sOO
Meggendorfer-Blätter, München
Die Kchahgräber.
Humoreske von Hans Niederführ.
A
uf dem Marktplätze der kleinen Stadt stand ein altes
Gasthaus, bekannt durch guten, unverfälschten Wein.
Lin Kreis alter
Herren, wohlangesehener
Bürger, versammelte sich
allabendlich in der niederen
Gaststube, um nach des
Tages Mühen an einem
guten Tropfen sich zu laben.
Unter ihnen befand sich auch
Herr Stangl, ein guter
Bürger und gewesener
Koch, der sein Schäflein im
trockenen hatte und Besitzer
eines Häuschens am selben
Markte war.
Täglich abends um die
siebente Stunde trat er aus
der Türe seines Hauses, um
die wenigen Schritte hinüber
zur Stammkneipe zu machen
und dort in Gesellschaft der
andern Herren den guten „Mail¬
berger" zu loben, eine Sorte, die der Wirt für die paar ange¬
stammten Gäste nie ausgehen lassen durfte.
Herr Stangl interessierte sich in seinem Ruhestande sehr für
die Geschichte und die Denkwürdigkeiten des Städtchens und
wußte auch, daß auf dem Grunde seines Hauses und der Nachbar-
gebäude einst ein großes Kloster gestanden hatte.
„Bb da unten nicht manches Interessante begraben liegt?"
äußerte er sich einmal zu seinem Freunde Pevny.
Herr Pevny, der gerne recht gab, stimmte der Meinung
Stangls nicht nur zu, sondern machte diese geradeswegs zur
Behauptung. Seither sah man Stangl sinnend und mit gesenk-
tem Haupte sein Haus durchschreiten, und gar häufig führte sein
Weg die Kellerstiege hinab. Frau Stangl nannte ihren Gatten
zwar einen alten Narren, dieser aber ließ sich nicht abhalten,
Hacke und Spaten im Keller unterzubringen und durch ganze
Nachmittage den Boden zu durchwühlen.
An einem Vormittage erschien Herr Stangl plötzlich in der
Wohnung seines Freundes f)evn^ und machte diesem geheimnis-
voll eine wichtige Mitteilung. Lr habe nach fleißigem Graben
an mehreren Stellen nunmehr eine Steinplatte bloßgelegt, die
einen unterirdischen Gang verschließen müsse. Vb Herr Pevny
sich entschließen könne, gemeinsam mit Stangl den Stein zu
heben und den Gang zu betreten?
Pevny suchte Ausflüchte, sprach Besorgnis aus, bis er
endlich der Beredsamkeit seines Freundes und dem stillen ver-
langen nach verborgenen und vergrabenen Schätzen unterlag.
Für das geheimnisvolle Beginnen wurde die siebente
Stunde, die Zeit des Gasthausbesuches bestimmt, um den re-
spektive» Ehehälften ein sonstiges, längeres Ausbleiben nicht
begründen zu müssen.
Als des Abends Frau Stangl über der Lektüre des Wochen-
blättchens eingeschlafen war, stiegen die Herren Stangl und
Pevny die Treppe hinab und begaben sich in den Reiter.
Pevny mit gemischten Gefühlen, Stangl jedoch in der Haltung
des ruhmbeladenen Forschers.
Mit einiger Anstrengung wurde die Steinplatte gehoben,
und ein schwarzer Abgrund gähnte den beiden entgegen.
Stangl senkte die Laterne hinein und konstatierte, daß es sich
um eine Tiefe von etwa einem Klafter handle. Nach seitwärts
öffnete sich dann der vermutliche Gang. Um seinem Begleiter,
der, das Rinn in die Hand gestützt, mit bedenklicher Haltung
vor dem Loche stand, Mut einzuflößen, stieg Herr Stangl zuerst
hinab, pevn-s folgte ihm
nach einigem Zureden. Und
nun begann die Wanderung.
Die Leuchte voran, drangen
die beiden in den bergab
führenden Gang ein. End-
lich gelangten sie zu einer
schmalen und niedrigen Geff-
nung, die nur in zusammen-
gekauerter Stellung zu pas-
sieren war.
pevny machte abermals
Umstände. Nach längerer
Auseinandersetzung wand
sich Stangl mit dem (Ober-
körper hindurch und leuch-
tete umher.
„Wir müssen abermals
hinunter. Wieder nur eine
halbe Klafter," sagte er, sich aus der Geffnung zurückziehend.
Dann wand er sich, die Füße voraus, auf dem Bauche durch
das Loch. pevny, um nicht aus dem Bereiche des Lichtes zu
kommen, folgte mit einem Seufzer in der gleichen weise. Nun
standen sie in einem weiten Raume, und ein eigenartiger und
doch nicht unbekannter Geruch wehte ihnen entgegen.
Herr Stangl schritt langsam vorwärts und hielt die Laterne
hoch. Siehe, da erhob sich eine Reihe von Fässern, die sich
durch die Mitte des Raumes zog.
„Ha!" rief Stangl, „der Klosterkelleri Der hundertjährige
Klosterkellerl Das ist ein Fund! pevny, hat es sich gelohnt?"
„Ja, die alten Fasseln da," entgegnete pevny mürrisch.
„Alte Fasseln? — Mensch, weißt Du, was das ist? Wein-
stein ist es! Kostbarer Weinstein!"
Pevny antwortete nicht, aber es leuchtete ihm ein. Lr
klopfte mit der Faust an eins der Fässer und wirklich, es klang
nicht hohl. Die beiden Entdecker standen noch unschlüssig, was
jetzt zu geschehen habe, als sie Geräusch vernahmen. Pevny
zuckte zusammen und faßte den Freund ain Arme. Auch dieser
schien erschreckt. Sie lauschten.
Meggendorfer-Blätter, München
Die Kchahgräber.
Humoreske von Hans Niederführ.
A
uf dem Marktplätze der kleinen Stadt stand ein altes
Gasthaus, bekannt durch guten, unverfälschten Wein.
Lin Kreis alter
Herren, wohlangesehener
Bürger, versammelte sich
allabendlich in der niederen
Gaststube, um nach des
Tages Mühen an einem
guten Tropfen sich zu laben.
Unter ihnen befand sich auch
Herr Stangl, ein guter
Bürger und gewesener
Koch, der sein Schäflein im
trockenen hatte und Besitzer
eines Häuschens am selben
Markte war.
Täglich abends um die
siebente Stunde trat er aus
der Türe seines Hauses, um
die wenigen Schritte hinüber
zur Stammkneipe zu machen
und dort in Gesellschaft der
andern Herren den guten „Mail¬
berger" zu loben, eine Sorte, die der Wirt für die paar ange¬
stammten Gäste nie ausgehen lassen durfte.
Herr Stangl interessierte sich in seinem Ruhestande sehr für
die Geschichte und die Denkwürdigkeiten des Städtchens und
wußte auch, daß auf dem Grunde seines Hauses und der Nachbar-
gebäude einst ein großes Kloster gestanden hatte.
„Bb da unten nicht manches Interessante begraben liegt?"
äußerte er sich einmal zu seinem Freunde Pevny.
Herr Pevny, der gerne recht gab, stimmte der Meinung
Stangls nicht nur zu, sondern machte diese geradeswegs zur
Behauptung. Seither sah man Stangl sinnend und mit gesenk-
tem Haupte sein Haus durchschreiten, und gar häufig führte sein
Weg die Kellerstiege hinab. Frau Stangl nannte ihren Gatten
zwar einen alten Narren, dieser aber ließ sich nicht abhalten,
Hacke und Spaten im Keller unterzubringen und durch ganze
Nachmittage den Boden zu durchwühlen.
An einem Vormittage erschien Herr Stangl plötzlich in der
Wohnung seines Freundes f)evn^ und machte diesem geheimnis-
voll eine wichtige Mitteilung. Lr habe nach fleißigem Graben
an mehreren Stellen nunmehr eine Steinplatte bloßgelegt, die
einen unterirdischen Gang verschließen müsse. Vb Herr Pevny
sich entschließen könne, gemeinsam mit Stangl den Stein zu
heben und den Gang zu betreten?
Pevny suchte Ausflüchte, sprach Besorgnis aus, bis er
endlich der Beredsamkeit seines Freundes und dem stillen ver-
langen nach verborgenen und vergrabenen Schätzen unterlag.
Für das geheimnisvolle Beginnen wurde die siebente
Stunde, die Zeit des Gasthausbesuches bestimmt, um den re-
spektive» Ehehälften ein sonstiges, längeres Ausbleiben nicht
begründen zu müssen.
Als des Abends Frau Stangl über der Lektüre des Wochen-
blättchens eingeschlafen war, stiegen die Herren Stangl und
Pevny die Treppe hinab und begaben sich in den Reiter.
Pevny mit gemischten Gefühlen, Stangl jedoch in der Haltung
des ruhmbeladenen Forschers.
Mit einiger Anstrengung wurde die Steinplatte gehoben,
und ein schwarzer Abgrund gähnte den beiden entgegen.
Stangl senkte die Laterne hinein und konstatierte, daß es sich
um eine Tiefe von etwa einem Klafter handle. Nach seitwärts
öffnete sich dann der vermutliche Gang. Um seinem Begleiter,
der, das Rinn in die Hand gestützt, mit bedenklicher Haltung
vor dem Loche stand, Mut einzuflößen, stieg Herr Stangl zuerst
hinab, pevn-s folgte ihm
nach einigem Zureden. Und
nun begann die Wanderung.
Die Leuchte voran, drangen
die beiden in den bergab
führenden Gang ein. End-
lich gelangten sie zu einer
schmalen und niedrigen Geff-
nung, die nur in zusammen-
gekauerter Stellung zu pas-
sieren war.
pevny machte abermals
Umstände. Nach längerer
Auseinandersetzung wand
sich Stangl mit dem (Ober-
körper hindurch und leuch-
tete umher.
„Wir müssen abermals
hinunter. Wieder nur eine
halbe Klafter," sagte er, sich aus der Geffnung zurückziehend.
Dann wand er sich, die Füße voraus, auf dem Bauche durch
das Loch. pevny, um nicht aus dem Bereiche des Lichtes zu
kommen, folgte mit einem Seufzer in der gleichen weise. Nun
standen sie in einem weiten Raume, und ein eigenartiger und
doch nicht unbekannter Geruch wehte ihnen entgegen.
Herr Stangl schritt langsam vorwärts und hielt die Laterne
hoch. Siehe, da erhob sich eine Reihe von Fässern, die sich
durch die Mitte des Raumes zog.
„Ha!" rief Stangl, „der Klosterkelleri Der hundertjährige
Klosterkellerl Das ist ein Fund! pevny, hat es sich gelohnt?"
„Ja, die alten Fasseln da," entgegnete pevny mürrisch.
„Alte Fasseln? — Mensch, weißt Du, was das ist? Wein-
stein ist es! Kostbarer Weinstein!"
Pevny antwortete nicht, aber es leuchtete ihm ein. Lr
klopfte mit der Faust an eins der Fässer und wirklich, es klang
nicht hohl. Die beiden Entdecker standen noch unschlüssig, was
jetzt zu geschehen habe, als sie Geräusch vernahmen. Pevny
zuckte zusammen und faßte den Freund ain Arme. Auch dieser
schien erschreckt. Sie lauschten.