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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 47.1901 (Nr. 562-574)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16557#0032
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Meggendorfers t) u in o r i st i f ch e Llälter

Das Zwan^igmarkstück.

> / aum hatte sie Liut uud Umhang abzulegeu nerinocht —,
^ A so übermütig war er mit ihr im Zimmer umhergetollt,
^ hatte sie bald hoch in die Lust emxor geschwungen, war
bald, eng aneinander gepreßt, mit ihr im Kreise umhergewirbelt.
Ietzt saßen sie beide sich gegeuüber atemlos an dem schmalen
Tisch — nicht ohue daß die junge Frau vorher am Sxiegel
die lhaare ein wenig zurecht getuxst hatte —, uud zwischeu
ihneu aus dem weißen Tuch, das die buute Decke in der Nitte
angeuehm unterbrach, lag glänzend in dem hellen Lichte der
Lamxe und strahlend in einsamer glitzernder Schöne ein blen-
dendes, goldenes Zwanzigmarkstück. Fröhlich kichernd zeigte
er immer wieder aus die blitzende Nünze, blickte ihr dann lachend
in die verwundert fragenden Augen und rieb sich schelmisch die
bfände.

„Ia, sieh es nur ordentlich an! Bist wohl ganz geblendet,
Du blindes bfuhn? Glaubst am Lnde noch, es wäre ein ganz
gemeines Zwanzigmarkstück, wie es viele Millionen gibt und
wosür man sich ein j?aar Stiesel oder ein seidenes lhemd kau-
sen kann? Siehst Du, hier trügt der Schein auch — aber um-
gekehrt! Ts ist nicht alles nur Gold, was glänzt. Dies hier
ist mehr. Dies hier ist der Beginn einer neuen Tpoche, dies
ist der Gelzweig, den die Taube dem Noah als Zeichen neuen
Lebens brachte, dies ist der erste Schuß, der die Schlacht der
kfunderttausende erössnet, dies ist der Grundstein, den der Aaiser
legt, daß über ihn sich der stolze Dom erhebe, dies ist der Schritt
des Tolumbus, wie er als erster eine neue welt betrat. Sieh
es nur genau an, auch von der andren Seite, den Adler mit
den wild gesxreizten chlügeln; sieh ihn Dir an und staunel
wie es hergekommen ist, sragst Du? Ganz einsach und
natürlich, wie alles aus der welt: Durch den Briefträger, wel-
cher dasür einen Thaler Trinkgeld bekommen hat. Nerschwend-
ung? — Nein! Am liebsten hätte ich es ihm ganz und gar
geschenkt, wenn ich es nicht hätte behalten müssen; und ein
andres hatte ich nicht gerade zur 6and. And von wem? Da
habt ihr nun immer geredet, ich schriebe so allerlei zu allen
möglichen und unmöglichen Gelegenheiten, in Nlußestunden,
mich zu zerstreuen und in Ttunden der Torge, mich zu besreien.
To gut wie manch andres, das wir lasen, wäre dies und jenes
auch; ich sollte es doch einmal versuchen. wozu die Tachen im
Aasten vermodern lassen? Aurzum ich that es und schickte einen
kleinen Burschen in die welt, sein Glück zu macheu. Lseute aber
schickte er mir den güldenen Boten und sreundlichen Gruß vom
Meifter, wo er llnterkunst sand. Toll man sich da nicht sreuen?
5oll man da nicht aufjauchzen, wenn es den Rindern wohl geht
in der Fremde?

Die anderen Gesellen habe ich natürlich noch nichts davon
merken lassen, sonst wollen sie alle hinaus und spazieren gehen,
wo d^ie großen Nerren sich bewegen. Das geht aber nicht. Für
das lhaus waren sie ja gut genug —, aber wenn sie an die helle
Tonne kommen, da muß noch manch Näschen geputzt und
mancher chleck aus dem chlausrock gerieben werden. wenn sie
auch nicht seiner werden dadurch, sauber und adrett wenigstens
sollen sie aussehen. Vielleicht machen auch sie ihren weg.
Naben sie doch ein wenig Kern und auch leidliche Zormen,
wissen bald artig den Nut zu ziehen, bald auch gegen andre
Bengels die Tllenbogen zu benützen.

Alle aber schicken mir dann nach lhause dies Bild des
Regenten. Ts sei zwischen uns, wie die jdarole der Toldaten,
wie der Trkennungsring der alten Ritter, ein Lebenszeichen von
weit her. Tchon sehe ich die gelbe Zlut anwachsen, schon be-
deckt sie den ganzen Tisch, schon quillt sie über an den Teiten
und bildet Näuschen am Boden. Blendet es Dich nicht, all
das Gold?

Teit wann ich so geldgierig bin? — Geldgierig? Neinl
Füll mir das Zimmer mit Markstücken und es wäre mir ver-
drießlich, süll mir das lhaus mit Nickeln, und es ekelte mich
davor. Das Gold aber will ich haben. Das Gold ist das erste,
das beste, es ist der Aönig der lNetalle, es ist der schönste har-
monische Ausgleich inneren und äußeren lVertes: es ist, was
es scheint — es scheint, was es ist. lVar der Tänger ein gie-
riger Täuser, der sich als einzigen Dank den besten Becher
lVeins in purem Golde reichen ließ? lllar der lNann ein
wüster Tchlemmer, der sich von der großen, lecker besetzten Ta-
sel nur die eine kleine, die beste lNakrone nahm? Genießen
wollten die beiden die Blume des lVeins, den Dust des srischen
Gebäckes. Zum Tättigen ist schlechteres gut genug. To geht
es auch mir. Glaubst Du, ich würde jemals anrühren, was
Geldeswert in diesem Golde steckt? lNeinst Du, ich will die
Freuden meiner Ttunden ausbeuten, um Geld zu erwerben?
lNeinst Du, ich will mein bißchen Runft zur sleißigen Ttallkuh
machen? lNeinst Du, ich will meine Rinder sür mich arbeiten
lassen? Bisher hat es ja, Gott sei Dank, auch so gereicht und
wird auch weiter reichen. Dies aber hier wird ausgestapelt
Ttück sür Ttück, wie es ankommt. Nicht im dunklen Aasten
und womöglich vergraben, wie in alten Zeiten -- nein I auch
das Gold will leben, das Gold will arbeiten, das Gold will
die Tonne sehen. Dies kommt aus die Bank, zusammen mit
all seinen Brüdern, die ihm solgen werden; zusammen soll es
wachsen Zins aus Zins, Iahr aus Iahr. wenn mich aber am
Tchlusse die Aunst sragen wird, was aus dem jdsunde geworden,
 
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