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Meggendorfer-Blätter — 58.1904 (Nr. 706-718)

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Nr. 718
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https://doi.org/10.11588/diglit.20903#0152
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Aieggendorfer-Biätter, A t ü n ch e n

Unerwartete Antwort.


Doktorin (zum Bewerber). „An meinem Berufe hänge ich zwar sehr, aber selbst-
verständlich werde ich ihn aufgeben, wenn Sie mich heiraten!"
Bewerber (beklommen): „Ja . . . aber wovon sollen wir denn leben, Fräulein?"

Der Professor in den Wergen.
rofessor Rumpelberger ist ein ebenso großer Gelehrter wie
Stubenhocker, der sich ebensowenig von seinen Büchern
wie von seiner langen Pfeife trennen kann und im Verein mit
beiden die reale Welt um sich herum total vergißt. Rann ihn
seine brave Haushälterin wenigstens, wenn auch mit Mühe, be-
wegen, die täglichen Mahlzeiten einzunehmen, so ist es seinen
Freunden dagegen bisher noch niemals gelungen, ihn einmal auf
einige Wochen seiner einsiedlerischen Lebensweise zu entreißen und
ihn in Gottes freie Natur zu entführen. Aber was den Freunden
und dem Zureden des Hausarztes nicht gelang, das brachte schließlich
die so mißachtete Natur fertig. Der Apparat stockte, der Grganis-
mus streikte und Professor Rumpelberger sah endlich ein: aller
weisen Logik Schluß ist doch stets: was muß, das muß! Er
packte also sein Ränzlein, teilte seinen Freunden seinen Entschluß
mit und dann ging es dahin, wo allein die Freiheit wohnt,
nämlich auf die Berge.
Und man hätte es dem Bücherwurm gar nicht zugetraut,
wie der laufen und klettern konnte. Meist war er den andern
um ein gut Stück voraus, doch zeigten mächtige blaue Rauch-
wolken den Nachfolgenden immer an, wo sich der vorwärts-
stürmende Genosse jeweils befand. Denn seine geliebte Pfeife
war natürlich seine treue Begleiterin auch auf der Tour und
sie kam fast niemals aus seinem Munde, außer die übervolle
Brust drängte ihn, mit dünner, krähender Stimme ein paar
Brocken von alter Burschenherrlichkeit zu singen. Plötzlich aber
sah man weder den gewohnten Rauch, noch hörte man die
bekannte Stimme. Seine Begleiter beschleunigten ihre Schritte,
um den Professor einzuholen, denn eine unbestimmte Sorge
keimte in ihnen auf; aber so sehr man auch spähte, man sah
weit und breit nichts von ihm. Man fing an zu rufen und zu
pfeifen, man zerstreute sich nach allen Seiten, man suchte jeden
Busch und jeden Seitenpfad ab, aber man fand den Professor
nicht. Es war klar, entweder war ihm in der verhältnismäßig

ungefährlichen Gegend ein Unfall zu-
gestoßen, oder er war nach einer ganz
andern Richtung abgekommen. Die
hereinbrechende Dämmerung setzte end-
lich allen Nachforschungen ein Ziel, und
die Freunde richteten sich so gut als möglich
für die Nacht ein, denn durch den Zeit-
verlust war es nicht mehr möglich gewesen,
die nächstliegende Unterkunftshütte zu er-
reichen. vielleicht war dies aber doch
dem Professor gelungen und mit diesem
Trost schlief inan ein.
Mit dem Frühesten am nächsten Tage
machte inan sich wieder auf die Füße, und
wer beschreibt die Freude der Gesellschaft,
als sie nach mehrstündigem Marsche die
Hütte erreichte und ihren vermißten
Freund wirklich dort fand. Auf dem
Tische standen Speisereste und eine halb
geleerte Weinstasche und auf dem primi-
tiven Herde prasselte ein mächtiges Feuer —
der Professor hatte also weder Schaden
genommen, noch Not gelitten. Aber
dennoch saß er mit allen Zeichen tiefster
Niedergeschlagenheit neben dem Feuer,
zwischen den Rnieen die erkaltete pfeife.
Als er indes seiner Freunde ansichtig
wurde, ging es plötzlich wie neues Leben
durch seinen ganzen Rörxer; er sprang
auf und rief: „Gott sei Dank, daß ihr da seid, ich habe
Schreckliches ausgestanden inzwischen!"
„Aber wieso denn, warum denn?" lautete die verdutzte
Frage aus aller Munde.
„Na, denkt euch nur, Rinder," gab der Professor zur
Antwort, „da sitze ich hier zehn geschlagene Stunden und kann
nicht rauchen! Denn mit meinem letzten Zündhölzchen
habe ich Feuer an gen: acht."

Beruhigend.
 
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