Zeitschrift für Junior und Run st
Der gekränkte Dichter.
— „Warum haben Sie immer einen so wütenden Haß auf den armen Amtsrichter?"
— „Ach, der niederträchtige Kerl! Neulich trug ich in der Gesellschaft ein stimmungsvolles Gedicht vor; da — an der rührendsten
Stelle läßt er seine Schnupftabakdose herumgehen . . . und der ganze Effekt war wcggenieftl"
(Line glückliche Wendung.
as sechzehnjährige, blondhaarige Töchterchen des pensio-
nierten Obersten lN. hatte es fast sämtlichen Zöglingen
des Kadettenhauses in N. angetan. Wenn wir Aus-
gang hatten, konnte man sicher die meisten von uns in der Nähe
des Stadtxarks treffen, wo die Villa des Obersten lag. Der
Garten, der diese umgab, war durch ein hohes, spitz auslaufendes
Gitter eingefaßt, was jedoch nicht verhinderte, daß wir durch
eine Lücke das Fenster der kleinen Paula erspähen konnten, hinter
dessen duftigen Vorhängen jedesmal der reizende Blondkopf er-
schien, wenn die gewohnte freie Stunde uns in verliebter Parade
daran vorbeiführte. Manchmal fügte es sich auch, daß einige
Freundinnen bei ihr waren, was den Reiz unsres Vergnügens
noch erhöhte. So bildete sich mit der Zeit ein gewisses Einver-
ständnis heraus, ohne daß wir jedoch Gelegenheit gefunden hätten,
mit unsrer Angebeteten ein Wort zu sprechen.
Da fügte es der Zufall, daß wir, mein Freund Max und
ich, erfuhren, daß am kommenden zwanzigsten Juli der Geburts-
tag der allgemein Verehrten war. Mit ängstlicher Sorge hüteten
vir das kostbare Geheimnis vor unsren Kameraden, denn diese
Kenntnis sollte uns dazu helfen, alle unsre Rivalen aus dem
Felde zu schlagen. Und um das zu erreichen, beschlossen wir
nichts Geringeres, als unsre Herzenskönigin am Vorabend des
großen Tages mit einem Ständchen zu überraschen.
So kam der Abend des neunzehnten Juli heran. Max und
ich begaben uns wie gewöhnlich zn Bett, und es gelang uns,
dem inspizierenden Oberleutnant den gesunden Schlaf des Ge-
rechten vorzutäuschen. Kaum war jedoch die Inspektion vor-
über, so sprangen wir beide von unsren Pfühlen, zogen unsre
Ausgch - Uniform an, nahmen die Guitarren und hinaus ging
es in die Nacht.
vor der Villa angekommen, riet Max, das Gitter zu über-
steigen, damit wir dem Fenster der Holden näher seien und nicht
so laut zu musizieren brauchten. Ich sah den Vorteil dieses
Vorschlages ein und so kletterten wir in den Garten. Dann
ging's lost Recht weit aber waren wir noch nicht gekommen, als
sich trotz unsres schmelzendsten Adagios klirrend ein Fenster öffnete
und eine Bärenstimme zornbebend uns andonnerte: „Ihr ver-
dammten Schlingel, wollt ihr wohl machen, daß ihr weiter
Der gekränkte Dichter.
— „Warum haben Sie immer einen so wütenden Haß auf den armen Amtsrichter?"
— „Ach, der niederträchtige Kerl! Neulich trug ich in der Gesellschaft ein stimmungsvolles Gedicht vor; da — an der rührendsten
Stelle läßt er seine Schnupftabakdose herumgehen . . . und der ganze Effekt war wcggenieftl"
(Line glückliche Wendung.
as sechzehnjährige, blondhaarige Töchterchen des pensio-
nierten Obersten lN. hatte es fast sämtlichen Zöglingen
des Kadettenhauses in N. angetan. Wenn wir Aus-
gang hatten, konnte man sicher die meisten von uns in der Nähe
des Stadtxarks treffen, wo die Villa des Obersten lag. Der
Garten, der diese umgab, war durch ein hohes, spitz auslaufendes
Gitter eingefaßt, was jedoch nicht verhinderte, daß wir durch
eine Lücke das Fenster der kleinen Paula erspähen konnten, hinter
dessen duftigen Vorhängen jedesmal der reizende Blondkopf er-
schien, wenn die gewohnte freie Stunde uns in verliebter Parade
daran vorbeiführte. Manchmal fügte es sich auch, daß einige
Freundinnen bei ihr waren, was den Reiz unsres Vergnügens
noch erhöhte. So bildete sich mit der Zeit ein gewisses Einver-
ständnis heraus, ohne daß wir jedoch Gelegenheit gefunden hätten,
mit unsrer Angebeteten ein Wort zu sprechen.
Da fügte es der Zufall, daß wir, mein Freund Max und
ich, erfuhren, daß am kommenden zwanzigsten Juli der Geburts-
tag der allgemein Verehrten war. Mit ängstlicher Sorge hüteten
vir das kostbare Geheimnis vor unsren Kameraden, denn diese
Kenntnis sollte uns dazu helfen, alle unsre Rivalen aus dem
Felde zu schlagen. Und um das zu erreichen, beschlossen wir
nichts Geringeres, als unsre Herzenskönigin am Vorabend des
großen Tages mit einem Ständchen zu überraschen.
So kam der Abend des neunzehnten Juli heran. Max und
ich begaben uns wie gewöhnlich zn Bett, und es gelang uns,
dem inspizierenden Oberleutnant den gesunden Schlaf des Ge-
rechten vorzutäuschen. Kaum war jedoch die Inspektion vor-
über, so sprangen wir beide von unsren Pfühlen, zogen unsre
Ausgch - Uniform an, nahmen die Guitarren und hinaus ging
es in die Nacht.
vor der Villa angekommen, riet Max, das Gitter zu über-
steigen, damit wir dem Fenster der Holden näher seien und nicht
so laut zu musizieren brauchten. Ich sah den Vorteil dieses
Vorschlages ein und so kletterten wir in den Garten. Dann
ging's lost Recht weit aber waren wir noch nicht gekommen, als
sich trotz unsres schmelzendsten Adagios klirrend ein Fenster öffnete
und eine Bärenstimme zornbebend uns andonnerte: „Ihr ver-
dammten Schlingel, wollt ihr wohl machen, daß ihr weiter