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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 43.1900 (Nr. 510-522)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20908#0066
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58

'Neggendorfers humoristische Blätter.


„Iesas l was ist denn jetzt meinem armen Mann passiert?"
— — „Lrschrecken S' nur nicht, Frau ksuberin, wie Ihr Mann
um neun Uhr nach Haus gehen wollte, ist er überfallen worden,
legen S' ihn nur gleich schön —

— ins Bett, geben S' a paar kalte Umschläge und ein
Flascherl Rum zum stärken. Gute Nachtl-"

Die

Darin aber, dieses eine für seinen Brotherrn mit vieler List und
Tücke zu erobern, es fest zu halten und sich von keinem andern
wieder fortnehmen zu lassen, darin besteht die große Kunst, die
viele üben, aber nur wenige lernen.

„Ich muß etwas ganz Neues, etwas ganz Eigenartiges er-
finden," sagte sich Wurm, „wcnn ich mein Ziel erreichen will.
In manchen Drtschaften liegen wir mit den verschiedensten
Truxpenteilen zusaminen, jedes Bataillon entsendet seinen Fourier,
der älteste hat am meisten zu sagen, und da ich mit tötlicher
Sicherheit der jüngste bin, wird meine ganze Thätigkeit aller
lvahrscheinlichkeit nach, wie schon so ost, darin bestehen, das
Ulaul — xardon l — den Mund zu halten, das zu thun, was die
anderen mir vorschreiben und zufrieden zu sein mit den Bro-
samen, die die älteren Aameraden mir übrig lassen. Daran
denke ich aber gar nicht. Mit dem Amt, so pflegt man zu sagen,
kommt der Nerstand — das Amt hätten wir, ob aber auch den
Verstand? Versuchen wir durch einiges Nachdenken uns davon
zu überzeugen, ob diese edle Gottesgabe bereits bei uns einge-
kehrt ist."

Lr ließ diesem Lntschluß die That folgen, legte sich auf
seine Lhaiselongue, zündete sich eine Ligarre an, sah den blauen
Rauchwolken nach und zermarterte sein Gehirn.

Der ersten bjavanna war schon lange die zweite gefolgt
und dieser die dritte; unruhig wälzte er sich auf seiner Lager-
stätte hin und her, bald schloß er dic Augen, um ungestörter
denken zu können, bald riß er sie weit auf, um nachzusehen, ob
an der Zimmerdecke nicht das erlösende Wort geschrieben stände,
eine Stunde verstrich nach der anderen, es wurde Nacht, aber
damit zugleich auch Tag in seinem Gehirn — seine Nasenflügel
fingen vor Erregung an zu zittern und gleichzeitig begannen
seine Vhren sich zu bewegen. Das war bei ihm ein untrüg-
liches Zeichen, daß er einen Gedanken hatte.

„kseureka! ich hab's," rief er frohlockend, „wär' der Gedank'
nicht so verflucht gescheit, man wär' versucht, ihn herzlich dumm
zu nennen" — so heißt es ja wohl. Lntweder glückt's, oder es
geht schief, ein drittes gibt es nicht. Mären Gchsen in der
Nähe, so müßte ich nach berühmtem Muster den Göttern einige
Dutzend dieser Tiere opfern, die in besonderer Abart als Lseu-
ochsen auch beim Militär in nicht zu verachtender Anzahl vor-
kommen. kseureka, ich hab's l"

Mit der Gelenkigkeit eines Parterre-Gymnastikers sxrang
er in die Ljöhe und setzte sich an seinen Schreibtisch, um trotz

Mb-.

der späten Stunde noch einen Brief an seinen alten kserrn zu
schreiben, der als Excellenz a. O. in einem jdensionopolis lebte
und der bis an sein Lebensende auf der ganzen Welt weiter
nichts mehr zu thun hatte, als seine Gäule sxazieren zu führen
und über seine Verabschiedung zu schelten.

Ls war vier Mochen später am vorletzten Manövertag.
Auf eincm Feldherrnhügel hielt Wurms Gberst, der als ältester
Regimentskommandeur heute die Brigade führte und neben ihm
Wurms Bataillonskommandeur, der an Stelle des erkrankten
Oorgesetzten der Regimentssührer war.

Der kserr Gberst befand sich in der denkbar schlechtesten
Laune, selbst sein Adjutant, der während seiner nun bald drei-
jährigen Thätigkeit wirklich nicht durch gute Behandlung
verwöhnt war, mußte sich eingestehen, seinen Brotherrn noch
niemals in einer derartigen Stimmung gesehen zu haben. Schlau
wie er war, hielt er deshalb auch nicht neben seinem Aommandeur,
sondern weit hinter ihm.

Alles auf Erden hat seinen mehr oder wenigcr stichhaltigen
Grund und seine veranlassung — so auch die Mißstimmung
des Regimentskommandeurs. Lr hatte gestern mit seinem Stabc
in demselben Vrt gelegen wie das Bataillon, dessen Lommandeur
neben ihm hielt und ein Guartier gehabt, ein Guartier, das nach
seiner, indiesem Falle ja ganz alleinmaßgebenden Ansichtüberhauxt
gar keins gewesen war. In dem kjaus, in dcm er wohnte, hatte
esrnicht nur Gott weiß nach welchen Ingredicnzien gerochen,
sondern sogar ge—duftet, die Luft in seinen Zimmern war ein-
fach zum umkommen gewesen, das Lssen hatte selbst sein Polaken-
Bursche mit Widerwillen zu sich genommen, und das Bett —
ja, das war das Allerschönste von allem gewescn. Zahlreiche
Stellen im Gesicht, auf den bsänden und an weniger sichtbaren
Aörxerteilen bewiesen ihm hcute noch, daß er diese Nacht nicht
allein zugebracht.

Und dabei hatte der Major in einer villa gewohnt, die im
vergleich mit seiner Behausung die reinc villa bsügel des
Lanonenkönigs Arupp gewesen war.

Das konnte nicht mit rechten Dingen zugegangen sein, nicht
nur Lhre dem Lhre gebührt, sondern auch das beste Guartier
demjenigen, dem es zusteht, und in zweifelhaften Fällen ist alle-

(Fortsetzung Seite 59 )
 
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