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Meggendorfer-Blälter, München
Vocsie und Vrosa.
Sommerfrischlerin: „Welch reizendes Fleckchen Erde! Wie idyllisch das Häuschen dort
zwischen den Bäumen liegt; da muß gut weilen sein!"
Einheimischer: „Dös will i moana, dös is aa der Bruckenwirt."
Mutter und Tochter.
<E?ergangenheit und Zukunft kann ich lesen,
6V Seh' Deinem Kind und Dir ich zu:
So klein und herzig bist auch Du gewesen
Und sie — wird ganz so dumm wie Du.
M. Holthausen.
Die schnelle (Lisenbahn.
T^as Roserl von Waldneukirchen ist letzthin das allererste-
mal mit der Eisenbahn gefahren. Schnell ist's gegangen,
— unheimlich schnell. Diel schneller noch als dem Wirt von
Untersteinbach seine zwei Schimmel; und die können doch sicher
flink laufen, das weiß jedes Kind.
Zuerst war sie ganz allein im Coupe, das Roserl. Aber
in Langenhausen, da ist ein Herr eingestiegen, groß, schlank,
mit einem kecken Schnurrbärtchen und mit zwei lustigen blauen
Die schnelle Eisenbahn.
Augen — ein lieber Herr! Der
hat sich zum Roserl hingesetzt,
hat schön guten Tag gesagt und
hat sie angeschaut, ganz so,
als ob sie ihm gefallen täte.
Und immer ein Stückel näher ist
er ihr gekommen undseine Augen
haben immer lustiger drein-
geschaut und jetzt, jetzt biegt er
sich gar ganz vor und — riecht
an der brennroten Nelke, die
dem Roserl im Mieder steckt.
Nein, so was! Feuerrot, akku-
rat so wie die Nelke, ist das
Roserl geworden und hat sich
geschwind zum Fenster hinaus-
gelehnt, ein bissel die Gegend
zu betrachten.
Aber der Herr hat sich auf
einmal auch dafür interessiert
und hat auch den Kopf zum
Fenster hinausgesteckt. Da kann
man doch nicht wieder geschwind
zurückfahren; das wäre nicht
artig, gar nicht artig I Aber
das Herzerl hat geklopft unterm
schwarzsamtenen Mieder, wie
jetzt der Schnurrbart von dem
Herrn die runde Wange vorn
Roserl gestreift hat, und auch
dem Herrn ist's heiß geworden,
wie der Wind der liebe, spie-
lende, kosende wind, ihm ein
blondes Löckchen ins Gesicht
wehte.
„Ach Gott, wie ist doch das
Eisenbahnfähren schön!" hat sich
das Roserl gedacht. Und gefähr-
lich! Denn der junge Herr legte
jetzt gar seinen Arm um ihre
Mitte. — Was er nur will? . ..
Anschauen hat sie ihn müssen
auf das, und er, er hat sie an-
gelacht und — hat ihr ein Busserl
gegeben, gerade mitten auf den
Mund. Und dann noch eins und noch eins. „Alle guten Ding'
sind drei!" hat sich das Roserl gedacht, aber gleich darauf ist
sie bös erschrocken, denn die Eisenbahn hat auf einmal ge-
pfiffen, so scharf, so giftig scharf — am End' hat der Lokomotiv-
mann gar was gemerkt von der Busslerei . . .
Jesses, Jesses! Jetzt bleibt der Zug gar stehen und draußen
haben sie was gerufen und der liebe Herr hat geschwind seinen
Hut gepackt, hat dem Roserl noch ein Busserl gegeben und
— weg war erl
Da hat sich das Roserl wieder in die Ecke gesetzt; ganz bös.
„Mein Gott," hat sie geseufzt, „wie geschwind geht's doch auf
so einer Eisenbahn. Da sitzt man kaum ordentlich drin in so
einem Wagen, kommt auch schon einer daher, der — der —
einem gefallen täte und kaum fängt man an, mit ihm ein bissel
bekannt zu werden, da pfeifen s' schon wie nicht gescheit und
er muß wieder hinaus — könnt's nicht ein bissel lang-
samer gehen?" H. Horina.
Meggendorfer-Blälter, München
Vocsie und Vrosa.
Sommerfrischlerin: „Welch reizendes Fleckchen Erde! Wie idyllisch das Häuschen dort
zwischen den Bäumen liegt; da muß gut weilen sein!"
Einheimischer: „Dös will i moana, dös is aa der Bruckenwirt."
Mutter und Tochter.
<E?ergangenheit und Zukunft kann ich lesen,
6V Seh' Deinem Kind und Dir ich zu:
So klein und herzig bist auch Du gewesen
Und sie — wird ganz so dumm wie Du.
M. Holthausen.
Die schnelle (Lisenbahn.
T^as Roserl von Waldneukirchen ist letzthin das allererste-
mal mit der Eisenbahn gefahren. Schnell ist's gegangen,
— unheimlich schnell. Diel schneller noch als dem Wirt von
Untersteinbach seine zwei Schimmel; und die können doch sicher
flink laufen, das weiß jedes Kind.
Zuerst war sie ganz allein im Coupe, das Roserl. Aber
in Langenhausen, da ist ein Herr eingestiegen, groß, schlank,
mit einem kecken Schnurrbärtchen und mit zwei lustigen blauen
Die schnelle Eisenbahn.
Augen — ein lieber Herr! Der
hat sich zum Roserl hingesetzt,
hat schön guten Tag gesagt und
hat sie angeschaut, ganz so,
als ob sie ihm gefallen täte.
Und immer ein Stückel näher ist
er ihr gekommen undseine Augen
haben immer lustiger drein-
geschaut und jetzt, jetzt biegt er
sich gar ganz vor und — riecht
an der brennroten Nelke, die
dem Roserl im Mieder steckt.
Nein, so was! Feuerrot, akku-
rat so wie die Nelke, ist das
Roserl geworden und hat sich
geschwind zum Fenster hinaus-
gelehnt, ein bissel die Gegend
zu betrachten.
Aber der Herr hat sich auf
einmal auch dafür interessiert
und hat auch den Kopf zum
Fenster hinausgesteckt. Da kann
man doch nicht wieder geschwind
zurückfahren; das wäre nicht
artig, gar nicht artig I Aber
das Herzerl hat geklopft unterm
schwarzsamtenen Mieder, wie
jetzt der Schnurrbart von dem
Herrn die runde Wange vorn
Roserl gestreift hat, und auch
dem Herrn ist's heiß geworden,
wie der Wind der liebe, spie-
lende, kosende wind, ihm ein
blondes Löckchen ins Gesicht
wehte.
„Ach Gott, wie ist doch das
Eisenbahnfähren schön!" hat sich
das Roserl gedacht. Und gefähr-
lich! Denn der junge Herr legte
jetzt gar seinen Arm um ihre
Mitte. — Was er nur will? . ..
Anschauen hat sie ihn müssen
auf das, und er, er hat sie an-
gelacht und — hat ihr ein Busserl
gegeben, gerade mitten auf den
Mund. Und dann noch eins und noch eins. „Alle guten Ding'
sind drei!" hat sich das Roserl gedacht, aber gleich darauf ist
sie bös erschrocken, denn die Eisenbahn hat auf einmal ge-
pfiffen, so scharf, so giftig scharf — am End' hat der Lokomotiv-
mann gar was gemerkt von der Busslerei . . .
Jesses, Jesses! Jetzt bleibt der Zug gar stehen und draußen
haben sie was gerufen und der liebe Herr hat geschwind seinen
Hut gepackt, hat dem Roserl noch ein Busserl gegeben und
— weg war erl
Da hat sich das Roserl wieder in die Ecke gesetzt; ganz bös.
„Mein Gott," hat sie geseufzt, „wie geschwind geht's doch auf
so einer Eisenbahn. Da sitzt man kaum ordentlich drin in so
einem Wagen, kommt auch schon einer daher, der — der —
einem gefallen täte und kaum fängt man an, mit ihm ein bissel
bekannt zu werden, da pfeifen s' schon wie nicht gescheit und
er muß wieder hinaus — könnt's nicht ein bissel lang-
samer gehen?" H. Horina.