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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 47.1901 (Nr. 562-574)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16557#0015
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e g g e n d o rfer s L)unioristische Blätterv


„sssch will qar nichts," antwortete sie trostlos, „ich . . ."

„Nun was?" 5ie war xlötzlich verstumint.

„Aber Mutschi, sei doch uin Gottes willen vernünftig, es
ist doch nichts passiert?"

Lr batte sich erhoben und war zu ibr hingetreten. INit
beiden chänden hatte er ihren Noxs gesaßt und hob ihn zu sich,
um ihr in die Augen zu schauen. 5ie webrte ihm schmollend
ab und blickte trotzig zu Boden.

„N)as willst Du denn mit mir," sprach sie, „geh' doch zu
Deinen Büchern, die hast Du doch viel lieber, als mich."

„Mutschi, was bist Nu sür ein komisches Rind, warunr soll
ich denn aus einmal die Bücher lieber haben? chabe ich Dir
vorgeworsen, daß Du die pommes krites mir vorziebest, oder
bin ich aus Dein Roastbees eisersüchtig?"

5ie zuckte verächtlich die Achsel, als wollte sie ausdrücken,
daß sie schon lange keinen so hinkenden Vergleich vernommen
habe.

„Nun, sei gescheit, INäuschen, und höre einmal. Du hast doch
gestern, als wir über die iv-ache sprachen, zugegeben, daß es
notwendig sei, daß der INensch arbeite. chast Du das?"

„Ia," antwortete sie, „das ist selbstverständlich."

„Nun also, bleiben wir dabei," suhr er sort. „Es ist, wie
Du ebenfalls einsehen wirst, ein zarter Unterschied, ob ich einen
Braten herrichte oder ob ich studiere. Nicht wahr?"

5ie schwieg; wahrscheinlich weil ihr die Idee, wie ihr
cherr und Gebieter in der Aüche wirtschasten würde, äußerst
lächerlich erschien und sie auch gar nicht von der Schwierigkeit,
in alten Schmökern herumzuschnüsfeln, so sehr überzeugt war,
daß sie vor solcher Leistung eine besondere ksochachtung empfand.

„Und nun hör', mein Liebchen, wenn ich schon einmal da
sitze, so ist es doch besser, ich schaffe und bestrebe mich, vorwärts
zu gelangen . . ."

„Ich weiß schon . . . ich weiß alles," unterbrach sie ihn.
„Ich werdeDich auch gar nicht
mehr belästigen. Nur muß ich
doch fragen dürfen, was Du
magst? N)enn ich Dir etwas
hinstelle, was Dn nicht willst,
so bist Du ja wieder böse und
dann .... dann ..." Nein,
sie weinte nicht, sie wollte
durchaus nicht weinen. Er
sollte sehen, daß ihr gar
nicht soviel daran lag, ob
er sie liebte oder nicht, und
daher unterdrückte fie mit
kseldenmut den 5trom, der
sich zu ergießen drohte, und
zwang sich zu einer strengen
und herrischen Miene.

„Ein andres Mal, mor-
gen zum Beisxiel," meinte
er lächelnd, „werden wir auch
diese Sache praktischer an-
fassen. N)ir werden uns vor-
her über den Sxeisezettel
einigen. Ist das nicht klüger?

INutschi, bin ich nicht sür
einen Gelehrten ein sehr

vielseitiges Talent? Und nun sei wieder gut, komm 5chatzl
Du mußt doch wirklich begreifen, daß ich recht habe?"

Frau Mutschi war ein sehr gescheites jdersönchen und be-
griff so schnell wie nur irgend jemand, vorausgesetzt, daß sie
wollte und daß es ihr nicht wider das Gefühl ging. Augen-
blicklich fah sie abcr gar nichts ein und schwieg hartnäckig.

Nur hie und da warf sie einen schlimmen Blick auf das dumme,
dicke Buch, das sie am allerliebsten dem Feuertode überliefert
hätte.

Der Doktor aber, den ihr NAderstand reizte, xackte den
Trutzkoxf und küßte ihn trotz aller Gegenwehr so heftig und
so lange, als er hiezu die Lust verspürte. Und nun vollzog
sich ein ganz merkwürdiges Nlunder. Denn als sie die Augen,
die sie geschlossen hatte, wieder östnete, da blitzten sie so fröh-
lich und übermütig wie immer, so daß der Doktor über diese
N)andlung schier erstaunt war.

„Ietzt sagst Du mir," fragte er sie, „was Du eigentlich ge-
wollt hast?"

„Gar nichts weiter . . . ich wollte nur wissen, ob Du mich
noch lieb hast!"

„Aber Du Thörchen, ich habe es Dir doch eben vorhin erst
geschworen . . ."

„Ach vorhin . . . ich will es immer wieder hören, immer,
verstehst Du? Iede 5tunde, jede Ntinute, immer, immer . . ."

Der Doktor lachte. „Da werde ich mir noch einen jdhono-
graphen kaufen müssen," meinte er.

„N)as nicht gar! 5o, cherdi, jetzt geh' nur wieder zu
Deinen langwierigen Büchern, studiere . . . thu' was Du willst
— jetzt sollst Du Ruhe haben."

„Ntutschi," sagte er, „ist das auch wirklich wahr?"

„Ich gebe Dir mein N)ort, daß ich vor dem Tssen dieses
Zimmer nicht mehr betreten werde. Auf keinen Fall — außer
Du rufst mich."

Damit verschwand sie, und der Doktor kehrte wieber zu
seinem Arbeitstisch zurück und freute sich des 5ieges, den seine
Lrziehungskunst errungen zu haben schien. „Also beginnen
wir," sprach er zu sich und schlug die elfte 5eite auf.

Nnd wirklich, chrau Ntutschi hielt N)ort. Tine 5tunde war
fast in eifriger Thätigkeit verslossen, und der Doktor war schon
 
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