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Meggendorfer-Blätter — 58.1904 (Nr. 706-718)

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Nr. 708
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Meggendorf er-Blät ter, München

-Liebeskeweise.


— „Ach, Gskar, wenn Du mich liebst, so hole mir jenes Edelweiß dort!"
— „Hm . . . Und wenn Du mich liebst, so verzichtest Du darauf!"

Mißglücktes ÄXperünent.
"K^>ir leben nun einmal im Zeitalter der Elektrizität, und jeder vernünftige
Mensch sollte darüber Bescheid wissen!" So schloß der Apotheker Dreher
wieder einmal seinen langatmigen Vortrag über die Elektrizität, den er uns bei
jeder passenden und unpassenden Gelegenheit am Stammtische hielt. Zum Teil
belustigten uns seine Ausführungen, die er stets mit aufgeregten Gestikulationen
begleitete; zum Teil aber ärgerte uns seine prahlerische Ueberlegenheit, mit der er
uns stets als unwissende Laien, sich selbst aber als unantastbare Autorität hinstellte.
Gewöhnlich schloß sich an seine Rede eine Vorführung von Apparaten,
die er selbst zusammengestellt hatte und mit deren Hilfe er uns uck ubsurckurn
führte, wenn wir je einmal wagten, seinen Theorien zu widersprechen.

Schon lange hatten wir nun den Vorsatz
gefaßt, ihm einmal an der Hand seiner Experi-
mente einen Schabernack zu spielen und ihm
gründlich den Mund zu stopfen. Und als er da-
her obenerwähnte Schlußbemerkung gemacht hatte,
warf der Verwalter mit pfiffigem Schmunzeln ein:
„Ja, ja, mit der Elektrizität ist's halt noch soso.
Einmal klappt's und einmal klappt's nicht!"
„wie, was?" schrie der Apotheker, „klaxpt's,
klapxt's nicht — was soll das heißen?" Und wie
besessen rannte er fort, um seinen Experimentier-
kasten zu holen. Und während er fort war,
blinzelte uns der Verwalter gar schelmisch an,
ohne daß wir wußten, was er vorhatte. Doch
ahnten wir, daß er einen Kapitaljux plane, und
freuten uns schon im voraus.
Nichtlange darnach kam der Apotheker wieder
angeschnaubt, stellte sich und seinen Riesenkasten
in Positur und hieß uns mit den anwesenden
übrigen Gästen einen Kreis bilden, indem wir
uns gegenseitig an den Händen fassen sollten.
Das hatte er uns bereits zwanzigmal vorgemacht
und so fing er auch heute damit an. Nun befand
sich aber unter den Gästen, bescheiden in einer
Ecke sitzend, ein alter Handelsmann, der im Kriege
den rechten Arm eingebüßt hatte und jetzt den
leeren Rockärmel in der Tasche trug. Den holte
sich der Verwalter heran, stellte ihn mit in den
Kreis und erfaßte den leeren Aermel.
Nun konnte die Geschichte losgehen.
Der Apotheker gab einen mäßigen Strom
und sagte: „Meine Herren, Sie haben jetzt einen
Schlag verspürt."
wir alle verneinten lebhaft; der Apotheker
merkte nichts.
Kopfschüttelnd schaltete er noch mehr Elemente
ein, doch ganz mit demselben negativen Erfolge.
Nun wurde er aufgeregt. Ein Element nach
dem andern schloß er an, bis sie alle mitsammen
verbunden waren. Wir konnten nun kaum das
Lachen verbeißen über die fieberhaften versuche
des Apothekers, der sein Renommee schwinden sah.
Und bei alledem hatte er keine Ahnung von dem
plumpen Betrug, der ihm gespielt wurde. Er
schaltete und schaltete, schraubte und zerrte an
den Drähten, schwitzte und kochte innerlich vor
Aerger. wir aber standen gelassen da und
versicherten ihm der Wahrheit gemäß, daß wir
nicht das mindeste verspürten.
Endlich wurde ihm die Sache zu bunt. Er
riß uns die Pole aus der Hand und — Herr
des Himmels, dieser Anblick war unvergeßlich!
Er wand sich am Boden, blaurot im Gesicht und
schrie: „Stellt's ab! stellt's ab!"
Der Urheber des Scherzes sprang auf die
Batterie zu und erlöste den Aermsten aus seiner
Situation. Dieser saß noch eine Weile ganz
konsterniert am Boden, endlich stammelte er:
„Und das haben Sie nicht gespürt!"
Recht kleinlaut ging er dann mit seinem
Kasten heim und verschonte uns von da ab mit
seiner rechthaberischen Unfehlbarkeit in Sachen
der respektablen Elektrizität. Wie er aber um sein
Renommee gekommen ist, hat er nie erfahren.
 
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