen S' ja, Herr Guttenberger, wenn die jungen
Herren meinen, daß ein Mädel ein bisserl Geld hat und ein
hübsches, frisches Gesichter!, wie die heutzutage drum 'rum
schwänzeln. G'rad' aufxassen mußt! Helfen tut's aber nichts.
Ich weiß nicht, ob ich Ihnen das erzählt hab', daß meine Liesel,
mein einziges Kind, Heuer im Winter einen Privatdozenten
kennen gelernt hat, und daß sie sich den durchaus eingebildet
hat. Einen Privatdozenten! Ich frage Sie, was tu' denn
ich mit einem Gelehrten? Meteorologe ist er, Wettermacher!
wissenschaftlich gebildeter Laubfrosch .... So was! Ich brauch'
einen Geschäftsmann als Schwiegersohn, der sich auf das Fallen
und Steigen der Getreidepreise versteht, das ist mein Mann.
Also, ich hab' mir alle Müh' gegeben, ihr diesen Menschen aus
dem Kopf zu bringen. Geredet hab' ich wie ein Buch, aber
natürlich völlig umsonst. Ich sag' Ihnen, ich hab' die ganze
Wissenschaft ins Haus gekriegt, die zunehmende Trübung, die
wechselnde Bewölkung, die Neigung zur Gewitterbildung mit
nachfolgender Abkühlung und Niederschlägen. Lieber
Gott, ich lüg' nicht, aber ein Dutzend verweinte Sacktücheln
sind jeden Tag im Waschkorb gelegen. Ls hätt' «mmer lang
gut getan, so hätte ich mir einen besonderen Regenschirm kaufen
müssen, damit ich mich vor dieser Nässe hätte einigermaßen
schützen können. Nun, denk' ich mir, das kann nicht mehr länger
so fort gehen. Ich hab' mich also darauf besonnen, wie ich die
Geschichte mir vom Halse schaffe und das hab' ich so angexackt:
ich hab' im Steyrischen drunten ohnehin Geschäfte gehabt, die
meine Anwesenheit erforderten, und da ich gewußt habe, daß
der Professor im Juli Ferien hat, so war ich kurz entschlossen,
die Liesel mit samt ihren Schmerzen und Stürmen zusammen-
zupacken und im Juni mit ihr fortzureisen. Bis wir wieder
zu Hause gekommen wären, so hab' ich gerechnet, sitzt der Laub-
frosch auf irgend einem Schweizer oder Tiroler Bäumerl und
die Luft ist rein. Zeit gewonnen ist alles gewonnen, so arg,
hab' ich gemeint, wird die Lieb nicht sein, daß ihr Feuer nicht
auslöscht, wenn nicht immer von neuem nachgeschürt wird.
Es hat einen harten Kampf gekostet, aber ich hab's halt
doch durchgesetzt und eines schönen Tages sind wir in Graz
angekommen. Graz ist ein feines Städtel, und meine Liesel hat
sich zusehends erholt und ist bis auf sechs Taschentücher täglich
zurückgegangen, was immerhin ein Erfolg war.
Dort hab' ich mit meinen Geschäftsfreunden viel verkehrt,
die Liesel war viel eingeladen, was sie auch auf andere Gedanken
gebracht hat und schließlich hat sie sich sogar herbeigelassen und
hat auch gelacht, wenn alles lustig war und hat nur mehr
zum Kaffee ein Glasel voll Tränen von sich gegeben, und
wenn sie zufällig eine Wetterkarte hat hängen sehen oder
ein Barometer.
Ja, noch mehr. Passen S' nur auf. Der Haggenmüller
Franz, ein Sxezi von mir, hat einen Sohn, der heißt auch
Franzl, dem hat die Liesel besonders gefallen und der hat ihr
auch fleißig den Hof gemacht. Das war natürlich Wasser auf
meine Mühle, denn der Alte hat Geld, der Sohn ist Prokurist
bei ihm, ein tüchtiger Mensch und ein lieber Kerl. Also hab'
ich mich schön stad verhalten, damit sie nicht etwa scheu
wird und glaubt, ich sei ein Planer, der sie da hineinhetzen
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Der -Lebensretter.
a, Herr Huber, Sie sehen aber gut aus, Sie waren
wohl in der Sommerfrische?" So fragte der Eisen-
händler Guttenberger seinen Freund, der heute zum
erstenmal wieder am Stammtisch erschienen war, nachdem er
sechs Wochen gefehlt hatte.
Herr Huber, der einen schwunghaften
Mehlhandel en gros betrieb, war ein komischer
Kauz. Man hätte, wenn man ihn beobachtete,
glauben können, er wäre in seiner Jugend
taubstumm gewesen; denn er pflegte seine
Gedanken und Gefühle mit Vorliebe durch
allerlei äußerst anschauliche Hand- und Gesichts-
bewegungen überaus drastisch zu illustrieren.
So zog er denn auch dieses Mal, bevor
er sich ausließ, eine Miene, als hätte er auf
einen hohlen Zahn gebissen und fuchtelte mit
der linken Hand ärgerlich in der Luft herum,
wie wenn er eine lästige Mücke verjagen wollte.
„Sommerfrische," brummte er vor sich
hin. „Sommerfrische! Weil unsereiner es
so schön hat!"
„Na, wenn Sie 's nicht machen könnten,
Herr Huber, was wollte da der Mittelstand
tun?"
Huber zuckte mit den Achseln, und das
wollte heißen, daß er schon einer derjenigen
sei, denen es auf ein paar Tausender nicht
ankäme, daß er aber in dem Urlaub, den er
sich gegönnt, keine rechte Freude erlebt habe.
„Mit den Weibern, da hat's immer was," knurrte er, und
seine Hände stiegen mit bewegten Fingern in die Höhe, wodurch
er andeuten wollte, daß nach seiner Ansicht das Ewig-Weibliche
eine Neigung zum Explodieren besitze, die ihm und seiner Ruhe
wieder einmal einen gefährlichen Streich gespielt habe.
„Ich wär' überhaupt daheim geblieben, was hab' ich denn
draußen? Unsinn! Bin auch nur wegen meinem Mädel fort,
wegen der Liesel. verrücktes Frauenzimmer! Ich sag' Ihnen,
Herr Guttenberger, Sie sind fein heraus, Sie können lachen,
Sie haben lauter Buben; ober unsereiner, der nur ein einziges
Kind hat und noch dazu einen solchen eigensinnigen Balg."
Er faltete die Hände wie zum Gebet und bewegte sie in
rührender Weise.
„Das kennen S' ja, Herr Guttenberger, wenn die jungen
Herren meinen, daß ein Mädel ein bisserl Geld hat und ein
hübsches, frisches Gesichter!, wie die heutzutage drum 'rum
schwänzeln. G'rad' aufxassen mußt! Helfen tut's aber nichts.
Ich weiß nicht, ob ich Ihnen das erzählt hab', daß meine Liesel,
mein einziges Kind, Heuer im Winter einen Privatdozenten
kennen gelernt hat, und daß sie sich den durchaus eingebildet
hat. Einen Privatdozenten! Ich frage Sie, was tu' denn
ich mit einem Gelehrten? Meteorologe ist er, Wettermacher!
wissenschaftlich gebildeter Laubfrosch .... So was! Ich brauch'
einen Geschäftsmann als Schwiegersohn, der sich auf das Fallen
und Steigen der Getreidepreise versteht, das ist mein Mann.
Also, ich hab' mir alle Müh' gegeben, ihr diesen Menschen aus
dem Kopf zu bringen. Geredet hab' ich wie ein Buch, aber
natürlich völlig umsonst. Ich sag' Ihnen, ich hab' die ganze
Wissenschaft ins Haus gekriegt, die zunehmende Trübung, die
wechselnde Bewölkung, die Neigung zur Gewitterbildung mit
nachfolgender Abkühlung und Niederschlägen. Lieber
Gott, ich lüg' nicht, aber ein Dutzend verweinte Sacktücheln
sind jeden Tag im Waschkorb gelegen. Ls hätt' «mmer lang
gut getan, so hätte ich mir einen besonderen Regenschirm kaufen
müssen, damit ich mich vor dieser Nässe hätte einigermaßen
schützen können. Nun, denk' ich mir, das kann nicht mehr länger
so fort gehen. Ich hab' mich also darauf besonnen, wie ich die
Geschichte mir vom Halse schaffe und das hab' ich so angexackt:
ich hab' im Steyrischen drunten ohnehin Geschäfte gehabt, die
meine Anwesenheit erforderten, und da ich gewußt habe, daß
der Professor im Juli Ferien hat, so war ich kurz entschlossen,
die Liesel mit samt ihren Schmerzen und Stürmen zusammen-
zupacken und im Juni mit ihr fortzureisen. Bis wir wieder
zu Hause gekommen wären, so hab' ich gerechnet, sitzt der Laub-
frosch auf irgend einem Schweizer oder Tiroler Bäumerl und
die Luft ist rein. Zeit gewonnen ist alles gewonnen, so arg,
hab' ich gemeint, wird die Lieb nicht sein, daß ihr Feuer nicht
auslöscht, wenn nicht immer von neuem nachgeschürt wird.
Es hat einen harten Kampf gekostet, aber ich hab's halt
doch durchgesetzt und eines schönen Tages sind wir in Graz
angekommen. Graz ist ein feines Städtel, und meine Liesel hat
sich zusehends erholt und ist bis auf sechs Taschentücher täglich
zurückgegangen, was immerhin ein Erfolg war.
Dort hab' ich mit meinen Geschäftsfreunden viel verkehrt,
die Liesel war viel eingeladen, was sie auch auf andere Gedanken
gebracht hat und schließlich hat sie sich sogar herbeigelassen und
hat auch gelacht, wenn alles lustig war und hat nur mehr
zum Kaffee ein Glasel voll Tränen von sich gegeben, und
wenn sie zufällig eine Wetterkarte hat hängen sehen oder
ein Barometer.
Ja, noch mehr. Passen S' nur auf. Der Haggenmüller
Franz, ein Sxezi von mir, hat einen Sohn, der heißt auch
Franzl, dem hat die Liesel besonders gefallen und der hat ihr
auch fleißig den Hof gemacht. Das war natürlich Wasser auf
meine Mühle, denn der Alte hat Geld, der Sohn ist Prokurist
bei ihm, ein tüchtiger Mensch und ein lieber Kerl. Also hab'
ich mich schön stad verhalten, damit sie nicht etwa scheu
wird und glaubt, ich sei ein Planer, der sie da hineinhetzen