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Meggendorfer-Blätter — 58.1904 (Nr. 706-718)

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Nr. 717
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https://doi.org/10.11588/diglit.20903#0146
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M eggendorfer-Blätter, München


E>eöankenspMer.
Von p. 8vtl»is.
Schamhaftigkeit wird rot,
Prüderie legt Rot auf.

Auch in der Wüste des Lebens
bedeuten Aamele oft viel.

Selbst darin wechselt die Mode,
was man Natürlichkeit nennt.

Die Fehler eines Menschen
begreifen, heißt seine Tugenden
würdigen.
von unser« Hoffnungssternen
leuchten die entferntesten am
s ch ö n st e n.
Manche Leute kommen nur an
Fastnacht zu ihrer richtigen Aopf-
bedeckung.
Im Leben kann inan sehr hoch
stehen und doch keinen weiten
Horizont haben.

vaterlandsliebehungert oft,
während Patriotismus den Frack
nicht mehr zubringt.

Unsre Freuden sind oft der
Grund, in dem unsre Leiden
Wurzel schlagen.

Mit verblümten Andeu-
tungen hat es schon manchen
Strauß abgesetzt.

Line Lüge ins Gesicht ist oft
nicht so schlimm wie eine Wahr-
heit hinten herum.

Wer im Alter viel Tugend
predigt, hat sich gewiß in der
Jugend den Text dazu geholt.

Auch im Leben unsrer Seele
erscheint auf einmal alles in ganz
andrer Beleuchtung, wenn ein
Gewitter im Anzug ist.

Äus der Verlegenheit.

In Serenissimi Landen ist eine neue Bahn gebaut worden.
Der Landesfürst begibt sich höchstselbst zur feierlichen Eröff-
nung derselben, um dein wichtigen Akt durch seine Anwesenheit
eine höhere Weihe zu verleihen. Selbstverständlich hat sich der
Bürgermeister des Städtchens eine schwungvolle Rede einstudiert,
aber die Gegenwart seines allerhöchsten Landesherrn macht ihn
derart kopfscheu, daß er keine Silbe hervorbringt und sich

damit begnügt, den festlichen Zylinder nervös zwischen den
Fingern zu drehen. Serenissimo entgeht die Verlegenheit
des Stadtrepräsentanten natürlich nicht, und leutselig sucht er
ihm zu Hilfe zu kommen, indem er sagt: „Na, mein lieber
Bürgermeister, wollen wohl eine Rede halten?" worauf er-
leichtert aufatmend das würdige Dberhaupt erwidert: „Ja, ja,
ich kann's aber au' bleibe lasse'!"
 
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