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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 43.1900 (Nr. 510-522)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20908#0030
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22

Aleggendorfers Humoristische Blätter.

Ässes mögtiche.

— „Mei' neues Liaus wird großartig l Da hat sogar das vieh an separat'n
Eingang."


gigantisch, kolossal, titanenhaft, babelturmgewaltig. lvie den
starken Lichbaum zur Zeit der Friihjahrsnachtgleiche die Säfte
und Triebe in erregter Gährung durchkreisen, so xulst Blut
und Rraft in ungestümem Aufruhr durch meine Adern. Das
Staatswesen meines Ichs ist durchwühlt von tumultuarischen
Emxfindungen, erschüttert durch eine Rebellion der Gefühle,
es stürmt in mir und wetterleuchtet, und deshalb muß und
muß ich mich aussprechen und deine Gegenrede hören; denn
Reden und Gegenreden sind bei jeder Reoolution unbedingt
erforderlich und absolut notwendig, wenn anders fich die um-
stürzlerischen Ideen zur gewaltigen That verdichten sollen.
Und meinem hochkloxfenden Ljerzen wird eine That entsxringen,
großartig, göttlich — wie Pallas Athene, die aus dem Ljaupt
des Donnerers Zeus hervorging. Welcher ungewöhnliche vor-
gang mir in (lZuarta eine unvergeßliche ol^mpische Dhrseige
einbrachte, weil ich damals das standesamtliche Ursxrungsattest
der xersonifizierten weisheit nicht im Roxfe hatte."

Ioachim rang die ^Lnde und flehte Balduin durch einen

steinerweichenden Blick um Erbarmen, aber
Balduin prahlte ungerührt weiter:

„Line That wird meinem Ljerzen ent-
springen, eine That, ha — ich weiß zwar
noch nicht, was für eine, aber irgend eine,
eine riesenhafte, weltbewegende, für die
ein Lorbeerkranz ein völlig ungenügender
Lohn wäre; für die man einen ausge-
wachsenen Lorbeerbaum auf meinen Scheitel
wird xsianzen müssen —"

„Aellnerl Selters, Zitronen, Lis —
Lis," wimmerte Ioachim mit überschnap-
xender Stimme.

„Laß mich ausreden," ereiferte sich
Balduin, „nachher sollst du sprechen, nach-
her, denn jetzt drängen meine hochwogen-
den Gedanken unwiderstehlich nach Lrlös-
ung aus der engen Anochenhöhle meines
SchLdels, um sich als wohllautfunkelnder
Vortrag in deine lauschenden Mhren zu
ergießen, o Ioachiml und deine Seele und
Sinne auf den Schwingen der Begeisterung
zu entführen nach dem Tempel der Liebe,
wo die Göttin der Schönheit auf alabaster-
nem Throne ihre rosigen Glieder dem Ge-
nusse entgegenschmiegt" —

„Und die verrücktheit mich innerhalb
der nächsten zehn Minuten auf ewig in
totale Finsternis einhüllen wird," knirschte
Ioachim.

„Ich bin gleich soweit," sagte Balduin,
der nicht verstanden hatte, „dann kommst
du dran. Ich muß dir nun erst von dem
rasenden Wirbelsturm erzählen, der mich
wie einen geschlagenen Federball zwischen
wonnelichtem kfimmel und glutwabernder
Ljölle hin- und herschleudert."

Ioachim sank in sich zusammen und
atmete schwer.

„Dieser wirbelsturm — du ahnst es,
mein feinfühlendcr Ioachim: ist die Liebe.
Ich liebe. Ich liebe sie — Armgard heißt
sie. Aber noch weiß ich nicht, ob ich Lr-
hörung finden wcrde. Uiög' es mein Ge-
schick günstig fügen, sonst geh' ich rettungs-
los unter. !venn mir's beschieden sein sollte, mich mit ihr zu
vereinen, mit ihr zu schwelgen in begeisterter Rede und be-
geisternder Gegenrede, das würde mich zu Titanenthaten befähigen
ha, ja, ol Titanenthaten würd' ich verrichten."
„Tanenthatentanenthaten," lallte Ioachim.

„D Armgardl" rief Balduin. „Ich habe sie natürlich
bereits besungen. lhöre, geliebter Freund, mein Lied."

Ioachim keuchte wie ein von der heulenden Meute ge-
stellter, abgehetzter thirsch, der den Todesstoß erwartet. Balduin
deklamierte:

„D Armgard, Armgard

„Dadurch, daß mir mein volles tferz zu warm ward,

„Traf mich des Schicksals mitleidloser Arm hart.

„wenn mich dein wangenglühen mit Alarm narrt,

„D wie alsdann mein Dichteraug' voll tfarm starrt,

„Jm Zweifel, ob denn meiner kein Erbarm harrt.

„Ich stöhne, wie verstimmter Geige Darm schnarrt,
 
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