Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 47.1901 (Nr. 562-574)

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.16557#0013
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
BI e g g e n d o r s e r s I)urnoristische Blätter

NliLterwochen.


^ > lso INutschi," sagte der j)rivatgelehrte Dr. Röhl zu

I seiner juugen, hübschen Frau, mit der er in dem be-
haglichen Arbeitszinnner seines kiauses am chrühftücks-
tische saft, „also heute wird es Lrnst." Frau Nutschi rührte
zerstreut das Restchen Aaftee um, das sich in der Tasse besand,
und blickte leise seuszend hinaus in den Garten, wo der chlieder
blühte und die roten Nnospen der ersten Rosen im dunklen
Laube schimmerten.

„ksorch, wie schön der Rogel singt," ries sie, indem sie sich
rasch erhob und an die Balkonthüre herantrat.

„Ist das nicht eine Rachtigall?"

„Ts wird eine Lerche sein, Rind," ineinte der Doktor.

„Und schau nur, cherdi, wie herrlich es heute ist, wie wunder-
voll!" 5ie hob sehnsüchtig die Arme, dann wandte sie sich plötzlich
und überhäuste den ahnungslosen Gelehrten mit einer solchen
Flut von Rüssen, daß er, mühsam sich losringend, gerade noch
jo viel Atem schöpsen konnte, sein bißchen Leben zu retten.

„Ra, aber Mutschi, wildsang ....?" Tr wollte eben sra-
gen, was sie denn habe, da war sie schon von seiner 5eite
verschwunden und kauerte in einer dunklen Ecke, hielt beide
ksände vor das Gesicht und begann bitterlich zu schluchzen.

Dr. Röhl, der zwar ein hervorragender Aegyptologe, aber
ein etwas unersahrener Frauenkenner war, rieb sich die breite
Denkerstirne und suchte vergeblich einen Grund zu entdecken,
der dieses rätselhaste Benehmen seiner Frau einigermaßen
erklären könnte; da er aber keinen sand, so schnitt er eine
eigentümliche Grimafte, die ihm kein besonders imponierendes
Aussehen verlieh.

ksatte er sie unwiftentlich beleidigt, wie ihm das in seiner
jungen Lhe schon einigemal begegnet war? „INutschi,"
sagte er, während er sich ties zu ihr herabbeugte, um ihre
Züge zu ersorschen, und ihr, da ihm nichts Befferes einfiel,
leise auf den Rücken klopste, was sehr gut sein soll, wenn
jemand etwas in die „unrechte Rehle" gebracht hat — „Mut-

schi, was ist TNr denn?" Und dabei klopste er immer hestiger,
so daß die gute Atutschi schließlich die lftände sinken ließ und
unter Thränen lächelnd ihm versicherte, daß ihr eigentlich gar
nichts sehle, daß sie nur wieder cinmal namenlos dumm ge-
wesen sei.

Der Doktor schüttelte sein edles, blondgelocktes tftanpt und
versank in ein tieses Rachdenken, währenddeften er unermüd-
lich sorttrommelte, bis INutschi sich mit einem Ruck erhob, ihm
leise schmeichelnd über den Ropf suhr und mit sester, ernster
Ztimme sprach: „U)as sein muß, muß sein. Tinmal muß alles
ein Tnde haben, und wenn ich will, so kann ich auch."

Dr. Röhl erschrak nicht wenig, denn er begriff nun erst recht
nicht, was sie wollte, und die ungewöhnliche Tnergie, mit der
sie diese seierlichen Morte herausstieß, legte den Gedanken
nahe, chrau Ulutschi wolle sich sosort zu einem Rechtsanwalt
begeben, um ihre Thescheidung einzuleiten.

„N)as soll das heißen, Liebste," sragte er endlich, „ich ver-
stehe Dich nicht?"

Da umarmte sie ihn auss neue, und während noch die
Thränen in ihren Augen standen, küßte sie ihn mit leidenschast
licher Glut, als gälte es nunmehr aus ewige Ieiten Abschied
zu nehmen.

„Ferdi," sagte sie, „Du hast recht. Ls soll heute Lrnst
werden. U)ir waren so glücklich . . . diese U)ochen . . . ich
werde sie nie vergeften, Ferdi, unsere Flitterwochen . . . nie
Ferdi . . . Und ich würde mich auch heute nicht so thöricht
aussühren, wenn nicht
draußen so ein herrliches
N)etter wäre.. und wenn
ich nicht an Tapri denken
müßte . . . da hat es
auch so gedustet von
Blüten . . ." ^ie konnte
nicht weiter reden, der
Bock stieß sie allzuhestig
und so begnügte sie sich,
ihren Rops im stummen
5chmerz an seiner Lrust
zu vergrabcn.

Der Doktor lächelte,
denn nun war er zu
einem glücklichen l)er-
ständnis der Lage vorge-
drungen. Rorgestern
waren sie von der kioch-
zeitsreise zurückgekehrt.
kjeute sollte der große
Schritt vollzogen werden,
der U)erktag sollte in
sein Recht treten; heute
wollten sie sreiwillig, aus
seinen Vorschlag hin,
denn nötig hatten sie es
eigentlich nicht, nach zwei
glanzvollen Ukonaten sich
trennen und jedes den
Teil Arbeit übernehmen,
den es sich vorgesetzt hatte.

Dagegen schien sich
heute Frau Nkutschi zu
sträuben, obwohl sie
 
Annotationen