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Meggendorfer-Blätter — 58.1904 (Nr. 706-718)

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Nr. 718
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https://doi.org/10.11588/diglit.20903#0158
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Illeggendorfer -1) 1 älter, II l ü n ch e n


kommt, sonst lasse ich die Hunde ans euch los!" Das war
die Antwort auf unsre, mit den erhabensten Gefühlen zum
Ausdruck gebrachten Liebespoesien I
Schnöde Welt!
Doch da wir die unheilverkündende Stimme nur zu gut kann-
ten, so gaben wir Fersengeld, so gut es uns der in die Glieder
gefahrene Schreck ermöglichte. In wilder Hast erklommen wir
das trennende Gitter, wobei ich gar nicht bemerkte, daß die
tückischen Spitzen desselben einen Teil meiner Hose zurückbehielteu.
Erst als wir glücklich wieder in der Anstalt angckommen waren,
gewahrten wir mit Entsetzen das Fürchterliche, das unbedingt
zu unsrer Entdeckung führen mußte, wenn das verräterische
Stück in die Hände unsrer Verfolger fiel. Doch für jetzt war
nichts zu machen, wir konnten das corpus delicti nicht mehr
holen, Mar gab mir daher den Rat, über diesSachc zu schlafen;
morgen werde sich schon ein Ausweg finden. Ein schwacher
Trost, aber mir blieb momentan wirklich nichts Besseres übrig,
als ihn zu befolgen.
Ls blieb indessen beim Versuch, denn vom Schlafen war
keine Rede. Die Augst ließ mich nicht zur Ruhe kommen, und
schlossen sich meine Augen dennoch auf einige Minuten zum
Schlummer, so quälten mich fürchterliche Träume, deren ge-
ringster war, daß ich mit Schimpf und Spott die Anstalt ver-
lassen mußte. Endlich aber machte der scharfe Ton der Trom-
pete der Folter einer solchen Nachtruhe ein Ende, allerdings
nur, um mich zu einer vielleicht noch grausameren Wirklichkeit

zu erwecken. Max hatte vortrefflich geschlafen und war bereits
in Grdnung, als ich erwachte.
„Daß Du Dich um keinen Preis meldest," mahnte er mich
eindringlich, und da hieß es auch schon: „Alles im Kaserncn-
hof antreten l"
Mit schlotternden Knieen stand ich in Reih und Glied und
wie durch einen Nebel vor den Augen sah ich den Komman-
danten und die übrigen Vffiziore auf uns zuschrciten. Dann
sprach der erstere mit strenger Stimme: „Gestern Nacht sind
zwei Zöglinge unsrer Anstalt in den Garten des Herrn
Bberst M. eingeftiegen, wobei sie eine Art von Katzenmusik
vollführten. Die Schuldigen mögen sich melden, wenn sie mit
einer gelinden Strafe davonkommen wollen."
Bei dem Worte ,Katzenmusik' ging ein Zucken über Maxens
Gesicht, als wenn er den Kommandanten wegen dieser Belei-
digung zur Rechenschaft ziehen wollte. Mir war allerdings
etwas weniger herausfordernd zu Mute und schon war ich im
Begriff vorzutreten, aber Max hielt mich so krampfhaft am
Rocke fest, daß ich es nicht wagte. Noch einmal wiederholte
der Kommandant seine Aufforderung; natürlich mit dein gleichen
Erfolg. Jetzt ging cs aber wie ein wetterleuchten über sein
Gesicht und mit drohend erhobener Stimme fuhr er fort: „Das
ist mir denn doch der Gipfel der Frechheit.! Jetzt werden wir
einmal mit Paradchosen antrcten lassen und wehe dann dein
Eigentümer dieses Fetzcnsl Dabei hob er das mir gehörige
Stück Tuch in die Höhe. Dann kommandierte er: „Abtrctcnl
In fünf Minuten wieder mit den
Paradehosen antreten!"
Jetzt Unheil nimm Deinen
Lauf! Hätte mich Max nicht hin-
aufgeschleppt, so wäre ich wohl
nicht von der Stelle gekommen.
Als wir oben waren, drückte
mir der Brave eine völlig unver-
sehrte Hose in die Hand. Sprach-
los vor Staunen und freudiger
Ueberraschung schaute ich ihn an,
worauf er mir erklärte, daß er in
aller Frühe schon den Burschen
des Leutnants P. aufgefangen
und diesem durch ein splen-
dites Trinkgeld und große Ueber-
redung dazu bewogen habe, ihm
die Hose seines Herrn ohne dessen
wissen auf einige Viertelstunden
leihweise zu überlassen. Die wahn-
sinnige Freude über diesen genialen
Einfall rief in mir den Gedanken
wach, Max sei der großartigste
Kopf des Jahrhunderts.
Stolz erhobenen Hauptes schritt
ich nun hinunter und stellte mich
kecklich neben die andern. Aber
war es nun Zufall, oder wollte
mich das Schicksal absolut zu
Gründe richten, daß gerade Leut-
nant p., der Eigentümer der er-
borgten Hose, es war, der die
Reihe, in der ich stand, visitieren
mußte? Alle vor kurzem noch aus-
gestandenen Tualen kehrten mit ver-
doppelter Heftigkeit zurück, als mir
diese neue Wendung der Dinge
zum Bewußtsein kam. Jetzt blühte

(öemütlich.


Passagier (auf der Sekuudärbichn): „Der wagen stößt ja entsetzlich, woher kommt das?"
Schaffner: „Das sind sicher wieder die lausigen Bauernbuben, die sich von den Rädern
die Nüsse aufknacken lassen."
 
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