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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 47.1901 (Nr. 562-574)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16557#0039
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IN eg g e n ü o r f ers Lfuino ristische Blätter.

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p. r. Abonnenten leider verbeten. Dieses Blatt nnn gab mir
den Auftrag, inich an den chof irgend eines asiatischen König-
reiches zu begeben, das gerade in Begrisf stand, das alte, faden-
scheinige Gewand angestainmter Aultur abzulegen und dafür
das neugewaschene chemd europaischer Livilisation überzustreifen.
Bei diesem denkwürdigen Noment des Wäschewechsels sollte
ich nun zugegen sein, um den wissensbegierigen Lesern des
weltblattes „Arähwinkler Telegraph" den interessanten jdrozetz
in Mort und Nomentphotograxhien zu Gemüte zu führen.

Ich ging, ich eilte, vielmehr ich flog dorthin. Als findiger
und windiger Iournalist ließ ich mich von einem lenkbaren
Luftballon an das Ziel meiner wünsche befördern. Zwar führte
der lenkbare Aerostat mit bemerkenswertem Ligensinn mich nach
dem Mesten, während ich dem Steuer begreiflich zu machen
suchte, daß meine Münsche nach Msten gerichtet sind. was
half's? Als anschlägiger Aopf und praktischer INensch, der auch
widrige winde sich dienstbar zu machen verfteht, ließ ich mich
einfach nach lVesten treiben. Die Erde ift rund, kalkulierte ich;
demgemäß muß ich ja von der entgegengesetzten Seite ebenso
gut ans Ziel kommen können. Und die 5ache stimmte. Ich
kam wirklich an den !^of und machte mich zu meinem ersten
Interview bereit.

Aber wen sollte ich zuerft interviewen? Welcher Persön-
lichkeit mußte ich für die gegenwärtige Aulturepoche die größte
Wichtigkeit beimessen? Ich sann lange nach. Lndlich verfiel

ich auf den Ariegsminister. Auf keinem Gebiete menschlichen
Tchafiens und Denkens herrscht ein so ungeheurer Fortschritt,
eine derartig raxide Tntwicklung, daß eine Trfindung, die heute
eingeführt wurde, morgen als absolut unzulänglich wieder ver-
altet und fast vergessen ist, wie in cheeres- und Ariegsangelegen-
heiten. i?o wird mich also ein Iuterview bei dem Ariegs-
minister am besten über den geiftigen Stand und die intellek-
tuelle Regsamkeit dieser asiatischen Nation aufklären, sagte
ich mir.

Der Ariegsminister kam mir entgegen und umarmte mich.
Natürlich hatten ihm die Zeitungen längst die Ankunft des
Lpezial-Berichterstatters vom „Arähwinkler Telegraph" ange-
kündigt. Dieser Tmpfang brachte mir eine sehr gute Neinung
von dem Aulturstaate des Bolkes im allgemeinen und den
militärischen Fähigkeiten des Ariegsministers im besonderen bei.

„Tie kommen gerade zu rechter Zeit," rief mir der Thef
des gesamten Militärwesens zu.

„Zu rechter Zeit? Telbstverständlich, mein cherr! Ich
komme immer zur rechten Zeit," bemerkte ich ein wenig von
oben herab.

„Ghne Frage. Aber Tie trefien einen hochpolitischen Ako-
ment — Tie wissen bereits . . . ."

„Freilich, freilichl Ich bin genau orientiert," wandte ich
ein, getreu meinem jdrinzip, daß ein Iournalift alles wissen
müsse, konnte mich aber doch nicht enthalten, hinzuzufügen:
 
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