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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 43.1900 (Nr. 510-522)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20908#0054
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Meggendorfers humoristische Blätter.

^6


würdigsten tveise zu einem Sxaziergang nach Großhessellohe sür
nachmittags zwei Uhr eingeladen; „den Abend verbringen wir
dann auf dem Lsosbräuhauskeller, mein Mann wird sich sehr
freuen, wenn Sie mitkommen," sagt Frau B. Ulehr als die
freundliche Linladung von Seiten der Mama, thun die leuch-
tenden Augen Amaliens; ste ist auch ein gar zu netter Aerl,
schwätzt allerliebst, kurz, es versxricht ein wunderbarer Nach-
mittag und ditto Abend zu werden. U!it dem besten Danke

für die Einladung, dem üblichen ,Guten Apxetit' und Gruß
an kserrn Gemahl, verabschiede ich mich. Und nun rasch zu
N., daß mir der nicht auskommt. N. ist immer am schwersten
anzupumxen, und es gehört schon ein gewisses Genie dazu, aus
ihm etwas herauszubringen. Mit wahren Raubrittergedanken
stürme ich in sein vier Treppen hoch gelegenes Atelier, den
Dackl hinter mir herziehend. Dben angelangt, verschnaufe ich
etwas und klopfe dreimal rasch hintereinander an die Atelierthüre.

Unter Malern, wenigstens einem großen Teile derselben,
herrschen gewisse Förmlichkeiten, insoferne, als der im ver-
schloffenen Atelier befindliche, sogleich weiß, wer eigentlich
draußen ist. Ls ist dies ein Lrkennungszeichen, ähnlich dem
ksändedruck der Freimaurer. Der Schlüssel dreht sich herum,
die Thüre geht, immer noch sehr vorsichtig auf, ich trete ein
und es entwickelt fich, nachdem sorgfältig zugesperrt und der
Schlüssel aus dem Schliisselloch herausgezogen wird, ungefähr
folgendes Gespräch:

„N)as wollen denn Sie da?"

„bsab' nur ein wenig nachschauen wollen, wie weit Sie mit
Ihrem Bilde sind."

„So."

Ich trete näher an die Staffelei, betrachte das Bild, das
ich seit vier Tagen nicht mehr gesehen habe, an dem N. aber
schon ein halbes Iahr malt und seit drei Monaten ein wesent-
licher Fortschritt nicht zu bemerken war, geschweige denn in den
letzten vier Tagen.

„Donnerwetter, da haben Sie aber, seitdem ich das letzte
Mal da war, verdammt viel gearbeitet."

„S°!"

N. scheint etwas kritisch aufgelegt zu sein, ich werde ihn
mir aber. aus seiner Reserve schon herausholen.

„Die Figuren sind ausgezeichnet gemalt, besonders die erste,
die das Blumenbouquet hält," bemerke ich.

N. preßt seine Ligarre fest zwischen die Lippen, stößt mäch-
tige Damxfwolken heraus, und beginnt etwas nervös an der
Landschaft herumzunudeln.

Antwort keine.

„Die Landschast haben S' erst die letzte bvoche so umgestimmt,
wie sie jetzt ist," sage ich, um nur das eckelhafte Stillschweigen
zu brechen. lvenn der Aerl nur reden würdel

N. legt xlötzlich seine Palette weg, niinmt die Ligarre
zwischen seine langen Finger, horcht bei dem leisesten Geräusch
an die Thüre hin und beginnt:

„Mir ist da heute etwas sehr Dummes xassiert."

„Auwehl" denke ich mir, „wenn dem etwas sehr Dummes
xassiert ist, hat er zahlen müssenl" N. sährt fort:

„Da kommt heute Morgen in meine lvohnung — in meine
lvohnungl Denken Sie nur die Gemeinheit, der Rohlenhändler
und bringt die quittierte Rechnung für die Rohlenlieferung vom
lvinter. ^Ich finde es überhaupt unverschämt, wenn die Leute
einem gleich immer die quittierten Rechnungen bringen, wie
wenn man das Geld nur so da hätte, kurz und gut, der gibt
die Rechnung der Aöchin und die dumme Gans hat's bezahlt.
Ich habe ihr und meiner Frau die größten vorwürfe wegen
ihres Leichtsinns gemacht, kann aber an der Thatsache nichts
mehr ändern. Und was nämlich das Dumme daran ist, es war
das ganze letzte Geld, das ich für diesen Monat habe. Ieht
habe ich heute die blonde Marie, die mir für diese Figur siht,
herbestellt, um ihr, weil heute Samstag ist, das Modellgeld aus-
zuzahlen. Ietzt habe ich thatsächlich kein Geld mehr und muß
sie so abspeisen."

„wissen Sie was?" unterbrach ich ihn, „lassen Sie sie ein-
fach nicht herein, bis morgen kriegen S' schon irgendwo eins." —
„Das Gescheiteste ist's; aber ich habe mir gedacht, wie ich Sie
gesehen habe, ob Sie mir vielleicht zwanzig Mark leihen könnten,
bis übermorgen haben Sie sie wieder?" — „Mit dem besten lvillen
nicht; ich muß selber erst sehen, ob ich nicht für heute Nachmit-
tag für mich eins auftreiben kann," erwiderte ich.

lvir standen noch ein wenig im Atelier herum, schimpften
über die schlechten Zeiten, als xlötzlich der Dackl zu knurren
anfing. Ich wollte mich entfernen, aber Freund N. hielt meinen
Arm wie mit eisernen Rlammern umfaßt.

„lvenn Sie jetzt hinuntergehen," sagte er, „es wird die
blonde Marie sein, die die Trepxe heraufkommt, so sieht diese
ja, daß Sie aus dem Atelier kommen und weiß, daß ich da bin.
Sie müssen so lange warten, bis sie fort ist." Schweigend setzte
ich mich auf den Diwan, nahm meinen Dackl zu mir, der jetzt
schon wieder bedenklich zu knurren anfing.

„Daß Sie das Mistvieh aber gerade heute mitbringen
miissen," zischelt N.

Da kloxft es. Anfangs ganz bescheiden. „bserr N., kjerr
N.l" ruft eine Stimme.

Den Dackl nehme ich auf den Schoß, um ihm die Schnauze
fest zuzuhalten. Lr wehrt sich zwar wie ein Aal, es gelingt
ihm aber nicht, sich zu befreien.

Ls klopft stärker. „Herr N., ich bin's, die Marie."

„weiß ich schon, mach, daß du zum T.kommst,"

knurrt N.

Lndlich geht die Person. N. atmet auf und ich auch.

Aber was ist das? wir hören nur ein xaar Schritte, dann
ein Geräusch, wie wenn jemand sich auf die Treppe setzt, Sie
Trexpe hat wohl geknarrt, aber nur einmal.

N. sieht vorsichtig durch das Schlüsselloch.

„wahrhaftig dort sitzt siel" seufzt er.

Ich denke mir, sie wird doch bald kjunger bekommen, es
ist bald zwölf Uhr; wenn sie nur nicht zu lange sihen bleibt,
um zwet Uhr soll ich ja bei B. sein, um nach Großhessellohe
 
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