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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 37.1899 (Nr. 432-444)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16698#0145
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Aleggendorfers Humoristische Blätter.


Line Gesellschafts-Linladuna.

„Sie müssen wohl noch Besorgungen für Jhrc Gesellschaft
machen?" fragte der Uommandeur in ironischem Tone.

„Zu Befehll" sagte Kestorff — er hatte selbst dann „Zu
Befehl l" gesagt, wenn der Gberst ihn gefragt hätte, ob er in
Berlin jemand hinrichten wolle.

Zu spät merkte der Aommandcur, daß seine Frage nicht
sehr schlau gowesen war, daß er sich mit derselbcn selbst ge-
fangen habe. Lr konntc nun doch nicht gut „nein" sagen, dem
Gastgeber nicht die Möglichkeit nehmen, in vornehmer tveiso
fnr seine Gäste zu sorgen, er konnte doch dem Lcutnant nicht
verwehren, für einc Gesellschaft, an der er sclbst beinahe teil-
genoinnien hätte, cinzukaufen, das hätte doch beinahe aus-
gesehen, als wenn er sagen wollte: ich bekonnne doch nichts
von den schönen Sachen, folglich braucht ihr anderen auch
nichts. Das ging doch nicht.

So knurrte er denn ärgerlich: „Na denn meinetwegen,
aber kommen Sie mir bitte in diesem Iahr nicht wieder damit,
daß Sie auf Reisen gehen wollen."

Daß man aber keincn Vorgcsetzten ungestraft um Urlaub
bittet, merktc Aestorff, als nach einem schier endlosen Gesecht
endlich die Aritik crfolgte.

Falsch gewesen war alles von Anfang bis zu Lnde, darüber
wundertc sich nun freilich niemand, denn die Uebungen sind
ja da, damit Fehler gemacht wcrden und damit man aus den
Fehlern lernt.

Falsch gewesen war alles, aber das Falscheste des Falschen
stellten die Lseldenthaten dar, die Aestorff mit seinem Zuge
verbrochen hatte und der kserr Vberst konnte sich nicht genug
darüber wundern, daß ein so altor Bffizier so wenig leistete.

Unter anderen Umständen hätte Aestorff sich über diese
oernichtende Beurteilung seiner Leistungen die obligate inili-
tärische Schwindsucht an den ksals geärgert, heute aber, am
vorabend seiner Reise dachte er: „Rede nnr, Frcundchen, wenn
Du glaubst, daß Du mir durch Deine Morte die Laune verdirbst,
dann irrst Du Dich sowohl als auch . . . Morgen Mittag um diese
Zeit bunnnle ich bereits mit der Gattin — ach der teucrnl —
untcr dcn Lindcn und ich schwöre vir bei allem, was vir heilig
ist, daß ich dann aber auch nicht einc halbe Sekunde an Dich
deuken will. Mit ineinem militärischen Leben schließe ich heute,
wenn auch nur vorläufig auf die Daucr von fünf Tagen ab.
Fünf Tage sind aber vierhundertzweiunddreißigtausend Sckunden,
und das ist eine lange, lange Zeit. Im übrigen niagst Du
ruhig sagen, was Du willst; ich erkläre mich für einen Lhrcn-
mann und erwarte von Dir deu Gegenbeweis."

Am Nachmittag desselben Tages reiste Aestorff mit seincr
Frau ab und wie im Fluge ging der schöne Aufenthalt in Berlin
zu Lnde.

Aaum waren sic nach ihrer Mcinung angokommen, da
mußten sie schon wiedcr ihre Aoffer paeken und die Rückreise
antrcten.

Als Aestorff sich ain nächsten Mittag „von Urlaub zurück"
gemeldct hatte und nach ksaus kam, fuhr seine Frau bei scincm
Anblick crschrocken in die ksöhe: „Um Gottes willen — wic
siehst Du aus? — was ist geschehen? sprich l — ist jemand ge>
storben? gewiß, ich irre mich nicht — foltere mich nicht länger,
wer ist es?"

„Jch leider nicht," stöhnte er, während er in einen Stuhl
sank, „aber ich wollte, es wäre Nacht oder die preußen kämcn."

„Aber so rede doch," drängte sic, „was ist geschchen? So
sprich doch I"

„Setz Dich auf einen Stuhl," riet er, „und halte Dich init
beiden Lsändcn fest oder rufe den Burschcn, daß er Dich fest-
bindet. Mache Dich auf das Schlimmste gefaßt."

„Aber so sprich doch!" bat sie noch einmal — Angst und
Furcht vor dcm Aominenden sprachen aus ihrcn Zügcu.

„Mcißt Du wohl, daß heute Mittwoch ist, der Tag, au dem
wir unsere Gcsellschast geben wollten? Ia? danu kann ich mich
kurz fassen. Frau von Aramsta ist krank geworden, dic Gescll-
schaft ist abgesagt, der Vberst komint heute Abend zu nns."

„Du bist wahnsinnig," rief sie voll Lntsetzen

„Ich würde die letzten sünfzig Mark, die ich aus Berlin
mitgebracht habe, dafür ausgeben, wenn ich wirklich wahnsinnig
wäre," sagte er, „dann säße ich heute Abend sichcr hinter Schloß
und Riegel, und niemand käme zu niir."

„lvie ist denn aber nur so etwas möglich?" fragte sie.

„Die Sache ist sehr cinfach," gab er zur Antwort, „dcr
Vberst emxfing niich schr freundlich, crzählte mir, daß dic Ge-
sellschast bei Aramsta abgesagt sei und fragte mich, ob wir vicl-
leicht noch für ihn uud seine Gattin Platz HLtten."

„Und vu hast „ja" gesagt?" fragte sie verzweifelt, die
bsände ringend.

„Gott sei es geklagt! — ja," gab er zur Antwort — „ich
bekam einen solchen Schrecken, daß ich zu dem langen Ivort „nein"
nicht die phvsische Araft besaß. Außerdein bedenke: wir haben
Urlaub gehabt, um für die Gesellschaft einzukaufen, da konnte
ich doch heute Mittag nicht sagen, daß wir keine Gäste er-
wartcten."

Frau Marie saß verzwcifelt in ihrem Stuhle und iveintc
die bittersten Thränen. „Du thust niir ja lcid," versuchte er sic
zu trösten, „und ich selbst thu' mir ja noch viel leider. Aber das
hilft nun alles nichts, die Gesellschaft niuß gegeben werdcn."

Sie sprang in die ksöhe: „kvas? Du verlangst doch nicht
von mir, daß ich heute Abcnd wirklich Gäste bei uns sehe?
Außerdeni haben wir ja niemand und sclbst wenn Du noch

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